Was verleiht dem Gehirn seine charakteristischen Falten?29. August 2025 Wie entstehen die Falten im Gehirn? Die Forschenden verglichen Hirnschnitte von Mäusen mit verschiedenen genetischen Veränderungen, untersuchten die oberen und unteren Hirnrinde-Schichten & hoben spezielle Nervenzelltypen mithilfe farbiger Marker hervor. Foto: © MPI für biologische Intelligenz/Seung Hee Chun Eine Studie gibt Aufschluss über Fragen zur Gehirnentwicklung und die Entstehung der Sulci und Gyri. Sie zeigt, wie sich das Verhalten und die Anzahl der Nervenzellen auf die Gehirnentwicklung auswirken – und liefert Hinweise zu Evolution, Funktion und Krankheit. Das normalerweise glatte Mäusegehirn entwickelt Falten, wenn genetische Veränderungen dazu führen, dass Gehirnzellen weniger aneinanderhaften und ihre Zellanzahl erhöht wird. Abhängig vom Nervenzelltyp, führt die Erhöhung der Zellanzahl entweder zu Furchen oder Erhebungen. Sprache, Erinnerung, Kreativität und Planung: Das sind alles charakteristische Eigenschaften des Menschen, welche auf die bemerkenswerten Fähigkeiten unseres Gehirns zurückgehen. Für diese Eigenschaften spielt nicht nur die Größe unseres Gehirns, sondern auch die gefaltete Struktur seiner äußeren Schicht, der Großhirnrinde, eine Rolle. Eine neue Studie zeigt nun eine Reihe von Faktoren, die zur Faltenbildung im Gehirn beitragen: Wichtig scheinen dabei während der frühen Gehirnentwicklung vor allem die Anzahl der Nervenzellen, ihre Wanderung während der Entwicklung und die beteiligten Zelltypen zu sein. Die Ergebnisse können neue Hinweise zur Entwicklung, Evolution und Gesundheit des Gehirns liefern. Eines der größten Geheimnisse des Gehirns Die Gehirne der meisten Tiere sind glatt. Einige größere Arten – darunter Menschen und andere Primaten, Wale, Delfine und Schweine – haben jedoch eine faltige Großhirnrinde mit Furchen (Sulci) und Erhebungen (Gyri) auf der Oberfläche. Diese charakteristischen Strukturen vergrößern die Oberfläche des Gehirns und werden mit einer Vielzahl höherer kognitiver Funktionen in Verbindung gebracht. Doch obwohl die Falten anscheinend klare evolutionäre Vorteile bieten, ist ihre Entstehung nach wie vor eines der größten Rätsel der Gehirnentwicklung.Frühere Arbeiten in Rüdiger Kleins Abteilung am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zeigten bereits, dass sogenannte Adhäsionsmoleküle die Zellwanderung im sich entwickelnden Mäusegehirn beeinflussen. Ohne diese Moleküle, die Nervenzellen dabei helfen sich aneinanderzuheften, breiteten sich die Zellen weiter aus: Es bildeten sich in der normalerweise glatten Hirnrinde der Maus Furchen – ähnlichen denen, die beim Menschen zu sehen sind.Die neue Studie, die in „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, baut nun auf dieser Arbeit auf. Die Forschenden führten neben den oben genannten Veränderungen noch weitere genetische Modifikationen durch. Diese erhöhten die Anzahl von Vorläuferzellen – also den Zellen, aus denen Nervenzellen entstehen. Zusammen verursachten die Veränderungen eine noch stärkere Hirnfaltung als in der vorherigen Studie. Dabei entstanden in der Großhirnrinde komplexe Muster aus Furchen und Erhebungen. Mithilfe genetischer Ansätze fanden die Forschenden außerdem heraus, dass ein Erhöhen der Anzahl verschiedener Vorläuferzellen einen spezifischen Einfluss darauf hat, ob sich Rillen oder Erhöhungen bildeten. Mehrere Faktoren formen die Großhirnrinde „Es wird angenommen, dass die Falten in unserem Gehirn einerseits durch schnelles Zellwachstum und andererseits durch die Wanderung der Nervenzellen während der Gehirnentwicklung entstehen“, sagt Seung Hee Chun, Postdoc und Erstautorin der Studie. „Wie diese Prozesse zusammenwirken, um die charakteristischen Furchen des Gehirns zu bilden, war jedoch bislang nur unzureichend verstanden. Unsere Studie legt nahe, dass es eine Kombination mehrerer Faktoren ist, die den Prozess vorantreibt: Die Zellwanderung, wie eng Nervenzellen beim Wandern aneinanderhaften und die Zelldichte.“Für ihre Studie kombinierten die Forschenden spezielle Mausmodelle, Einzelzellsequenzierung und Computersimulationen. Interessanterweise deuten die Ergebnisse auch darauf hin, dass die Art der neuronalen Vorläuferzellen eine Rolle bei der Bildung der Falten spielt. Wurde die Anzahl sogenannter intermediärer Vorläuferzellen erhöht, begünstige das die Bildung von Sulci. Im Gegensatz dazu führte die Erhöhung einer anderen Gruppe von Nervenzellen, den sogenannten apikalen Vorläuferzellen, im frühen Entwicklungsstadium des Gehirns zur Bildung von Gyri.„Mit diesen Erkenntnissen können wir nun untersuchen, wie andere zelluläre, genetische und mechanische Faktoren die Entwicklung der Großhirnrinde beeinflussen“, sagt Rüdiger Klein, Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz. „Selbst beim Menschen können die Faltungsmuster der Großhirnrinde von Person zu Person stark variieren. Wenn wir verstehen, woher diese Unterschiede kommen, können wir viel über die Gehirnentwicklung lernen – und wie die Form des Gehirns mit Funktion, Evolution, Verhalten und Gesundheit zusammenhängt.”
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