Weglassen unnötiger Medikamente bei Multimorbiden ohne Nachteil20. Juli 2021 Manuel R. Blum von der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital, Universitätsspital Bern und Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM). Bildquelle: Universität Bern/Insel Gruppe Die Schweizer Studie OPERAM gelangt zu dem Ergebnis, dass unnötige Medikamente bei multimorbiden Erkrankten ohne Probleme abgesetzt werden können. Auf die Anzahl erneuter Krankenhauseinweisungen hatte die verbesserte Medikation keinen Einfluss. Das Europäische Forschungskonsortium OPERAM publizierte im „British Medical Journal“ eine große, im Rahmen des Europäischen Forschungsprogramms „Horizon 2020“ und dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanzierte Studie, die von einem Forschungsteam des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern geleitet wurde. Thema ist die Verringerung der Anzahl Medikamente bei mehrfach erkrankten, älteren Personen. Erstmals konnte für diese Patientengruppe nachgewiesen werden, dass das Weglassen überflüssiger, möglicherweise gar schädigender Medikamente keine negative Auswirkung auf den Gesundheitszustand hat. Viele ältere Menschen sind multimorbide und erhalten damit verbunden eine hohe Anzahl verschiedener Medikamente. Die Folge können Über- und Fehlmedikationen sowie zusätzliche Krankenhauseinweisungen sein. In vielen Fällen kann die Medikation optimiert werden, indem Arzneimittel abgesetzt, in der Anwendungsdauer verkürzt oder in geringeren Dosen angewandt werden. Die OPERAM-Studie der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin des Inselspitals, Universitätsspital Bern hat untersucht, ob überflüssige oder möglicherweise schädigende Medikamente bei älteren, mehrfach erkrankten Patientinnen und Patienten ohne negative Auswirkung auf den Gesundheitszustand weggelassen oder reduziert werden können und ob eine solche verbesserte Medikation zu einer Verringerung von Krankenhauseinweisungen führt. Verringerung der Medikamente bei Multimorbidität möglich Das wichtigste Ergebnis der OPERAM-Studie ist, dass die Anzahl und Dauer der angewandten Medikamente bei multimorbiden Klinikpatientinnen und -patienten erfolgreich vermindert werden können, ohne dass sich deren Gesundheitszustand verschlechtert. Eine statistisch signifikante Verringerung von Klinikeinweisungen aufgrund der angepassten Medikation konnte allerdings nicht gezeigt werden. Im Rahmen der Studie wurde eine Software als Unterstützung zum Erkennen falscher oder übermäßiger Medikamentenverordnungen von ärztlichen und pharmazeutischen Teams angewandt. Die Teams machten im Anschluss Empfehlungen zur Optimierung der Medikamentenbehandlung. Bei 86 Prozent der Untersuchten wurden überflüssige und potentiell schädigende Medikamente gefunden. Dr. Manuel R. Blum, Erstautor der Studie, erklärt: „Es wurden im Durchschnitt Empfehlungen zu 2,75 ungeeigneten Medikamenten pro Patientin/Patient ausgesprochen, wobei diese in etwa zwei Dritteln der Fälle umgesetzt wurden.“ Der Studienleiter Prof. Nicolas Rodondi erläutert die Resultate: „Zum ersten Mal konnten wir in einer multizentrischen, randomisierten Studie zeigen, dass die Polypharmazie bei multimorbiden Patientinnen und Patienten erfolgreich vermindert werden kann, ohne dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustands befürchtet werden muss. Leider wurden nicht alle Empfehlungen umgesetzt. Wir gehen davon aus, dass eine intensivere Beratung sowie eine bessere Einhaltung der Medikationsempfehlungen schlussendlich auch eine Reduktion der Krankenhauseinweisungen bewirken könnte.“ Größte Europäische Studie zur Medikation Multimorbider OPERAM war eine randomisierte, multizentrische, klinische Studie mit insgesamt neun Partnern, wobei die Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin des Inselspitals Universitätsspital Bern die Gesamtleitung innehatte. Eingeschlossen wurden gut 2000 Personen über 70 Jahre, die mindestens drei chronische Erkrankungen aufwiesen und regelmäßig fünf oder mehr Medikamente einnahmen. Die Studienteilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei etwa gleichgroße Gruppen mit und ohne Medikamentenoptimierung eingeteilt. In der Gruppe mit Optimierung konnte die medikamentöse Behandlung bei 62 Prozent der Betroffenen verbessert werden. Im Durchschnitt wurde ein Medikament pro Patientin bzw. Patient reduziert, ohne dass sich der Gesundheitszustand verschlechterte. Kommentar und Ausblick Die OPERAM-Studie zeigt, dass 9 von 10 älteren und multimorbiden Patientinnen und Patienten teils unnötige oder ungeeignete Medikamente erhalten, und dass eine standardisierte Evaluation durch ein interdisziplinäres Team die Situation verbessern kann. Prof. Thomas Geiser, Direktor Lehre und Forschung der Insel Gruppe, gelangt zu einem positiven Fazit: „OPERAM hat gezeigt, wie effizient und wirksam die Europäische Forschungszusammenarbeit werden kann, wenn sie gut vernetzt und auf hohem wissenschaftlichem Niveau arbeitet. Die Arbeit in der Klinik wird nachhaltig von OPERAM profitieren.“
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