„Was man nicht liebt, kann man nicht machen“

Mit Begeisterung diskutierten v.l.: Wolfgang Willauschus, Christopher Hallmann, Benedikt Friemert, Bertil Boullion, Marie Samland und Yasmin Youssef. (Foto: Biermann Medizin, hr)

Die zweite Präsidenten-Session der DKOU-Kongresspräsidenten widmete sich dem Thema Begeisterung für das Fach, auch um perspektivisch mehr Nachwuchs gewinnen.

Der BVOU-Kongresspräsident Dr. Wolfgang Willauschus zitierte eingangs Goethe mit „Was man nicht liebt, kann man nicht machen“ oder „neudeutsch: Brain runs on Fun“ als Quintessenz dessen, was Voraussetzung für eine gute Performance im Job ist. In den folgenden Einführungsreferaten berichteten die Referenten aus unterschiedlichster Perspektive zum Thema „Begeisterung“ – was sie ausmacht, woran sie scheitert und wie man sie wecken kann.

Früher war nicht alles besser

„Sind die Alten antiquiert oder war früher alles besser?“ Unter dieser Frage stellte Prof. Bertil Bouillon erfahrender Unfallchirurg und Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie im Klinikum Köln-Merheim seinen Vortrag. Er wies darauf hin, dass unter den heutigen Bedingungen im Fach, die Begeisterung oft nur schwer zu wecken sei, dass früher aber alles besser gewesen sei, beantwortete er lediglich mit einem „ja und zwinkerndem Auge“. Als heute bedrückend und somit Begeisterung verhindernd benannte er den täglichen Spagat zwischen Qualität und Ökonomie, die ausufernde Bürokratie und eine Disorganisation im Arbeitsalltag. Als Errungenschaften gegenüber der Situation von früher nannte er eine bessere Work-Life-Balance, dass der Patient weit mehr im Mittelpunkt stehe und etwa die Polytraumasterblichkeit deutlich zurückgegangen sei. Für den heutigen Arbeitsalltag empfahl er Chef- und Assistenzärzten, regelmäßig ihren Blickwinkel auf den jeweils anderen zu ändern, um mehr Verständnis für die jeweilige Arbeitssituation zu entwickeln und ein besseres Miteinander zu bereiten.

Mangelhafter Diskurs zwischen den Generationen

Einen flammenden Vortrag, der Begeisterung für das Fach versprühte, hielt die Leipziger Medizinstudentin Yasmin Youssef, aktiv bei den Youngsters im Jungen Forum O und U. Am faszinierenden Fach, das für sie eine Herzensangelegenheit ist, liege es sicherlich nicht, warum es am Nachwuchs fehle. Als einen wesentlichen Grund dafür sah sie vielmehr den „mangelhaften intergenerationellen Diskurs”.

Gute Freizeit, böse Arbeit?

DGU-Kongresspräsident Prof. Benedikt Friemert nahm das Thema Work-Life-Balance unter die Lupe. Er wies darauf hin, dass heute der Begriff getrennt betrachtet werde in „gute Freizeit und böse Arbeit“. Er warb darum, das Ego nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen und die unabdingbare Bedeutung von Arbeit im gesellschaftlichen Leben anzuerkennen. „Wenn man bei der Arbeit nicht zufrieden ist, schlägt sich das auch auf die seelische Zufriedenheit nieder.“ Zudem wies er auf ein seiner Meinung nach zu unflexibles Arbeitszeitgesetz hin, denn es gibt Zeiten im Leben, da muss und will man mehr als 50 Stunden die Woche arbeiten und es gibt Zeiten, da brauche und will ich mehr Zeit für Freizeit oder Freunde und Familie“.

„Um Begeisterung zu erzeugen, kommt es auf eine Vision an“

Aus der Perspektive des Leistungssports stellte der Zehnkampftrainer Christopher Hallmann aus Ulm vor, wie er den Zehnkämpfer Arthur Abele nach einer Achillessehnenriss ein gutes Jahr vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio auf dem Weg dorthin begleitete und der schließlich 2018 in Berlin den Europameister wurde. Er stellte beeindruckende Zahlen vom Trainingsaufwand Abeles vor, der im Laufe von 18 Jahren Leistungssporttraining pro Woche etwa 120.000 kg Gewicht stemmte und rund 10.100 Würfe vollzog. Und das letztendlich immer nur, um einen jeweils maximal etwas über neun Minuten sportlich aktiv dauernden Zehnkampf zu bewältigen. Das gehe nicht nur mit Motivation, die kurzfristig wirke, sondern nur mit der Entfachung von langfristiger Begeisterung. „Um Begeisterung zu erzeugen, kommt es auf eine Vision an“, erläuterte Hallmann.

Wie sieht gute Führung aus und was bedeutet gute Ausbildung?

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Dr. Marie Samland vom Jungen Forum als Moderatorin, kitzelte diese aus den Referenten heraus, wie sie persönlich die Begeisterung für ihren Beruf entwickelt und aufrechterhalten haben. „Denn wir wollen ja nicht immer nur ins Meckern verfallen, sondern wissen, wie Begeisterung entsteht. Klar wurde bei den Berichten, wie individuell Begeisterung entsteht und wenn diese erst einmal entfacht ist, alle auch das Bestreben haben, diese auch in ihrem Job weiterzureichen.

Dies führte schließlich zu zwei Kerndiskussionspunkten. Aus Sicht der Führungskräfte standen die Fragen im Raum: Wie sieht gute Führung aus und wie hält man Mitarbeitende am Ball? Aus Sicht des Nachwuchses: Wie können Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, um nicht nur die lange Ausbildungszeit zu überstehen, sondern auch das Gefühl zu erhalten, Spaß dabei zu haben und gut ausgebildet zu werden.

„Wir müssen gerade in der Aus- und Weiterbildung jede OP zu einem größeren Erfolg machen“

In Kritik standen immer wieder zu wenige Eingriffe in der Weiterbildungszeit der Assistenzärzte. „Ich führe vier bis sechs Eingriffe eigenständig pro Woche im fünften Weiterbildungsjahr durch“, berichtete Samland deutlich unzufrieden. „Wir bleiben jeden Tag länger in der Klinik, nicht weil wir OPs durchführen, sondern weil wir jeden Tag Bürokratie erledigen müssen, die liegenbleibt. Das frisst Zeit, das hält uns vom eigentlichen Job ab“, beklagte Samland. Die deutlich sinkenden Eingriffe pro Operateur pro Jahr macht auch Boullion als ein entscheidendes Problem aus, Qualität in der Versorgung aufrecht zu erhalten. Unter den gegebenen Bedingungen warb er aber auch dafür, dass man nicht nur auf die Menge allein schauen sollte. „Wir müssen gerade in der Aus- und Weiterbildung jede OP zu einem größeren Erfolg machen“, schlug er vor. So sollte ein Arzt in der Ausbildung beispielsweise bei einer Knie-Tep den Fall von der Erstuntersuchung bis hin zur Reha und möglichen Folgeproblemen begleiten können. „Das motiviert deutlich mehr, als wenn man etliche Patienten nur am Knie operiert, sonst aber nicht mehr sieht“, zeigte er sich überzeugt. Zudem benötige man nicht nur klinische, sondern auch viel mehr interprofessionelle Kompetenzen: „Ein echtes Interesse an der Persönlichkeit meiner Mitarbeitenden“, forderte Bouillon.

„Führung von vorne“ und „faule Äpfel“ aussortieren

Die Mitarbeiterführung war auch für Friemert, der Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm ist, entscheidend und plädierte für eine „Führung von vorne“: „Ich muss das meinen Mitarbeitern vorleben, dass es etwa gute und schlechte Tage gibt. Ich habe den Ruf zwar ein strenger Chef zu sein, aber auch immer ein offenes Ohr und bin interessiert am Tagesgeschäft.“ So habe er etwa auch als ein Zeichen sein Büro mit meist offenstehender Tür in die Nähe der Ambulanz verlegt. Dies gehöre zu den Rahmenbedingungen, damit auch Begeisterung im Arbeitsalltag des Teams entstehen kann. Es gehöre aber auch dazu, als Chef „faule Äpfel“ im Team zu erkennen. So berichtete er wie er durch eine falsche Personalentscheidung nach längerem Auslandseinsatz eine nicht fachlich, sondern emotional völlig desolate Abteilung wieder vorfand. Diese Situation brauchte lange Zeit brauchte, um überwunden zu werden. „Diese Führungsfehler sollten nicht passieren, solche Dinge muss man einfach früher wahrnehmen“, so seine Lehre aus dem Vorfall. Der Frage, wer kann führen, müsse deutlich mehr Aufmerksamkeit im Arbeitsalltag und der Ausbildung geschenkt werden, so sein Fazit.

„Wir müssen die Vorbildfunktion vorleben, dann gehen die Mitarbeitenden auch mit Begeisterung mit“

Willauschus berichtete, wie man in seiner Praxisklinik in Bamberg durch einen Zertifizierungsprozess gelernt habe, Mitarbeitergespräche zu führen, Absprachen zu treffen und diese auch einzuhalten, was für beide Seiten gelte. „Wir haben eine Vorbildfunktion und müssen diese auch vorleben, dann gehen die Mitarbeitenden auch mit Begeisterung mit“, betonte er. (hr)