Wie Krebs andere Zellen für sich arbeiten lässt29. August 2025 So übertragen Krebszellen ihre Mitochondrien (grün) auf Bindegewebszellen (Fibroblasten). Bildquelle: Michael Cangkrama. Copyright: ©ETH Zürich, BioRender Krebszellen rüsten gesunde Nachbarzellen mit zusätzlichen Zellkraftwerken aus, um sie für sich arbeiten zu lassen. Dies zeigen Forschende der ETH Zürich in einer neuen Studie. Der Krebs nutzt damit einen Mechanismus aus, der häufig der Reparatur beschädigter Zellen dient. Tumore haben viele Strategien und Tricks entwickelt, um sich im Körper Vorteile zu verschaffen. Forschende der ETH Zürich um die Zellbiologie-Professorin Sabine Werner haben nun einen weiteren, überraschenden Trick entdeckt, mit dem sich gewisse Tumore ihr Überleben und Wachstum sichern.In einer neuen Studie in der Fachzeitschrift „Nature Cancer“ zeigen die Biologen auf, dass Hautkrebszellen ihre Mitochondrien in gesunde Fibroblasten in ihrer nächsten Umgebung transferieren können. Für den Transport der Mitochondrien nutzen die Krebszellen winzige Röhrchen aus Zellmembranmaterial. Diese verbinden die beiden Zellen wie eine Rohrpostleitung. Funktionelle Umprogrammierung Durch den Mitochondrientransfer werden die Fibroblasten funktionell umprogrammiert zu tumorassoziierten Fibroblasten, die hauptsächlich den Krebszellen zuarbeiten: So vermehren sich die tumorassoziierten Fibroblasten meist schneller als normale Fibroblasten, und sie stellen mehr ATP her. Zudem sondern sie höhere Mengen an Wachstumsfaktoren und Zytokinen ab. Das alles kommt den Tumorzellen zugute: Auch sie vermehren sich schneller; der Tumor wird dadurch aggressiver.Nicht zuletzt richten die gekaperten Fibroblasten auch die extrazelluläre Matrix durch die gesteigerte Produktion bestimmter Matrixbestandteile so her, dass sich Krebszellen wohl fühlen. Die extrazelluläre Matrix ist für die mechanische Stabilität von Geweben wichtig und beeinflusst Wachstum, Wundheilung sowie die Kommunikation zwischen Zellen. Eigentlich handle es sich um einen Zufallsbefund, erklärt Prof. Sabine Werner. Ihr früherer Postdoktorand Dr. Michael Cangkrama entdeckte in der Petrischale in einer Kultur von Fibroblasten und Hautkrebszellen winzige röhrenartige Verbindungen zwischen den beiden Zelltypen. Anschließend konnte er zeigen, dass in diesen Nanoverbindungen Mitochondrien von Krebszellen in Fibroblasten transportiert werden. Reparaturmechanismus auf Abwegen Dass Zellen über solche Verbindungen Mitochondrien austauschen können, ist an sich nichts Neues. Beispielsweise entdeckten Wissenschaftler schon vor einigen Jahren, dass nach einem Schlaganfall gesunde Zellen im Nervengewebe ihre Kraftwerksorganellen an beschädigte Nervenzellen weitergeben, um deren Überleben zu sichern. „Die Krebszellen nutzen eigentlich einen bei Verletzungen vorteilhaften Mechanismus für ihre Zwecke aus. Damit können sie zu einem bösartigen Tumor auswachsen“, erklärt Werner. Andere Arbeitsgruppen haben gezeigt, dass Zellen aus der Tumorumgebung ihre Mitochondrien an Krebszellen weitergeben können, was deren Fitness erhöht. Dass der Mitochondrien-Transfer auch umgekehrt läuft, von einer Hautkrebszelle in eine gesunde Bindegewebszelle, war bislang unbekannt.In Zusammenarbeit mit weiteren Forschungsgruppen an der ETH Zürich fanden die Forschenden Hinweise darauf, dass dieser Transfer auch bei anderen Krebsarten eine Rolle spielt, etwa bei Brustkrebs und bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Besonders bei letzterem ist das wichtig, weil in Bauchspeicheldrüsentumoren viele Fibroblasten vorhanden sind und das Bindegewebe relativ groß ist. Das Protein MIRO2 hilft beim Transfer Schließlich haben die Forscher auch den molekularen Mechanismus des Mitochondrien-Transfers geklärt. Einige Proteine waren schon bekannt dafür, dass sie Mitochondrien transportieren helfen. Die Forschenden haben geprüft, welche davon in Mitochondrien übertragenden Krebszellen in größerer Zahl vorliegen. Dabei stießen sie auf das Protein MIRO2. „Dieses Protein wird in jenen Krebszellen, die ihre Mitochondrien übertragen, sehr stark produziert“, führt Werner aus.Die Forschenden haben MIRO2 nicht nur in Zellkulturen aufgespürt, sondern auch in Proben von menschlichem Gewebe, besonders in Krebszellen an den Rändern des Tumors, die invasiv ins Gewebe einwachsen und in nächster Nachbarschaft zu Fibroblasten vorkommen. „Wir konnten MIRO2 also genau da nachweisen, wo wir es vermutet haben“, sagt Erstautor Cangkrama. Hemmstoff gesucht Die neuen Erkenntnisse bieten Ansatzpunkte, um das Wachstum von Tumoren aufzuhalten. Blockierten die Forscher die Bildung von MIRO2, funktionierte auch der Mitochondrien-Transfer nicht mehr, und die Fibroblasten entwickelten sich nicht in tumorfördernde Fibroblasten weiter.„Im Reagenzglas und im Mausmodell funktionierte die MIRO2-Blockade. Ob es im menschlichen Gewebe auch klappt, ist noch unerforscht“, so Werner. Dazu müssen die Forschenden erst ein Hemmmolekül für MIRO2 finden, das im menschlichen Körper wenig Nebenwirkungen hat. „Gelingt das, könnte ein solcher Hemmstoff längerfristig in die Klinik überführt werden.“ Bis eine Therapie entwickelt und getestet ist, dürften indes Jahre vergehen.
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