Wie hängen Selbstkontrolle und Internetsucht zusammen?

Forschende wollen herausfinden, welche Prozesse zur Entwicklung einer Internetsucht beitragen. (Foto: © Kevin Carden – stock.adobe.com)

Personen mit suchtartiger Internetnutzung brauchen im Durchschnitt länger, um störende Reize auszublenden, und treffen häufiger riskante und impulsive Entscheidungen als Personen ohne Suchtsymptomatik. Das sind die ersten Erkenntnisse einer Forschungsgruppe an der Universität Duisburg-Essen, die herausfinden möchte, was im Kopf von Personen passiert, die suchtartig das Internet nutzen.

Seit 2020 untersucht Prof. Matthias Brand von der Universität Duisburg-Essen mit seinem Team die zugrundeliegenden psychologischen und neurobiologischen Prozesse.

„Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Denk- und Verhaltensmuster – vor allem solche, die mit Selbstkontrolle zu tun haben – eine wichtige Rolle dabei spielen, ob jemand eine Internetsucht entwickelt und warum sie bestehen bleibt“, so die Erstautorin der Studie Dr. Silke M. Müller.

Auch mache die Gruppe mit pathologischer Nutzung im Durchschnitt mehr Fehler bei Aufgaben, in denen auf internetbezogene Bildreize reagiert beziehungsweise nicht reagiert werden sollte. Dies bewege sich zwar im Normbereich, aber es zeige sich ein signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe – auch dann noch, wenn man Effekte wie Alter, Intelligenz und psychopathologische Symptome wie Depressivität berücksichtigt.

„Wir nehmen an, dass sich das Ganze wie eine Kettenreaktion entwickelt: Wer von Anfang an Schwierigkeiten mit Selbstkontrolle hat, hat möglicherweise ein höheres Risiko, das Internet suchtartig zu nutzen. Gleichzeitig kann die Sucht dazu beitragen, dass die Selbstkontrolle im Laufe der Zeit weiter abnimmt“, ergänzt Brand, der Sprecher der Forschungsgruppe.

Mehr als 1000 Probanden – und weitere werden gesucht

Für die Studie wurden zwischen 2021 und 2024 insgesamt mehr als 1000 Freiwillige umfangreich mit denselben Instrumenten an verschiedenen Standorten in Deutschland untersucht. So mussten die Probanden unter anderem verschiedene kognitionspsychologische Aufgaben bewältigen und Fragebögen beantworten. Das Forschungsteam teilte sie anhand eines standardisierten Interviews, das die Suchtkriterien erfasst, aufgrund ihrer Symptomausprägung in pathologisch/suchtartig, riskant oder unproblematisch ein.

Eine Besonderheit in diesem Umfang: „Solch eine Studie ist in ihrer Art und Größenordnung weltweit einzigartig“, stellt Brand heraus. „Bislang haben wir einen wahren Datenschatz hervorgebracht, aus dem wir bedeutende Erkenntnisse über die Mechanismen und Prozesse ziehen können, die bei suchtartigem Verhalten eine Rolle spielen“, betont Brand.

Das Team sucht weiterhin Freiwillige. Interessierte können sich in ein Formular eintragen unter www.uni-due.de/for2974/rekrutierung oder sich alternativ per E-Mail melden: [email protected].