Was verleiht dem Gehirn seine charakteristische Struktur?

Wie entstehen die Falten im Gehirn? Die Forschenden verglichen Hirnschnitte von Mäusen mit verschiedenen genetischen Veränderungen, untersuchten die oberen und unteren Hirnrinde-Schichten & hoben spezielle Nervenzelltypen mithilfe farbiger Marker hervor. (Quelle: © MPI für biologische Intelligenz / Seung Hee Chun)

Sprache, Kreativität und Planung: Für die bemerkenswerten Fähigkeiten des menschlichen Gehirns spielt nicht nur seine Größe, sondern auch die gefaltete Struktur der Großhirnrinde eine Rolle. Eine neue Studie zeigt nun eine ganze Reihe von Faktoren, die zur Faltenbildung im Gehirn beitragen.

Die Gehirne der meisten Tiere sind glatt. Einige größere Arten – darunter Menschen und andere Primaten, Wale, Delfine und Schweine – haben jedoch eine faltige Großhirnrinde mit Furchen (Sulci) und Erhebungen (Gyri) auf der Oberfläche. Diese charakteristischen Strukturen vergrößern die Oberfläche des Gehirns und werden mit einer Vielzahl höherer kognitiver Funktionen in Verbindung gebracht. Doch obwohl die Falten anscheinend klare evolutionäre Vorteile bieten, ist ihre Entstehung nach wie vor eines der größten Rätsel der Gehirnentwicklung.

Frühere Arbeiten am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zeigten bereits, dass sogenannte Adhäsionsmoleküle die Zellwanderung im sich entwickelnden Mäusegehirn beeinflussen. Ohne diese Moleküle, die Nervenzellen dabei helfen sich aneinanderzuheften, breiteten sich die Zellen weiter aus: Es bildeten sich in der normalerweise glatten Hirnrinde der Maus Furchen – ähnlichen denen, die beim Menschen zu sehen sind.

Die neue Studie, die in „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, baut nun auf dieser Arbeit auf. Die Forschenden führten neben den oben genannten Veränderungen noch weitere genetische Modifikationen durch. Diese erhöhten die Anzahl von Vorläuferzellen – also den Zellen, aus denen Nervenzellen entstehen. Zusammen verursachten die Veränderungen eine noch stärkere Hirnfaltung als in der vorherigen Studie. Dabei entstanden in der Großhirnrinde komplexe Muster aus Furchen und Erhebungen. Mithilfe genetischer Ansätze fanden die Forschenden außerdem heraus, dass ein Erhöhen der Anzahl verschiedener Vorläuferzellen einen spezifischen Einfluss darauf hat, ob sich Rillen oder Erhöhungen bildeten.

Mehrere Faktoren formen die Großhirnrinde

„Es wird angenommen, dass die Falten in unserem Gehirn einerseits durch schnelles Zellwachstum und andererseits durch die Wanderung der Nervenzellen während der Gehirnentwicklung entstehen“, erklärt Seung Hee Chun, Postdoc und Erstautorin der Studie. „Wie diese Prozesse zusammenwirken, um die charakteristischen Furchen des Gehirns zu bilden, war jedoch bislang nur unzureichend verstanden. Unsere Studie legt nahe, dass es eine Kombination mehrerer Faktoren ist, die den Prozess vorantreibt: Die Zellwanderung, wie eng Nervenzellen beim Wandern aneinanderhaften und die Zelldichte.“

Für ihre Studie kombinierten die Forschenden spezielle Mausmodelle, Einzelzellsequenzierung und Computersimulationen. Interessanterweise deuten die Ergebnisse auch darauf hin, dass die Art der neuronalen Vorläuferzellen eine Rolle bei der Bildung der Falten spielt. Wurde die Anzahl intermediärer Vorläuferzellen erhöht, begünstigte dies die Bildung von Sulci. Im Gegensatz dazu führte die vermehrte Bildung einer anderen Gruppe von Nervenzellen, der apikalen Vorläuferzellen, im frühen Entwicklungsstadium des Gehirns zur Bildung von Gyri.

„Mit diesen Erkenntnissen können wir nun untersuchen, wie andere zelluläre, genetische und mechanische Faktoren die Entwicklung der Großhirnrinde beeinflussen“, erklärt Prof. Rüdiger Klein, Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz. „Selbst beim Menschen können die Faltungsmuster der Großhirnrinde von Person zu Person stark variieren. Wenn wir verstehen, woher diese Unterschiede kommen, können wir viel über die Gehirnentwicklung lernen – und wie die Form des Gehirns mit Funktion, Evolution, Verhalten und Gesundheit zusammenhängt.“