Wie das Gehirn die Cochlea steuert14. März 2025 Foto: BRH/stock.adobe.com US-amerikanische Forscher konnten im Mausmodell zeigen, dass Nervenfasern im Innenohr der Tiere die Aktivität der Cochlea regulieren, um Hörverlust zu kompensieren. Die Ergebnisse könnten zur Behandlung von Hyperakusis oder Tinnitus beitragen. Indem das Gehirn ein Signal an die Cochlea sendet, könnte es eine Rolle dabei spielen, wie das Ohr seine Geräuschempfindlichkeit reguliert, um Hörverlust zu kompensieren. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, die kürzlich im „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht wurde. Grundlage der Ergebnisse sind Bilder der Cochlea bei wachen Mäusen. Möglich wurde dies durch ein neues Bildgebungsverfahren. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent der Cochlea-Nerven efferente Nervenfasern sind, die Informationen vom Gehirn zur Cochlea leiten. Die genaue Rolle dieser Nervenfasern war bisher nicht bekannt, da die Messung der Aktivität bei Menschen oder Tieren im Wachzustand schwierig war. Echtzeitbilder der Cochlea bei wachen Mäusen Nun haben Forschende der Keck School of Medicine der USC in Zusammenarbeit mit dem Baylor College of Medicine in Houston, Texas, die optische Kohärenztomographie (OCT) so angepasst, dass sich die Aktivität im Innenohr untersuchen lässt. Die OCT nutzt Lichtwellen, um Gewebe zu scannen und ein 3-D-Bild zu erstellen, ähnlich wie Ultraschall Bilder aus Schallwellen erzeugt. Mit diesem Ansatz konnten das Team Echtzeitbilder der Cochlea „in Aktion“ aufnehmen. „OCT ermöglicht es uns, durch den Gehörgang, das Trommelfell und den Knochen in die Cochlea zu blicken und zu messen, wie sie funktioniert – nichtinvasiv und ohne Schmerzen“, betonte Prof. John Oghalai, Lehrstuhlinhaber für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Kopf-und Hals-Chirurgie an der Keck School of Medicine. „Das Spannende daran ist, dass wir damit in Echtzeit untersuchen können, wie das Gehirn die Cochlea steuert,“ führte er weiter aus. Mit Hilfe dieses Instruments fanden Oghalai und sein Team heraus, dass sich die Aktivität der Cochlea bei gesunden Mäusen kurzfristig nicht verändert. Bei Mäusen mit genetisch bedingtem Hörverlust nahm die Cochlea-Funktion jedoch zu, was darauf hindeutet, dass das Gehirn die Empfindlichkeit der Cochlea als Reaktion auf den langfristigen Hörverlust verbesserte. Messung der Cochlea-Funktion Einer führende Theorie zufolge steuern die efferenten Nervenfasern die Reaktion der Cochlea auf Schall kurzfristig, ähnlich wie Pupillen funktionieren. Oghalais Team stellte sich die Frage: Könnte die Cochlea auf ähnliche Weise funktionieren? Um zu untersuchen, ob die Cochlea auf kurzfristige Reize reagiert, maßen die Forscher die Aktivität der Cochlea bei Mäusen mittels OCT. Gleichzeitig verfolgten sie die wechselnden Gehirnzustände der Mäuse, indem sie die Veränderungen der Pupillengröße maßen. Während sich die Hirnzustände änderten, blieb die Cochlea-Aktivität gleich. Das deutet den Forschenden zufolge darauf hin, dass das Innenohr das Hören nicht kurzfristig moduliert. Als Nächstes veränderten die Forscher Mäuse genetisch so, dass die afferenten Nervenfasern, ausgeschaltet wurden, was zu Hörverlust führte. Mithilfe der OCT fanden sie heraus, dass die Cochlea dies durch verstärkte Aktivität kompensierte. „Wenn wir Menschen altern und unsere Haarzellen absterben, verlieren wir unser Gehör. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn Signale an die verbleibenden Haarzellen senden kann, die ihnen im Wesentlichen sagen, dass sie die Lautstärke erhöhen sollen“, so Oghalai, der auch Professor für biomedizinische Technik an der USC Viterbi School of Engineering ist. Der nächste Schritt sei eine klinische Studie zur Erprobung von Medikamenten, die efferente Fasern blockieren, was die Lautstärke bei Patienten mit Hyperakusis verringern und auch bei Tinnitus helfen könnte. Bessere Diagnose Mit OCT könnten sich auch Diagnose und Behandlung von Hörstörungen verbessern lassen. Nachdem das Team von Oghalai OCT für die Bildgebung der Cochlea bei wachen Mäusen angepasst hat, testet es nun in einer neuen NIH-finanzierten Studie eine Version des Instruments für Patienten. Die Technologie könnte es den Ärzten ermöglichen, Hörprobleme auf der Grundlage der Physiologie und nicht nur anhand der Ergebnisse einer Hörprüfung zu diagnostizieren und Behandlungen auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen, so Oghalais Einschätzung.
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