Wie Gehirn und Schädel gemeinsam entstanden sind6. Juni 2025 3D-Konfokalmikroskopie zeigt die Expression von Mn1 (magenta) in einem Maus-Embryo am zehnten Embryonaltag mittels HCR-in-situ-Hybridisierung. (Quelle: © Elio Escamilla) Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie zeigt, wie das Gen MN1 bereits während der Embryonalentwicklung sowohl die Bildung des Gehirns als auch die des Schädels steuert – ein Fund mit großer Bedeutung für unser Verständnis von Evolution, Entwicklung und auch von Geburtsfehlern. Gehirn und Schädel bilden ein eingespieltes biologisches Duo – sie wachsen während der frühen Entwicklung im Gleichklang. Diese enge Zusammenarbeit ist kein Zufall: Über Millionen von Jahren haben sich beide Strukturen wechselseitig beeinflusst, um Schutz, Funktionalität und Überleben zu sichern. Dass es eine Verbindung gibt, ist seit Langem bekannt – doch welche genetischen Anweisungen dieses Zusammenspiel steuern und wie es entstanden ist, blieb bisher ein Rätsel. Nun hat ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie (Unabhängige Forschungsgruppe Evolutionary Developmental Dynamics unter der Leitung von Dr. Markéta Kaucká) herausgefunden: Das Gen MN1, das ursprünglich mit Hirntumoren und Leukämie in Verbindung gebracht wurde, entstand bereits vor Hunderten Millionen Jahren bei einfachen, wirbellosen Tieren. Mit dem Auftreten der Wirbeltiere – also Lebewesen mit komplexem Gehirn und Schädel – veränderte sich dieses Gen strukturell und wurde zu einem Schlüsselspieler der Entwicklung. Ein Gen aus der Frühzeit der Tierentwicklung Die Forschenden konnten MN1 bis zu primitiven wirbellosen Tieren zurückverfolgen. Dort war das Gen noch anders aufgebaut, aber ein zentraler Abschnitt blieb über die Evolution hinweg erhalten. In kiefertragenden Wirbeltieren kam ein neues kleines Exon hinzu, das eine wichtige Funktion für die Gehirnentwicklung und Schädelbildung übernahm. MN1 hilft, das embryonale Gehirn zu strukturieren – und beeinflusst gleichzeitig, wie sich die Schädelknochen bilden. Fehlt dieses Gen, entstehen Fehlbildungen: Die Gliederung des Gehirns ist gestört, Hirnnerven entwickeln sich falsch und die Knochen im Schädel wachsen deformiert – ähnlich wie bei menschlichen Krankheitsbildern wie Gaumenspalte, Schädelverformungen oder Entwicklungsstörungen des Nervensystems. Auffällig: Diese Probleme ähneln den bekannten Folgen eines gestörten Retinsäure-Stoffwechsels – einem zentralen Entwicklungsfaktor im Embryo. Das Team zeigte, dass MN1 die Retinsäurekonzentration reguliert und auch die Aktivität der Hox-Gene steuert – Gene, die den „Bauplan“ des Körpers von Kopf bis Schwanzachse mitbestimmen. Damit verknüpft MN1 uralte Signalwege mit der modernen Schädel-Gehirn-Entwicklung. Diese Entdeckung erklärt den Forschenden zufolge nicht nur, wie Wirbeltiere ihre zwei zentralen Merkmale – Gehirn und Schädel – evolutionär entwickelten. Sie zeigt auch, wie sich neue Gene in vorhandene biologische Systeme integrieren und dadurch Innovation und evolutionäre Sprünge möglich machen. Zugleich hat die Forschung unmittelbare medizinische Relevanz: Manche Leukämie-Patienten sprechen nicht auf eine Retinsäure-Therapie an. Jetzt weiß man: Wenn MN1 im Körper sehr aktiv ist, baut es das Medikament zu schnell ab – es kann nicht mehr wirken. Auch bei seltenen neuroentwicklungsbedingten und kraniofazialen Syndromen wurden Mutationen oder Verkürzungen des MN1-Gens festgestellt.
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