Wenn aus Muskeln Knochen werden2. März 2020 Die diesjährigen Forschungspreisträgerinnen Martina Rauner und Ulrike Baschant im „Bone Lab“ der TU Dresden. (Foto: Stephan Wiegand, TU Dresden) Anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen Ende Februar zeichnet Eva Luise Köhler die Forschung zu der seltenen Knochenerkrankung Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP) mit dem nach ihr benannten Preis aus. Dort, wo gestern noch Muskeln waren, ist heute plötzlich Knochen – für die Betroffenen ist das grausame Realität. Durch einen Gendefekt bildet ihr Körper kein Narbengewebe, sondern Knochen. Selbst kleine Verletzungen können dazu führen, dass Gelenke plötzlich unbeweglich werden und sich der Körper langsam versteift. Angesichts neuer Erfolge in der Grundlagenforschung dürfen die rund 800 Betroffenen weltweit neue Hoffnungen schöpfen. FOP-Schübe kündigen sich oft durch Entzündungen an, der Rücken des Patienten ist stark geschwollen und gerötet (l.). Zurückbleibende FOP-Verknöcherungen am Rücken (r.)(Fotocollage: www.fop-ev.de) Für einen vielversprechenden neuen Therapieansatz, der die fortschreitende Verknöcherung hemmen könnte, zeichnet Köhler am 27. Februar Prof. Martina Rauner und Dr. Ulrike Baschant von der Medizinischen Fakultät der TU Dresden in Berlin aus. Mit dem Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro werden die beiden Wissenschaftlerinnen mit einem internationalen Team die Wirkungsweise eines kürzlich entdeckten Proteins, das die überschießende Knochenbildung hemmt, in genetisch veränderten FOP-Mäusen überprüfen. Chirurgische Eingriffe verursachen Knochenschübe Eine frühzeitige Diagnose und die Begleitung durch erfahrene Ärzte, die mit den richtigen Behandlungsstrategien vertraut sind, könne viel unnötiges Leid ersparen, erläutert Nadine Großmann, die im Alter von 13 Jahren ihre FOP-Diagnose erhielt. Viele Ärzte wüssten beispielsweise nicht, dass chirurgische Eingriffe unter allen Umständen vermieden werden müssen, weil sie massive Knochenschübe auslösen können. Dramatische Folgen hatte für sie beispielsweise eine Kiefer-Operation, nach der sie innerhalb weniger Tage ihren Mund nur noch 2 mm weit öffnen konnte. Der nächste Krankheitsschub versteifte spontan die rechte Schulter. „Und damit habe ich Glück im Unglück“, erklärt die junge Biochemikerin, die derzeit im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der FU Berlin/Charité ebenfalls an der molekularen Signalübertragung bei FOP forscht. Oft seien bei Patienten mit FOP bereits zum Ende der Pubertät alle rumpfnahen Gelenke fixiert, sodass sie sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen könnten und auf fremde Hilfe angewiesen seien. Ein überraschender Therapieansatz Auf der Suche nach Therapieoptionen, die die fortschreitende Verknöcherung des Bindegewebes gezielt hemmen könnten, untersuchten die WissenschaftlInnen im „Bone Lab“ der TU Dresden im vergangenen Jahr auch das Wechselspiel zwischen dem Eisen- und dem Knochenstoffwechsel – zwei auf den ersten Blick unverwandte Systeme. Dass sich dabei ausgerechnet Transferrinrezeptor-2 (Tfr2) – ein Eiweißmolekül, das überwiegend in der Leber gebildet wird und für den Eisentransport verantwortlich ist – als äußerst wirkungsvolles Regulativ im entgleisten Knochenstoffwechsel von FOP-Zellen entpuppte, erstaunte selbst Rauner, die sich bereits seit Jahren dem Studium von seltenen Knochenkrankheiten widmet: „Als wir gesehen haben, wie potent die Bindungsregion von Tfr2 die ungewünschten Ossifikationen, also das überschießenden Knochenwachstum, hemmte, war uns klar, dass diese Entdeckung Potenzial für die klinische Weiterentwicklung hat.“ Dass die Ergebnisse nicht nur für Patienten mit FOP, sondern darüber hinaus auch für andere Indikationen bedeutend sein könnte, erläutert Stiftungsvorstand Prof. Annette Grüters-Kieslich: „Auch bei Patienten ohne ACVR1-Mutation, beispielsweise nach der Implantation von Hüftgelenk-Endoprothesen, stellt die Verknöcherung des umliegenden Gewebes eine häufige Komplikation dar, die zu dauerhaften Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen kann. Wie so oft, lehren uns die Seltenen Erkrankungen, wie Behandlungsstrategien auch für häufige Krankheiten aussehen könnten.“ „Die Zuversicht und Tatkraft, mit der die Betroffenen nicht nur ihr herausforderndes Schicksal meistern, sondern sich aktiv dafür einsetzen, die FOP-Forschung voranzutreiben und das Wissen über diese extrem seltene Krankheit zu vermehren, beeindruckt und berührt mich sehr“, kommentiert die ehemalige First Lady und Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e. V. das Engagement der Patientenvertreterinnen. Der Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen wird am 27. Februar 2020 in Zusammenarbeit mit ACHSE e. V. zum 13. Mal vergeben.
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