Wie die Tiefe Hirnstimulation das Denken und Erinnern beeinflusst

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein Spezialgebiet von Prof. Martin Reich, leitender Oberarzt in der Würzburger Neurologie. (Quelle: © Martin Reich / visualDBSlab)

Forschende des Universitätsklinikums Würzburg haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus den USA die Effekte der Tiefen Hirnstimulation bei Parkinson-Krankheit und Alzheimer-Demenz auf die Kognition untersucht. Ihre Ergebnisse tragen dazu bei, die Tiefe Hirnstimulation sicherer und gezielter einzusetzen.

Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist im Bereich der Tiefen Hirnstimulation (THS) in mehrere Forschungskooperationen eingebunden. Unter der Leitung von Prof. Jens Volkmann untersuchen beispielsweise Forschende der Neurologischen Klinik am Universiätsklinikum Würzburg die Mechanismen und Funktionen dynamischer neuronaler Netzwerke, um diese durch Hirnstimulation gezielt beeinflussen zu können. Dabeiu arbeiten sie unter anderem auch mit der Harvard Medical School und dem Center for Brain Circuit Therapeutics am Brigham and Women’s Hospital in Boston, USA, zusammnen.

Im Journal “Alzheimer’s & Dementia” haben die Wissenschaftler aus Boston nun Studienergebnisse veröffentlicht, an denen das UKW maßgeblich beteiligt war. In der vorgestellten Studie wurde die THS nicht nur bei Parkinson-, sondern erstmals auch bei Alzheimer-Patienten untersucht, um zu ermitteln, welchen Einfluss sie auf das Denken und Erinnern hat. „Die THS lindert bei Parkinson motorische Symptome. Doch bei manchen Patienten kommt es nach der Behandlung zu kognitiven Problemen, etwa Gedächtnis- oder Konzentrationsschwierigkeiten. In Studien mit Alzheimer-Patienten wurde hingegen beobachtet, dass eine mit dem Hippocampus verbundene THS die kognitive Funktion zu verbessern scheint“, berichtet Prof. Martin Reich, leitender Oberarzt in der Würzburger Neurologie. Dieses Paradoxon galt es zu klären.

Wo wirkt die Stimulation im Gehirn und welche Verbindungen bergen Risiko?

Reich forschte ab 2018 als Postdoc im Labor von Prof. Michael Fox in Boston und untersuchte, wie bei Parkinson-Erkrankten Elektroden platziert werden sollten, um positive Effekte zur Reduzierung von Parkinsonsymptomen zu erreichen und negative Effekte zu verhindern. Seine im April 2022 in der Fachzeitschrift „Brain“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass Gedächtnis- oder Denkprobleme nicht zufällig auftreten, sondern davon abhängen, welche Netzwerke im Gehirn durch Stimulation erreicht werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse konnten die Forschenden eine „Risikokarte“ erstellen, die voraussagt, wann kognitive Probleme wahrscheinlich auftreten. Gleichzeitig zeigte die Studie, dass sich negative Effekte durch eine Umprogrammierung der Stimulationsparameter wieder rückgängig machen lassen. Das bedeutet, dass THS nicht nur lokal, sondern über ganze Gehirnnetzwerke wirkt und ein gezieltes, evidenzbasiertes Anpassen der Therapie die kognitive Funktion schützen kann.

Erweiterung auf Alzheimer-Erkrankung und individuelle Patientenfaktoren

Nachdem die Forschenden gezeigt hatten, in welchen Bereichen des Gehirns das Risiko für kognitive Nebenwirkungen liegt, gingen sie in der Folgestudie einen Schritt weiter und fragten, bei wem dieses Risiko besonders hoch ist – abhängig vom Alter und von strukturellen Veränderungen im Hippocampus, der für das Erinnerungsvermögen essenziell ist. Zusätzlich erweiterten sie das Modell auf die Alzheimer-Erkrankung.

„Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass sowohl bei Parkinson als auch bei Alzheimer das Alter und insbesondere der funktionelle Zustand des Gedächtniszentrums im Gehirn entscheidende Rollen spielen“, erläutert Reich. Das heißt, der Effekt hängt von zwei entscheidenden Faktoren ab: dem Ausmaß der Schädigung des Hippocampus und wie stark die Elektrode mit diesem Hirnbereich verbunden ist.

Kognitive Wirkung hängt vom Zustand des verbundenen Hippocampus ab

Wenn der Hippocampus bereits geschädigt ist, neigen Stimulationsstellen, die stärker mit ihm verbunden sind, dazu, die kognitive Funktion zu verbessern. Erscheint der Hippocampus hingegen gesund, neigen diese Stellen dazu, die kognitive Funktion zu beeinträchtigen. „Ob die kognitiven Auswirkungen der THS positiv oder negativ sind, hängt also davon ab, ob die Stelle der elektrischen Stimulation mit einem gesunden oder einem atrophischen Hippocampus verbunden ist. Da jeder Patient mehrere potenzielle Stimulationsstellen an seinen THS-Elektroden hat, könnte es möglich sein, den Ort der Stimulation zu verändern, um die kognitiven Ergebnisse zu verbessern“, resümieren Erstautor Calvin William Howard und Letztautor Michael Fox.