Diabetische Retinopathie: Bei Kindern und Jugendlichen rückläufig

Proliferative diabetische Retinopathie.Foto.©BVA/Universitätsklinikum Münster/Busse

Die diabetische Retinopathie (DR) ist weltweit die vierthäufigste Augenerkrankung bei Erwachsenen und kann zur Erblindung führen. Bei Kindern und Jugendlichen ist diese Komplikation des Diabetes allerdings rückläufig, wie eine aktuelle internationale Kohorten-Studie zeigt.

Lange Zeit war die diabetische Retinopathie eine der Hauptkomplikationen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes. Nun gibt es allerdings einen Trend zu weniger Augenerkrankungen in dieser Patientengruppe, wie eine aktuelle internationale Kohorten-Studie im Journal „Pediatric Diabetes” zeigt.1 „Wir können vermuten, dass diese Entwicklung im Zusammenhang mit der verbesserten glykämischen Kontrolle in den letzten Jahren stehen könnte. Diese wurde auch mithilfe des gestiegenen Zugangs zu Diabetes-Technologien, wie der kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) und Insulinpumpen, ermöglicht“, erklärt Prof. Reinhard Holl die Ergebnisse der Studie, an der er mit dem deutschen DPV-Register (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation) mitgewirkt hat. „Das trug offenbar erheblich dazu bei, mikro- und makrovaskuläre Komplikationen, die zur Retinopathie, aber auch zur Nephropathie und Neuropathie führen, hinauszuzögern oder gar zu verhindern.“

Die Studienautoren konnten anhand der Daten von mehr als 156.000 jungen Diabetespatienten in elf Ländern zeigen, dass die Retinopathie-Erkrankungszahlen international rückläufig sind. Holl, Leiter der Arbeitsgruppe Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Medizin im epidemiologischen Institut der Universität Ulm, begrüßt diese positive Entwicklung, nimmt die aktuelle Studie aber auch zum Anlass, auf Lücken in der Versorgung bei Diabetespatienten hinzuweisen. Denn die Untersuchung zeige auch auf, dass in einigen Ländern – darunter auch Deutschland – weiterhin zu wenige Maßnahmen zur Verhinderung von Bluthochdruck ergriffen würden, der wiederum Gefäßschäden begünstigt. „Trotz der hohen Assoziation zwischen erhöhtem Blutdruck und Gefäßschäden bei Diabetes ist die frühzeitige Bluthochdruckbehandlung noch zu selten Teil der Diabetestherapie“, kritisiert Holl. Nur etwa jeder dritte Erwachsene mit Diabetes erhält im Falle eines dauerhaften Bluthochdrucks eine ausreichende medikamentöse Behandlung.2

Auch profitieren lediglich rund ein Drittel der Betroffenen bei Diagnose und gerade einmal die Hälfte der Patienten nach zwei Jahren Diabetesdauer von einem leitliniengerechten Augen-Screening, wie Untersuchungen zeigen.3 „Das ist definitiv ein Versäumnis, wenn man bedenkt, dass im Frühstadium eines Diabetes die Netzhaut das einzige Gefäßgebiet ist, das hyperglykämische Schäden anzeigt – im Gegensatz beispielsweise zur Niere, die vor allem bei Insulinresistenz reagiert“, gibt Prof. Hans-Peter Hammes, ehemaliger Ko-Vorsitzender der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes & Auge“ zu bedenken. „Weitaus mehr DR-Fälle könnten identifiziert und deren Verschlechterung verhindert werden, würde konsequenter augenärztlich untersucht oder Risikofaktoren wie Bluthochdruck effektiver behandelt.“

Zudem trage ein Augenscreening über den Erhalt des Augenlichtes hinaus auch dazu bei, eventuelle Schäden an großen Blutgefäßen vorauszusehen, zu verhindern und somit bestenfalls sogar das Sterblichkeitsrisiko – beispielsweise durch daraus entstehende Herz-Kreislauferkrankungen – zu verringern. „Die Augen sind ein Spiegel für den allgemeinen Gefäßzustand – Präventionsmaßnahmen an diesem Organ sind insbesondere bei einem Diabetes essenziell“, betont Hammes, ehemaliger Sektionsleiter Endokrinologie an der 5. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim.

Eine DR entwickelt sich lange Zeit unbemerkt, da sie im Frühstadium symptomfrei verläuft. Zu Sehstörungen kommt es erst, wenn die Netzhaut des Auges bereits deutliche und irreversible Schäden aufweist.