Kortison in niedrigen Dosen: Weniger Nebenwirkungen als befürchtet15. August 2023 Modell des Cortisonmoleküls. Foto: Benjah-bmm27, Public Domain In medizinischen Leitlinien wird von einer längerfristigen Einnahme abgeraten: Die dafür ursächlichen Nebenwirkungen wurden allerdings vor allem bei den früher üblichen hohen Dosierungen beobachtet. Eine neue Studie liefert nun Daten zu niedrigen Dosen. Zur Verabreichung von kleinen Mengen Kortison über einen längeren Zeitraum gab es bislang wenig aussagekräftige Daten. Eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin in „Annals of Internal Medicine“ zeigt jetzt: Zumindest der Blutdruck steigt nach zweijähriger Therapie mit niedrig dosiertem Kortison nicht an. Und die oft befürchtete Gewichtszunahme fällt mit rund einem Kilogramm moderat aus.„Weil Kortison-Präparate so gut gegen die rheumatoide Arthritis helfen, nehmen 30 bis 50 Prozent der Betroffenen sie auch zwei Jahre nach der Diagnose noch – und zwar entgegen den aktuellen medizinischen Leitlinien und Empfehlungen“, erklärt Dr. Andriko Palmowski, Erstautor der Studie von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité. „Die Leitlinien und Empfehlungen raten eigentlich, Kortison – wenn überhaupt – nur vorübergehend zu verabreichen, weil sonst relevante Nebenwirkungen zu befürchten sind.“ Allerdings: Viele dieser Nebenwirkungen sind für die früher viel häufiger verabreichten hohen Kortison-Dosierungen gut belegt, für die heute bevorzugten geringeren Mengen ist die Datenlage weniger eindeutig. Dr. Palmowski: „So genau wissen wir also gar nicht, wie stark die Nebenwirkungen bei niedrig dosierten Kortison-Präparaten sind.“In der Vergangenheit hatten einige Beobachtungsstudien beispielsweise darauf hingedeutet, dass eine langfristige Einnahme von geringen Mengen Kortison bei rheumatoider Arthritis den Blutdruck ansteigen lässt und zu einer Gewichtszunahme führt. „Allerdings haben Beobachtungsstudien aufgrund verschiedener verzerrender Effekte nur eine begrenzte Aussagekraft“, betont Prof. Frank Buttgereit, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité und Leiter der Studie. „Für eine stärkere Beweiskraft benötigt man ein höherwertiges Untersuchungsdesign, die sogenannten randomisierten kontrollierten Studien.“ Von dieser Art der Studien, bei der der Zufall entscheidet, ob die Teilnehmenden das Medikament oder ein Scheinpräparat erhalten, gab es sogar schon eine Handvoll. Für eine statistisch verlässliche Analyse der beiden Nebenwirkungen hatte jede für sich genommen jedoch zu wenige Patienten eingeschlossen.Charité-Studie analysiert Daten von mehr als 1100 PersonenDas Charité-Forschungsteam holte deshalb von fünf der bereits abgeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien die Messwerte zu Blutdruck und Körpergewicht ein und analysierte diese gemeinsam. So kamen Daten von insgesamt mehr als 1100 Menschen mit rheumatoider Arthritis aus zwölf europäischen Ländern zusammen, die über zwei Jahre hinweg niedrig dosierte Kortison-Präparate oder ein Scheinpräparat beziehungsweise Kontrollmedikamente erhalten hatten. Alle Patienten hatten zudem, wie üblich, eine dauerhafte Begleitmedikation zur besseren Eindämmung der Erkrankung bekommen. Das Ergebnis: Unter der Kortison-Therapie veränderte der Blutdruck sich nicht signifikant, und die Betroffenen nahmen im Schnitt nur 1,1 Kilogramm mehr zu als die Teilnehmenden in der Kontrollgruppe. Ähnliches galt auch für Risikopatienten, die zu Studienbeginn bereits übergewichtig waren oder einen hohen Blutdruck hatten.„Die Ergebnisse unserer Studie machen die Leitlinien nicht obsolet, denn Glukokortikoide können auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen wie Osteoporose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Neigung zu Infektionen mit sich bringen“, resümiert Buttgereit. „Aber für viele Rheuma-Betroffene und auch ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ist die Sorge vor einem Blutdruckanstieg und einer Gewichtszunahme ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen eine Kortison-Therapie. Das sollte sie jedoch nicht sein, weil beide Effekte – wie unsere Ergebnisse zeigen – keine große Relevanz haben. Stattdessen sollte die Entscheidungsfindung eher die anderen Nebenwirkungen in den Blick nehmen.“Um das Für und Wider einer Therapie mit niedrig dosiertem Kortison künftig noch besser abwägen zu können, plant das Charité-Forschungsteam nun, zu weiteren Nebenwirkungen hochqualitative Daten zu sammeln. Als nächstes im Fokus: die Osteoporose.
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