Wie Darmbakterien das Herzinfarktrisiko beeinflussen10. Dezember 2018 Darmbakterien können das Herzinfarktrisiko beeinflussen. (Foto: © Dan Race/Fotolia) Wissenschaftler von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung/Berlin Institute of Health (BIH) haben gemeinsam mit Kollegen von der Cleveland Clinic in Ohio in den USA gezeigt, dass bestimmte bakterielle Stoffwechselprodukte aus dem Darm das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zu erleiden. Dies galt insbesondere für Patienten, die bereits einen Schlaganfall erlitten hatten. Die nun veröffentlichten Erkenntnisse könnten dazu beitragen, eine völlig neue Art der Prävention zu entwickeln. Allein in Berlin erleiden jedes Jahr 10.000 Menschen einen Herzinfarkt, in ganz Deutschland sind es rund 280.000, etwa 50.000 von ihnen sterben an den Folgen. Zu den bekannten Ursachen gehören Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte im Blut, Rauchen, Übergewicht, mangelnde Bewegung oder eine Häufung von Herzinfarkten in der Familie. Besonders gefährdet sind auch Patienten, die bereits ein “kardiovaskuläres Ereignis” erlitten haben, also einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. BIH-Professor Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie am Campus Benjamin Franklin der Charité und ärztlicher Leiter des CharitéCentrum für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hat mit Kollegen vom Department of Cardiovascular Medicine der Cleveland Clinic in Ohio in den USA sowie Prof. Matthias Endres und Kollegen der Klinik für Neurologie der Charité und von der Medizinischen Hochschule Hannover in zwei Studien mit insgesamt über 600 Patienten, die kürzlich einen Schlaganfall erlitten hatten, einen bisher weniger bekannten Risikofaktor untersucht: Das Darmmikrobiom. Dabei hatten sie insbesondere die Konzentration eines Stoffwechselprodukts der Bakterien, das Trimethylaminoxid, gemessen und mit dem Risiko verglichen, einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zu erleiden. “Wir haben herausgefunden, dass Patienten mit einer hohen Trimethylaminoxid-Konzentration im Blut ein doppelt bis fünffach so hohes Risiko für einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall hatten wie Patienten mit einer niedrigen Konzentration des Metaboliten”, sagt Landmesser. Das Trimethylaminoxid regt offenbar die Zellen auf der Innenschicht der Blutgefäße, die Endothelzellen, dazu an, Faktoren zu bilden, die die Blutgerinnung und Gefäß-Entzündung begünstigen. Das wiederum lockt entzündungsfördernde Blutzellen an, Monozyten, die ihrerseits in den Blutgefäßwänden die Atherosklerose und Thrombose fördern. Eine ganz und gar nicht neue Idee, berichtet Landmesser: “Die Idee, dass Entzündungen mit Arteriosklerose verbunden ist, geht auf Rudolf Virchow zurück, der das schon vor 160 Jahren hier in Berlin beschrieben hat.” Die Erkenntnis, dass Mikrobiom und Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zusammenhängen, bietet allerdings auch ganz neue Möglichkeiten, Herzinfarkt und Schlaganfall vorzubeugen. Die Berliner Mediziner*innen haben dazu mit ihren Kolleg*innen aus Cleveland ein internationales transatlantisches Forschungsnetzwerk of Excellence gegründet, um nach Substanzen zu suchen, die die Bildung der schädlichen Metaboliten in den Bakterien hemmen können. “Herkömmliche Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, verringern zwar das Herzinfarktrisiko, erhöhen aber gleichzeitig auch das Blutungsrisiko”, erklärt Landmesser. “Das Interessante an diesem neuen Ansatz ist, dass man durch die Beeinflussung der Bakterien das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko senken könnte, ohne dass man gleichzeitig das Blutungsrisiko erhöht. Also möglicherweise eine besonders elegante Methode, das Ziel zu erreichen.” Landmesser plant, die gewonnenen Erkenntnisse bereits in den nächsten drei Jahren in einer klinischen Studie an Patient*innen zu testen. Doch damit nicht genug: “Wir haben noch weitere interessante Metaboliten im Mikrobiom gefunden, die etwa den Cholesterinstoffwechsel positiv beeinflussen. Man könnte einen solchen Bakterien-Metabolit oral verabreichen, als Nahrungszusatzstoff, und so das Herzinfarktrisiko senken.” Von daher wäre es völlig falsch, die Mitbewohner im Darm allesamt zu verteufeln, sagt Landmesser. “Wir haben mehr Bakterien in uns, als wir Körperzellen haben. Und diese Bakterien tun eben auch viele Dinge, die gut für uns sind. Und die wollen wir natürlich auch erforschen und möglicherweise in präventiven Ansätzen nutzen.”
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