Wenn (neue) Medikamente nicht mehr wirken: Besorgniserregende Ausbreitung multiresistenter Tuberkulose in Mosambik

Vorbereitung der Proben im Labor für die Genomsequenzierung. (Foto: © Britta Weller/FZB)

Eine aktuelle Studie des Forschungzentrums Borstel, Leibniz Lungnzentrum (FZB) offenbart, wie schwerwiegend die Bedrohung für die öffentliche Gesundheit durch die fortschreitende Entwicklung arzneimittelresistenter Tuberkulose in Mosambik ist.

Mit einer der höchsten Tuberkulose-Inzidenzen (368 Fälle/100.000 Einwohner) in der afrikanischen Region ist Mosambik stark von der Tuberkulose-Epidemie betroffen. Vor allem arzneimittelresistente Tuberkulosefälle stellen eine Herausforderung dar: Schätzungen zufolge traten allein im Jahr 2021 bis zu 4800 neue Fälle von multiresistenter/Rifampicin-resistenter Tuberkulose (MDR-TB, RR-TB) auf. Besonders besorgniserregend sind neue Ergebnisse, die Forschende eines internationalen Konsortiums unter der Leitung des FZB nun in der Fachzeitschrift „Lancet Infectious Diseases“ veröffentlichten: Bei den untersuchten MDR-TB-Stämmen wurde ein hoher Anteil an Fluorchinolon- und ein zunehmender Anteil Bedaquilin-Resistenz festgestellt. Darüber hinaus dokumentierten die Forschenden die Ausbreitung von MDR-TB-Stämmen, deren Rifampicin Resistenz mit den derzeit weltweit eingesetzten molekularen Testverfahren nicht nachgewiesen werden kann.

Eine wirksame Diagnostik und eine effektive Therapie von Patienten, die an einer MDR-TB erkrankt sind, sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Tuberkulosebekämpfung. In Mosambik und anderen afrikanischen Ländern hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den landesweiten Einsatz des molekularen Schnelltest „Xpert MTB/RIF Ultra“ für den MDR-TB-Nachweis empfohlen, um eine schnelle MDR-TB-Behandlung im Einklang mit den neuesten Leitlinien der WHO zu ermöglichen.

Für die Behandlung von MDR-TB-Erkrankten empfahl die WHO zudem kürzlich ein neues sechsmonatiges orales Behandlungsschema (BPaLM), bestehend aus den Antibiotika Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid plus Moxifloxacin (bei fehlender Fluorchinolon-Resistenz). Obwohl diese kürzere und besser verträgliche Therapie sehr vielversprechend ist, könnte das nun beschriebene Auftreten von Fluorchinolon- und/oder Bedaquilin-Resistenzen den langfristigen Nutzen gefährden.

In der aktuellen Studie, die von Wissenschaftlern des FZB und des Nationalen Gesundheitsinstitutes (Instituto Nacional de Saúde [INS], Mosambik) geleitet wurde, setzten die Forschenden modernste Genomsequenzierungstechnologie bei Rifampicin-resistenten (RR) Mycobacterium-tuberculosis(Mtb)-Stämmen ein, die zwischen 2015 und 2021 an das Nationale Tuberkulose-Referenzlabor in Maputo der Hauptstadt Mosambiks, übermittelt wurden, um die Übertragung und Entwicklung von arzneimittelresistenten Mtb-Stämmen im Laufe der Zeit zu untersuchen.

Es wurde festgestellt, dass mehr als 20 Prozent der MDR-Mtb-Stämme in Mosambik bereits eine Fluorchinolon-Resistenz aufweisen. Darüber hinaus nimmt die Bedaquilin-Resistenz bei den untersuchten Stämmen stetig zu: von drei Prozent im Jahr 2016 auf 14 Prozent im Jahr 2021. Die Daten belegen auch eine effiziente Übertragung von MDR-Mtb-Stämmen, besonders von Stämmen mit Fluorchinolon- und/oder Bedaquilin-Resistenzen.

„Die schnelle Resistenzentwicklung und die effiziente Übertragung hochresistenter M.-tuberculosis-Stämme stellen eine große Bedrohung für die TB-Kontrolle in Mosambik und den Nachbarregionen dar“, sagt Prof. Stefan Niemann, Studienkoordinator am FZB und leitender Wissenschaftler am Leibniz-Wissenschaftscampus EvoLUNG, dem Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin bei chronischen Entzündungen“ (PMI) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).

Ebenso besorgniserregend ist die Verbreitung von Mtb-Stämmen mit einer bestimmten Rifampicin-Resistenzmutation (I491F), die mit dem „Xpert MTB/RIF Ultra“ und anderen handelsüblichen molekularen Tests nicht nachgewiesen werden kann. Ein großer Teil dieser I491F-Stämme, auch „diagnostic escape“-Stämme genannt, weist eine weitere Resistenz gegen Bedaquilin oder sogar kombinierte Resistenzen gegen Bedaquilin und Fluorchinolone auf. Der Vergleich mit Stämmen aus Südafrika und Eswatini belegt die grenzüberschreitende Verbreitung von I491F-Stämmen – ein Befund, der dringend weiter untersucht werden muss.

„Angesichts der derzeitigen Diagnosealgorithmen und Behandlungsmethoden kann sowohl die Verbreitung von Rifampicin-Resistenten Stämmen mit I491F-Mutation als auch das vermehrte Auftreten von Bedaquilin-Resistenz die Bemühungen zur Eindämmung der arzneimittelresistenten TB-Epidemie in Mosambik gefährden“, unterstreicht Dr. Sofia Viegas, leitende Wissenschaftlerin und stellvertretende Generaldirektorin des INS.

Die Ergebnisse der Studie werfen grundlegende Fragen zur Entwicklung und Einführung neuer Wirkstoffe und Behandlungsschemata auf. Ohne eine wirksame Diagnostik, eine direkte Umsetzung der Ergebnisse in klinische Entscheidungen und an die Resistenz angepasste Medikamentenregime besteht ein hohes Risiko einer raschen Resistenzentwicklung. Dadurch können auch neu entwickelte Medikamente innerhalb kurzer Zeit unwirksam werden.

Die Studie stellt auch die Rolle molekularer Schnelltests wie der „Xpert MTB/RIF Ultra“ in Regionen infrage, in denen die Prävalenz von „diagnostic escape“-Stämmen hoch ist. Die unkontrollierte Übertragung von MDR-MTB-Stämmen in Mosambik und anderen Teilen Afrikas stellt eine enorme Herausforderung für die Tuberkulosebekämpfung im 21. Jahrhundert dar. Das unterstreicht die Bedeutung einer wirksamen Diagnose und Tuberkuloseüberwachung auf der Grundlage umfassender molekularbiologischer Methoden wie der Sequenzierungstechnologien.

„Diese Themen stehen im Fokus unserer Forschung, die wir in nationalen und internationalen Projekten bearbeiten. Dabei ist die Umsetzung der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Anwendung von besonderer Bedeutung,“ erklärt Niemann.