VSOU-Podiumsdiskussion: Krank zur Arbeit, die krank macht4. Mai 2019 Auf dem Podium des Jungen Forums diskutierten Jan Philipp Schüttrumpf, Annabell Bode, Jürgen Kußmann, Marie Samland, Tobias Dorn und Annika Hättich (v.l.) (Foto: Biermann Medizin, hr). Wie ist es um die Gesundheit der Ärzte bestellt? Diese Frage stand im Zentrum der Podiumsdiskussion des Jungen Forums unter der Moderation von Dr. Jan Philipp Schüttrumpf, Magdeburg, und Dr. Annika Hättich, Hamburg, auf dem VSOU-Kongress. Einfache Antworten gibt es nicht. Allerdings waren sich die Diskutanten einig, dass sich wenig ändert, wenn Ärzte sich nicht wehren. Die Frage ist nicht, wer schon einmal krank zur Arbeit gegangen ist, sondern: Wer ist noch nicht krank zur Arbeit gegangen,“ brachte Dr. Tobias Dorn, Oberarzt im Gelenkzentrum Schwarzwald, Mühlacker, das Problem gleich zu Anfang auf den Punkt. Er selbst kontrolliere im Krankheitsfall den OP-Plan und frage sich, ob er es sich leisten könne, krank zu sein. Dies sei aber zu hinterfragen. Dr. Marie Samland, Assistenzärztin in der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie des Uniklinikums Leipzig, sieht ein Problem in der zu dünnen Personaldecke vieler Kliniken, die Ausfallzeiten wegen Krankheit nicht vorsehe. Verantwortungsgefühl den Patienten und ein schlechtes Gewissen den Kollegen gegenüber machten das Eingeständnis selbst krank zu sein schwierig. Der Grund dafür ist für Dr. Jürgen Kußmann, Facharzt Orthopädie und Unfallchirurgie und in der ambulanten Rehabilitation tätig, „dass wir alle ein Helfersyndrom haben, sonst hätten wir den Beruf nicht gewählt.“ Wenn Ärzte krank sind, therapieren sie sich oft selbst: So habe die Hälfte der Ärzte keinen Hausarzt und gehe erst zum Spezialisten, „wenn sie selbst nicht mehr weiterkommen“, wie Hättich anmerkte. Allerdings sehe man Probleme wie Sucht, Depression und Burnout nicht beim ersten Blick in den Spiegel. Der Gang zum Psychiater sei immer noch ein Stigma. Gerade für Niedergelassene seien Suchterkrankungen ein Problem, ergänzte Kußmann, denn sie gefährden bei Bekanntwerden die Approbation. Die Probleme beginnen bereits im Studium: Medizinstudentin Annabell Bode, Berlin, verwies darauf, dass laut einer Studie 27 Prozent aller Medizinstudenten depressiv sind oder bereits unter einer depressiven Episode gelitten haben, elf Prozent äußern Suizidgedanken. Auch Dorn hat im Gespräch mit Studenten den Eindruck, viele stehen kurz vor dem Burnout, weil sie sich selbst zu viel Druck machten. Für Bode ist die finanzielle Situation vieler Studenten ein zusätzlicher Stressfaktor. So zwinge der Bafög-Bezug Studenten dazu, das Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen, dabei hätten viele noch zusätzliche Nebenjobs. Die Anwesenheitspflicht erzeuge zusätzlichen Druck zu funktionieren. Kußmann verwies auf Probleme, die im eigenen Verhalten liegen, wie etwa oberflächliche Kontakte in den sozialen Medien statt Freunde im echten Leben, schlechte Ernährung und zu wenig gesunden Ausgleich zu Arbeit oder Studium. „Wir machen alle Fehler,“ konstatierte Kußmann. Es könne aber helfen, den eigenen Erwartungsdruck zu senken. Ob der Stress zu viel wird und in gesundheitliche Probleme mündet hängt für Dorn eng mit der Arbeitszufriedenheit zusammen. „Es gibt schlechte Arbeitsbedingungen. Aber jeder hält die Zügel selbst in der Hand“, so Dorn. Das Fach biete viele Möglichkeiten für unterschiedliche Karrierewege und im Zweifelsfall müsse man eben auch den Wechsel der Arbeitsstelle wagen. Eine andere Möglichkeit sei es, sich zu beschweren, merkte Samland an. „Letztendlich muss jeder seinen eigenen Weg finden.“ Allerdings sind zu viele Überstunden nach wie vor ein Problem. 80 Prozent der Ärzte machten mehr als zehn Überstunden pro Woche, so Hättich. Arbeitszeitschutzgesetze seien oft nur Theorie, in der Praxis werde „quasi täglich“ dagegen verstoßen. Einen Wandel „der in die richtige Richtung geht“ beschrieb Dorn. Es gebe zunehmend strengere Regularien der Klinikträger und ein genaueres Monitoring von Überstunden. Deren konsequente Erfassung sei aber wichtig, denn „nur dann gibt es irgendwann mehr Personal.“ (ja)
Mehr erfahren zu: "Prothesen durch Gedankenkraft steuern" Prothesen durch Gedankenkraft steuern Forschende des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen konnten zeigen, wie sich das Gehirn anpasst, wenn es motorische Prothesen steuert. Die Erkenntnisse helfen nicht nur, die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen voranzutreiben, sondern verbessern […]
Mehr erfahren zu: "Neustart für das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien" Neustart für das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien Nach der Auflösung des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin, das bis 2024 das Programm koordinierte und redaktionell betreute, war nach einer Möglichkeit gesucht worden, die Arbeit an den […]
Mehr erfahren zu: "Arbeitszeitgesetz: Marburger Bund sieht drohende Aufweichung" Arbeitszeitgesetz: Marburger Bund sieht drohende Aufweichung Der Marburger Bund (MB) lehnt die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform des Arbeitszeitgesetzes entschieden ab. In einem Positionspapier weist er auf bestehende Möglichkeiten hin, schon jetzt flexible Modelle „in ausreichendem Maße“ […]