Weltdiabetestag 2025 – Leben und arbeiten mit Diabetes14. November 2025 Der 14. November ist Weltdiabetestag und steht im Zeichen der Aufklärung und Awareness für Menschen mit Diabetes. Symbolbild: Al/stock.adobe.com Diabetes auf dem Vormarsch: Steigende Fallzahlen und eine beachtliche Dunkelziffer unterstreichen die Bedeutung von Aufklärung, Prävention und Früherkennung. Zwar können Betroffene dank moderner Technologien ein relativ normales Leben führen, doch vor allem Berufstätige stehen weiterhin vor Herausforderungen. Nach aktuellen Schätzungen leben inzwischen rund 9,3 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Typ-2-Diabetes. Jährlich kommen etwa 450.000 Neuerkrankungen hinzu. Laut kürzlich veröffentlichten Prognosen des Robert Koch-Institutes (RKI) könnten sich die Fallzahlen bis 2050 sogar verdoppeln. „Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass Prävention und Früherkennung noch stärker in den Mittelpunkt rücken müssen“, betont Prof. Julia Szendrödi, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Aufklärung sind zentrale Hebel, um diese chronische Erkrankung zu vermeiden, auszubremsen oder Folgeerkrankungen zu verhindern.“ Auch der Typ-1-Diabetes nimmt weiter zu: Inzwischen haben 340.000 Erwachsene und 35.000 Kinder und Jugendliche diese autoimmune Stoffwechselerkrankung. Als Ursache dafür wird das Zusammenspiel genetischer, immunologischer und umweltbedingter Faktoren vermutet. Virusinfektionen, Veränderungen der Darmflora und Umweltchemikalien können die Autoimmunreaktion begünstigen, die zur Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen führt. Medizinische und gesellschaftliche Herausforderung Die Zahlen stammen aus dem aktuellen Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2026, den die DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe gemeinsam veröffentlicht haben. Der Bericht zeigt auch: Menschen mit Diabetes sind überdurchschnittlich häufig von Herz-, Nieren- und Augenerkrankungen betroffen. 16 Prozent aller Todesfälle in Deutschland stehen im Zusammenhang mit Diabetes. Die jährlichen Kosten für Behandlung und Folgeschäden belaufen sich auf rund 36 Milliarden Euro, womit Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 4 liegt. „Das ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung“, sagt Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. „Prävention wirkt – und sie ist der wirtschaftlichste Weg, um die Krankheitslast zu verringern.“ Prävention und Früherkennung im Fokus Eine wirksame Prävention erfordert allerdings nicht nur geeignete und personalisierte Strategien, sondern zunächst einmal das Identifizieren von individuellen Risikofaktoren. Diese sind für Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschiedlich. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie aus Deutschland zeigt beispielsweise, welche Rolle die Genetik mutmaßlich bei der Prävention von Typ-1-Diabetes bei Kindern spielt. Die Ergebnisse einer anderen Studie legen wiederum nahe, dass sich die beginnenden Stoffwechselveränderungen bei Prä- und Typ-2-Diabetes schon frühzeitig mit einem Blutzuckertest aufdecken lassen. Zu den Menschen, bei denen ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert ist, kommt nach Schätzungen des RKI noch eine Dunkelziffer von etwa zwei Millionen Menschen, die von ihrer Erkrankung noch nichts wissen. Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) betont deshalb auch die Bedeutung moderner Testverfahren, um die Krankheit und Risiken frühzeitig zu erkennen, aber auch Therapien gezielt steuern zu können. Zu den bewährten diagnostischen Verfahren, um Diabetes zuverlässig festzustellen, gehören Untersuchungen des Blutzuckers und des Langzeitzuckerwerts (HbA1c). „Früher testen heißt besser behandeln. Wer Risiken rechtzeitig erkennt, kann gegensteuern und schwere Folgeschäden vermeiden“, betont Dr. Martin Walger, Geschäftsführer des VDGH. Diagnostik nah am Menschen Für eine gute Versorgung von Diabetes-Patienten ist die Diagnostik in den Praxen unverzichtbar. Die jüngste Laborreform hat jedoch zahlreiche Vergütungspositionen gekürzt, darunter auch den HbA1c-Test. Nach Ansicht des VDGH wird die Arbeit der niedergelassenen Ärzte dadurch erschwert und die Versorgung der Patienten beeinträchtigt. „Wenn die Diagnostik in der Arztpraxis schnell verfügbar ist, liegen die Ergebnisse sofort vor und es können unmittelbar Entscheidungen getroffen werden“, so Walger weiter. „Diagnostik muss nah am Patienten bleiben, ob im Labor, in der Praxis oder in der Prävention.“ Das geplante Apothekenversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) sieht vor, dass Apotheken künftig niedrigschwellige Testungen anbieten dürfen, etwa zur Einschätzung des Risikos für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Reform wird vom VDGH ausdrücklich begrüßt. Sie schafft die Grundlage, diagnostische Verfahren stärker in die wohnortnahe Versorgung zu integrieren und Menschen frühzeitig zu erreichen, die sonst selten zum Arzt gehen. „Apotheken sind zentrale Anlaufstellen im Gesundheitswesen. Wenn dort künftig Blutzucker- oder Cholesterinwerte qualitätsgesichert gemessen werden können, wird Prävention für viele Menschen einfacher zugänglich“, so Walger. „Das ergänzt die ärztliche Versorgung sinnvoll und kann helfen, Erkrankungen früher zu erkennen.“ Aufklärung als wichtige Grundlage Ein weiterer Weg, die Früherkennung von Diabetes zu verbessern, sind öffentliche Aufklärungskampagnen. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) stellt anlässlich des Weltdiabetestages einen kostenlosen digitalen Diabetes-Typ-2-Risiko-Test zur Verfügung. In nur wenigen Minuten können Erwachsene damit ihr persönliches Risiko bestimmen, innerhalb der nächsten zehn Jahre an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Auf Basis weniger Fragen zum Lebensstil und zu familiären Risikofaktoren ermittelt der Test das persönliche Risiko in Prozent und gibt praktische Tipps, wie sich das Risiko verringern lässt. Der Test steht auf dem nationalen Diabetesinformationsportal bereit. Dort finden Bürgerinnen und Bürger qualitätsgesicherte und wissenschaftlich fundierte Informationen zur Vorbeugung von Diabetes sowie praktische Tipps zum Leben mit der Erkrankung. Social-Media-Kampagne gegen Vorurteile Um vor allem auch jüngere Menschen zu erreichen, setzt diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe auf soziale Medien. Die Kampagne #SagEsLaut #SagEsSolidarisch startet seit 2023 jährlich mehrere Aktionen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Sie stellt dabei unterschiedliche Aspekte der Erkrankungen in den Fokus und richtet sich sowohl an Betroffene mit Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes sowie deren Angehörige. Am 30. Oktober startete die Kampagne ihre vierte Aktion in diesem Jahr, diesmal unter dem Motto „Für Mentale Gesundheit und gegen Vorurteile“. „Ständige Rechtfertigung, Druck oder Erwartungshaltungen können zu Schuldgefühlen, Burnout und sozialem Rückzug führen. Messwerte sind keine Noten und niemand muss perfekt sein. Was zählt, ist Unterstützung, Mitgefühl und der Mut, offen über Belastung zu sprechen“, erklärt Nicole Mattig-Fabian, Geschäftsführerin von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. In einem YouTube-Video berichten Lara (Typ-1-Diabetes) und Serdar (Typ-2-Diabetes) von ihren Erfahrungen. „Diabetes and well-being – Diabetes and the Workplace“ Auch das Motto des Weltdiabetestages 2025 steht im Zeichen des Wohlbefindens – und zwar im Arbeitsalltag. Denn zu den Betroffenen mit Diabetes zählen in Deutschland auch rund zwei Millionen Berufstätige. Denn dank moderner Therapien und digitaler Technologien wie CGM (kontinuierlicher Glukosemessung), AID-Systeme (Automated Insulin Delivery), Insulinpumpen und neuen Medikamenten können Menschen mit Diabetes ihre Erkrankung heute sicher managen und sind in der Lage, fast jede berufliche Herausforderung zu meistern. „Diese Fortschritte haben die Arbeitsfähigkeit von Menschen mit Diabetes revolutioniert“, sagt Dr. Wolfgang Wagener, Vorsitzender des Ausschusses Soziales der DDG und Facharzt für Innere Medizin. „Für die meisten Betroffenen entfallen nahezu alle früheren Einschränkungen im Berufsleben: Die Lebenserwartung liegt heute fast auf dem Niveau stoffwechselgesunder Menschen, und die Zahl der Fehltage ist verglichen mit anderen Erkrankungen gering und weiter rückläufig. Wir sind heute medizinisch und technisch deutlich weiter als vor 20 oder 30 Jahren.“ Diskrimination durch veraltete Denkmuster Trotz dieser Entwicklungen gelten in bestimmten Berufsfeldern wie Polizei, Bundeswehr, Zoll oder im Schienenverkehr weiterhin Ausschlusskriterien für Menschen mit Diabetes. „Diese Regelungen stammen aus einer Zeit, in der Unterzuckerungen schwer vorhersehbar waren“, erklärt Wagener. „Auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung (GBU) lt. § 5 ArbeitsSchutzGesetz, muss heute begründet werden, warum ein Mensch mit Diabetes nicht ausgebildet oder bei entsprechender Qualifikation nicht am betreffenden Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die Beweispflicht, dass eine Tätigkeit nicht ausgeübt werden kann, liegt also beim Arbeitgeber und dessen Betriebsärztin bzw. -arzt mit Rücksprache der behandelnden Diabetologin bzw. Diabetologen. Ein genereller Ausschluss von Menschen mit Diabetes ohne individuelle Gefährdungsbeurteilung diskriminiert Betroffene in ihren beruflichen Möglichkeiten und ist unhaltbar.“ Wagener plädiert dafür, die arbeitsmedizinischen Eignungsrichtlinien an den Stand der Wissenschaft anzupassen – nach dem Vorbild anderer europäischer Länder wie Großbritannien oder Österreich, in denen bereits individuelle Risikobewertungen üblich sind. „Technisch und medizinisch sind wir heute weiter als viele gesetzliche Regelwerke“, so Wagener. „Diese Lücke müssen wir schließen – im Interesse der Betroffenen, aber auch im Interesse der Wirtschaft. Denn jeder Mensch mit Diabetes, der arbeitsfähig ist, stärkt unsere Leistungsfähigkeit als Gesellschaft.“ Wissen schützt vor Vorurteilen Veraltete Verordnungen fördern nicht nur die Diskriminierung und den Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen, sie verstärken zudem den Fachkräftemangel unnötig. Erfreulich hingegen sei, dass die Verbeamtung von Menschen mit Diabetes in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes heute kaum noch Probleme bereitet, so Wagener. Auch Szendrödi sieht Aufklärung als zentralen Hebel und richtet ihren Apell daher speziell an Arbeitgeber sowie Arbeitsmediziner: „Wissen schützt vor Vorurteilen. Wer versteht, was moderne Diabetestechnologie und eine individuelle Therapie leisten kann, erkennt, dass Diabetes kein Ausschlusskriterium mehr ist.“ Arbeit sei zudem ein integraler Teil des Lebens und damit auch ein Schlüssel für Gesundheit und Lebensqualität, so Szendrödi weiter. Deshalb sei es wichtig, veraltete Denkmuster und Vorschriften aufzubrechen, ergänzt Wagener. „Die moderne Diabetologie hat längst die Voraussetzungen geschaffen, dass Menschen mit Diabetes in nahezu allen Berufen arbeiten können. Jetzt gilt es, dieses Wissen in der Praxis umzusetzen – durch zeitgemäße Beurteilungen und Offenheit in der Arbeitswelt.“ „Meilensteine der modernen Diabetologie“ Parallel zu den bestehenden Technologien entwickelt die Forschung auch neue Ansätze, um die Insulinproduktion im Körper langfristig zu erhalten oder sogar wiederherzustellen. Ein Beispiel hierfür ist die erfolgreiche Umprogrammierung von Magenzellen in insulinproduzierende Zellen in einem Organoid-Modell. „Diese Innovationen machen Hoffnung, dass wir Diabetes künftig besser kontrollieren oder eines Tages vielleicht sogar heilen können“, sagt Szendrödi. Wie weit die Behandlung des Diabetes seit der Entdeckung des Insulins im Jahr 1921 gekommen ist, zeigt die Veranstaltung „Meilensteine der modernen Diabetologie 2025 und Weltdiabetestag“ am 16. November in Berlin. Sie steht unter dem Motto „40 Jahre Insulinpen“ – ein Symbol für den Wandel in der Therapie. Besucherinnen und Besucher erwartet ein vielfältiges Programm mit Vorträgen von Expertinnen und Experten zu Themen wie Übergewicht, Ernährung, neue Technologien und künstliche Intelligenz. Der Eintritt ist frei, Beginn ist um 12:00 Uhr (Einlass ab 11:30 Uhr). Die Veranstaltung zum Weltdiabetestag steht unter der Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken. „Wir wollen zeigen, wie Forschung, Versorgung und Betroffene gemeinsam den Weg zu mehr Lebensqualität gestalten können“, sagt Kröger. „Diese Veranstaltung ist ein Ort des Austauschs, des Wissens und der Inspiration – offen für alle, die sich informieren und vernetzen möchten.“ (mkl/BIERMANN)
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