Wann ist man zu alt für ein neues Hüft- oder Kniegelenk?18. November 2022 Foto: spotmatikphoto/stock.adobe.com Fitness, gute Vorbereitung und altersentsprechende Therapie entscheidend für OP-Erfolg beim Gelenkersatz, darauf macht die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik im Vorfeld ihres Kongresses aufmerksam. Fast ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland war im Jahr 2021 über 60 Jahre alt, 7,3 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner sogar 80 Jahre und älter – mit steigender Tendenz (1). Viele der Seniorinnen und Senioren leiden an schmerzhafter Arthrose ihrer Hüft- und Kniegelenke. Dadurch sind sie in ihrem Alltag und ihrer Mobilität oft massiv eingeschränkt. Ein Ersatzgelenk könnte ihre Schmerzen nehmen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Doch bis zu welchem Alter darf man einen solchen Eingriff riskieren? Zu jung – zu alt: Das „richtige“ Alter für ein Kunstgelenk und wie man es hinauszögern oder vielleicht sogar vermeiden kann, auf diese Themen macht die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. im Vorfeld des 24. AE-Kongresses aufmerksam, der vom 9. bis 10. Dezember 2022 in Frankfurt am Main stattfindet. Bewegung ist gesund, sie ist vielleicht sogar die Basis unseres Wohlergehens. Die Behandlung der 500 Millionen Menschen, die im Zehnjahreszeitraum 2020 bis 2030 mangels Bewegung erkranken dürften, koste die Welt zusammen 27 Milliarden Dollar (entspricht 27,5 Milliarden Euro), berichtete Fiona Bull, Leiterin der WHO-Abteilung für körperliche Bewegung bei der Vorstellung des Global status report on physical activity 2022 kürzlich in Genf (2,3). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt deshalb mindestens 150 Minuten körperliche Aktivitäten in der Woche für Erwachsene (4). Dies soll Krankheiten wie etwa des Herz-Kreislaufsystems, Fettleibigkeit und Diabetes vorbeugen. „Bewegung beeinflusst die relevanten Parameter einer guten Stoffwechseleinstellung positiv“, sagt auch Prof. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In der Folge sinken die Insulinresistenz und der Blutfettspiegel, der Kalorienverbrauch steigt, die Muskulatur wird gestärkt und die Stimmung verbessert sich. Auch das Sturzrisiko verringere sich durch regelmäßige körperliche Übung. Doch was tun, wenn man sich aufgrund von Schmerzen durch Arthrose und Gelenkverschleiß kaum noch bewegen kann? Bewegung ist gesund – doch was tun, wenn man sich nicht bewegen kann? Sind alle konservativen Möglichkeiten der Behandlung wie etwa Physiotherapie und Schmerzmittel ausgeschöpft, steht die Frage nach einem Ersatzgelenk im Raum. Patientinnen und Patienten haben jedoch häufig Bedenken, ob sie einem Eingriff noch gewachsen sind. Dies sei gut nachvollziehbar, sagt der Orthopäde und Unfallchirurg Perka: „Eine größere Operation kann bei labilem körperlichem Gleichgewicht einen erheblichen Einschnitt bedeuten, von dem sich Betroffene mitunter nur langsam erholen.“ Deshalb sollte zunächst eine gründliche Risiko-Abwägung gemeinsam mit den Betroffenen stattfinden: „Ausschlaggebend für ein zufriedenstellendes Operationsergebnis in hohem Alter ist heute vorrangig die körperliche und geistige Verfassung, weniger das Geburtsdatum“, sagt er. Durch Fortschritte in Intensivmedizin und OP-Techniken könnten mittlerweile auch große Operationen bei rüstigen Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Alter mit vergleichbaren Ergebnissen durchgeführt werden wie bei jungen, erläutert Perka. Hier greifen altersspezifische chirurgische Operations-Konzepte mit altersmedizinischer, geriatrischer, Begleitung. Dazu gehören der Schutz vor Auskühlung während der Operation ebenso wie kontrollierte Flüssigkeitsgabe (5). Auch Schlüssellochchirurgie statt offener Operation und optimal angepasste Narkosen schonen die Betroffenen. Eine gute Vorbereitung auf die OP hilft, die Risiken in den Griff zu bekommen und das Ergebnis zu verbessern Zudem gelte das Prinzip: „Better in – better out“. Perka erläutert: „Eine gute Vorbereitung auf die OP hilft, die Risiken in den Griff zu bekommen und das Ergebnis zu verbessern.“ So leide etwa jeder fünfte Patient über 70 Jahren an mindestens fünf Krankheiten gleichzeitig. Diese sogenannte Multimorbidität gelte es bereits in der Vorbereitungsphase zu berücksichtigen, so Professor Perka. Ein Diabetes etwa müsse gut eingestellt, eine Unterernährung oder ein Vitaminmangel behoben werden. Neben der klassischen Rehabilitation nach der OP habe sich auch Prärehabilitation bewährt: Mit gezielter Physiotherapie vor dem Eingriff könne man nicht nur das Gehen an Unterarmstützen trainieren, sondern auch die Atemkapazität erweitern und die Muskeln kräftigen. Eine große Rolle spielten auch bestehende Entzündungen, etwa der Zähne, Blase, sowie durch Wunden oder Fußpilz. Diese können gerade bei Älteren leicht zu Implantatinfekten führen und sollten deshalb vor der OP behandelt werden. „Hier sind auch unsere Patientinnen und Patienten gefragt, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen und mitzuarbeiten.“ Durchaus realistisch sei deshalb auch ein Vorlauf von einem halben bis einem Jahr bis zur geplanten Operation. „Bei Älteren bestehen oft Unsicherheiten bei der Indikationsstellung: Dabei profitieren insbesondere gut vorbereitete Seniorinnen und Senioren erheblich. Sie können nach dem Eingriff oft wieder ein selbstständiges Leben führen und mobil bleiben (6)“, so Privat-Dozent Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE, Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken, Karlsruhe. Eine gute Vorbereitung im Sinne einer Prärehabilitation stelle jedoch die Grundlage des Operationserfolgs dar (7). Literatur: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/bevoelkerung-altersgruppen-deutschland.html https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/138244/Bewegungsmangel-mit-verheerenden-Folgen The Cost of Inaction on Physical Inactivity to Healthcare Systems, Lancet 2022; DOI: 10.2139/ssrn.4248284, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4248284 WHO: Global status report on physical activity 2022, https://www.who.int/publications/i/item/9789240059153 Gibt es ein Alterslimit für chirurgische Maßnahmen? R. Mennigen, N. Senninger, Zentralbl Chir DOI: 10.1055/s-0032-1328214 Joint replacement surgery in elderly patients with severe osteoarthritis of the hip or knee: decision making, postoperative recovery, and clinical outcomes. Hamel MB, Toth M, Legedza A, Rosen MP. Arch Intern Med. 2008 Jul 14;168(13):1430-40 Weissbuch Alterstraumatologie Orthogeriatrie 2021, Prärehabiliation: https://www.dggeriatrie.de/images/Dokumente/220216_Weissbuch_Alterstraumatologie_Orthogeriatrie_DGOU_DGG_2021.pdf
Mehr erfahren zu: "Praxen können teils noch nicht mit E-Akten starten" Praxen können teils noch nicht mit E-Akten starten Am 1. Oktober beginnt eine entscheidende Stufe der Digitalisierung im Gesundheitswesen: Praxen müssen Befunde dann in die elektronische Patientenakte laden. Doch bei manchen lässt die Technik auf sich warten.
Mehr erfahren zu: "Molekulare Phage-Wirt-Beziehung entschlüsseln" Molekulare Phage-Wirt-Beziehung entschlüsseln Ein Schritt weiter in Richtung therapeutische Anwendung: Würzburger Forschenden sind Einblicke in molekulare Welt zwischen Phagen und Bakterien gelungen, die es ermöglichen, in die Vermehrung von Phagen gezielt einzugreifen.
Mehr erfahren zu: "Vom Schonprogramm zum Trainingsplan – Bewegung als Schlüssel in der Rheumatherapie" Vom Schonprogramm zum Trainingsplan – Bewegung als Schlüssel in der Rheumatherapie Lange galt für Patienten mit Rheuma: schonen statt trainieren. Inzwischen ist klar, dass regelmäßige, angepasste Bewegung ein zentraler Bestandteil der Behandlung ist – mit positiven Effekten auf Krankheitsaktivität, Schmerzen, Muskelkraft […]