Wenn Schlanksein einmal kein Vorteil ist: Zusätzliche Pfunde schützen vor Glaukom

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Wer zu viele Pfunde mit sich herumträgt, für den halten Nachrichten aus der Forschung selten Gutes bereit. Eine Ausnahme scheint hier das Glaukom zu sein.

Zwei Studien zeigen, dass ein leicht erhöhter Body-Mass-Index (BMI) offenbar mit einem geringeren Risiko verbunden ist, an einem Glaukom zu erkranken. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG) nimmt dies zum Anlass, über das Glaukom und bekannte Risikofaktoren aufzuklären.

Das Glaukom ist häufig. Allein in Deutschland sind mehr als 900.000 Menschen betroffen. Unbehandelt droht ein fortschreitender und irreversibler Verlust des Sehvermögens, der bis zur vollständigen Erblindung führen kann. „Das Tückische am Glaukom ist, dass es zunächst symptomlos verläuft und daher lange Zeit unbemerkt bleiben kann“, erklärt Prof. Alexander Schuster von der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde an der Universitätsmedizin Mainz. „Es ist nicht mit Schmerzen verbunden, und viele Betroffene merken zunächst auch nicht, dass ihr Gesichtsfeld kleiner wird.“ Meist werden die Veränderungen erst bei einer augenärztlichen Früherkennungsuntersuchung festgestellt.

Diese sollte daher unbedingt in regelmäßigen Abständen wahrgenommen werden. Weil das Glaukomrisiko mit zunehmendem Alter ansteigt, wird ein Screening spätestens ab dem 40. Lebensjahr empfohlen. „Bei Menschen mit Risikofaktoren sollten die Untersuchungen sogar noch früher beginnen“, betont der DOG-Experte, der in Mainz auch eine Professur für ophthalmologische Versorgungsforschung innehat. Dazu zählen etwa Personen, bei deren Eltern oder Geschwister schon Glaukom-Erkrankungen aufgetreten sind, stark kurzsichtige Menschen mit mehr als vier Dioptrien oder Personen mit dunkler Hautfarbe. Der wichtigste Risikofaktor ist jedoch ein zu hoher Augeninnendruck. „Nach den bekannten Risikofaktoren richtet sich auch der Abstand, in dem die augenärztlichen Untersuchungen wiederholt werden sollten – er kann zwischen einem und fünf Jahren liegen“, so Schuster.

Die australische und die US-amerikanische Studie deuten nun übereinstimmend darauf hin, dass auch besonders schlanke Menschen häufiger von einem Glaukom betroffen sind. Beide Studien befassten sich mit der häufigsten Glaukomform, dem primären Offenwinkelglaukom. Dieses wurde umso häufiger diagnostiziert, je niedriger der Body-Mass-Index der Teilnehmer lag. Auch das Voranschreiten des Sehfeldverlustes ging bei untergewichtigen Personen schneller vonstatten als bei Menschen mit Normal- oder geringem Übergewicht. „Zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und dem Glaukomrisiko gab es bisher widersprüchliche Studienergebnisse“, erörtert Schuster. In die erst kürzlich aktualisierte Leitlinie zur Bewertung von Risikofaktoren für das Offenwinkelglaukom wurde das Körpergewicht daher nicht mit einer konkreten Empfehlung aufgenommen. „Die aktuellen Studien verschieben die Bilanz in Richtung einer möglichen Schutzwirkung, die von normalen bis gering erhöhten BMI-Werten ausgehen könnte“, so der Mainzer Ophthalmologe. Die Forschung vermutet, dass Untergewicht insgesamt anfälliger für Krankheiten macht.

Ob der Gewichtseffekt in der Screening-Entscheidung auf Glaukom berücksichtigt werden sollte, bleibt abzuwarten. „Sicherlich ist das Körpergewicht nicht der ausschlaggebende Risikofaktor für oder gegen eine Vorsorgeuntersuchung“, betont Schuster. Der DOG-Experte plädiert dafür, im Zweifel eher einmal zu viel oder zu früh zu untersuchen als zu spät: „Sehnervenfasern, die einmal zugrunde gegangen sind, sind unwiederbringlich verloren. Wird das Glaukom jedoch rechtzeitig erkannt, lässt sich der Gesichtsfeldverlust meist mit Augentropfen oder Laserverfahren einfach und sicher aufhalten.“