Vor Erstverschreibung von Clopidogrel: Britische Leitlinie empfiehlt Gentest

Die CYP2C19-Genotypisierung vor einer Verschreibung von Clopidogrel könnte in Großbritannien künftig Standard werden. (Symbolfoto: ©MdBabul/stock.adobe.com)

Als Prodrug wird die Wirksamkeit von Clopidogrel von dem individuellen Spiegel des Enzyms CYP2C19 bestimmt. Um diesen zu ermitteln, empfiehlt eine britische Leitlinie nun einen Gentest vor Erstverschreibung des Medikaments.

Nach Acetylsalicylsäure ist Clopidogrel der am häufigsten verschriebene Thrombozytenaggregationshemmer in Deutschland. Etwa ein Prozent der Bevölkerung hierzulande nimmt täglich Clopidogrel 75 mg ein. Doch nicht bei allen Patienten wirkt das Arzneimittel gleichermaßen.

Aktivierung von Clopidogrel abhängig von CYP2C19

Grund dafür ist das Enzym CYP2C19, das für die Umwandlung des Prodrugs in seinen aktiven Metaboliten verantwortlich ist. Aufgrund von Variationen im CYP2C19-Gen weisen verschiedene Menschen unterschiedliche Konzentrationen dieses Enzyms auf. Bei Menschen mit niedrigen Enzymkonzentrationen wird Clopidogrel weniger effizient aktiviert als bei Menschen mit „normalen“ Konzentrationen, wodurch Clopidogrel weniger wirksam ist.

So weisen etwa 20 bis 30 Prozent der weißen Bevölkerung niedrigere Enzymspiegel auf, bei Menschen asiatischer Abstammung können es sogar bis zu 60 Prozent sein. Die Variabilität lässt sich aber durch eine pharmakogenetische Genotypisierung feststellen. 

Britische Leitlinie empfiehlt CYP2C19-Genotypisierung

Die generelle Durchführung einer CYP2C19-Genotypisierung vor der Erstverschreibung von Clopidogrel wird nun erstmals in Großbritannien vorgeschlagen. Konkret empfiehlt das britische Kompetenzzentrum für Regulierungswissenschaft und Innovation in der Pharmakogenomik (UK CERSI-PGx) unter der Leitung der Universität Liverpool ein solches Vorgehen. Das Kompetenzzentrum hat Anfang Dezember seine erste klinische Leitlinie zu dem Thema im „British Journal of Clinical Pharmacology“ veröffentlicht. Sie befasst sich mit der CYP2C19-Genotypisierung bei Patienten, denen Clopidogrel aufgrund von Erkrankungen wie koronarer Herzkrankheit, zerebrovaskulären Erkrankungen und peripherer arterieller Verschlusskrankheit verschrieben wird.

Während die bereits existierenden Leitlinien des Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium (CPIC) und der Dutch Pharmacogenetics Working Group (DPWG) Handlungsanweisungen im Falle einer vorliegenden genetischen Variation geben, hat die britische Leitlinie einen stärkeren klinischen Fokus und enthält praktische Empfehlungen zu folgenden Themen:

  • Eignung für Tests
  • Integration in aktuelle klinische Pfade
  • Zu testende Varianten und Durchlaufzeiten
  • Maßnahmen basierend auf dem Genotyp
  • Gesundheitsökonomische Überlegungen
  • Evidenzlücken und zukünftige Forschungsschwerpunkte

In Deutschland existiert bislang keine generelle Empfehlung zur CYP2C19-Genotypisierung vor einer Verordnung von Clopidogrel.  

NHS plant routinemäßige pharmakogenetische Testung

Die Entwicklung der Leitlinien wurde von einem Ausschuss mit einer repräsentativen Gruppe von Fachleuten durchgeführt. Laut der Universität Liverpool wird sie für Regulierungsbehörden, die Industrie und den National Health Service (NHS) von Bedeutung sein. Der Zehn-Jahres-Plan des NHS sieht vor, dass „die Pharmakogenomik in die routinemäßige klinische Praxis integriert wird“. Die aktuellen Leitlinien und die weiteren Leitlinien, die derzeit von CERSI-PGx entwickelt werden, sollen dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.

„Mit der neuen CERSI-PGx-Leitlinie für Clopidogrel wollen wir sicherstellen, dass Patienten auf der Grundlage ihrer Genetik die richtige Behandlung in der richtigen Dosierung verschrieben bekommen“, verdeutlicht der Leiter des Kompetenzzentrums, Prof. Sir Munir Pirmohamed von der Universität Liverpool. „Durch die Integration von CYP2C19-Tests in die Routinebehandlung können wir die Wirksamkeit verbessern, unerwünschte Arzneimittelwirkungen reduzieren, den Druck auf den NHS verringern und eine kosteneffiziente, präzise Verschreibung unterstützen.“

Dr. Alison Cave, Chief Safety Officer der britischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde MHRA, ergänzt: „Diese erste klinische Leitlinie von UK-CERSI-PGx für Clopidogrel enthält praktische Empfehlungen zur Beschleunigung der Integration der Pharmakogenomik in die Routineversorgung. Durch die Analyse der genetischen Informationen eines Patienten stellt die Pharmakogenomik sicher, dass er die für sein spezifisches genetisches Profil am besten geeigneten Medikamente und Dosierungen erhält, wodurch das Risiko von Nebenwirkungen minimiert wird. Solche Ansätze sind Teil der langfristigen Vision der MHRA für eine personalisiertere Verschreibung von Medikamenten und werden die Patientensicherheit und das Wohlbefinden der Patienten entscheidend verbessern.“

(ah/BIERMANN)