Wie Krebszellen das Immunsystem durch Veränderung der Mitochondrien austricksen

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Forscher aus Japan entdecken den Mitochondrien-Transfer von Krebs- zu Immunzellen und die metabolische Neuprogrammierung der Tumormikroumgebung als Schlüsselstrategie zur Immunflucht. Ihre Arbeit ist in „Nature“ erschienen.

Viele Krebsarten können der Immunüberwachung durch verschiedene Mechanismen entgehen, was zu einer Resistenz gegen die Behandlung führt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die molekularen Prozesse, die eine Immunflucht ermöglichen, besser zu verstehen.

Das Tumormikroumfeld (TME) spielt bei der Interaktion zwischen Krebs- und Immunzellen eine entscheidende Rolle. Krebszellen können die TME zu ihrem Vorteil umgestalten und tumorinfiltrierende Lymphozyten (TILs) schwächen. Mitochondrien spielen eine bedeutende Rolle bei der metabolischen Umprogrammierung von Krebszellen und TILs. Die genauen Mechanismen, die der mitochondrialen Dysfunktion und ihren Auswirkungen auf die TME zugrunde liegen, waren bislang jedoch noch nicht gut verstanden.

Um diese Wissenslücke zu schließen, hat ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Yosuke Togashi von der Universität Okayama, Japan, neue Erkenntnisse über die mitochondriale Dysfunktion bei der Immunflucht von Krebs gewonnen. In Zusammenarbeit mit Tatsuya Nishi und Dr. Tomofumi Watanabe von der Universität Okayama sowie Hideki Ikeda, Katsushige Kawase und Masahito Kawazu vom Chiba Cancer Center Research Institute identifizierte das Team den Mitochondrien-Transfer als Schlüsselmechanismus der Immunflucht. Diese Studie wurde am 22. Januar 2025 online in Nature veröffentlicht.

„Wir haben den Mitochondrien-Transfer als einen der Schlüsselmechanismen der Immunflucht entdeckt”, erklärt Togashi. „Unsere Forschung fügt dem Verständnis, wie Tumore Immunreaktionen widerstehen, eine neue Dimension hinzu und führt möglicherweise zur Entwicklung umfassenderer und maßgeschneiderter Ansätze zur Behandlung verschiedener Krebsarten.“

Tumorinfiltrierende Lymphozyten mit den gleichen mtDNA-Mutationen wie Krebszellen

Mitochondrien tragen ihre eigene DNA (mtDNA), die Proteine kodiert, welche für die Energieproduktion und -übertragung entscheidend sind. mtDNA ist jedoch anfällig für Schäden. Mutationen in der mtDNA können Tumorwachstum und Metastasierung fördern. In dieser Studie untersuchten die Forscher TILs von Krebspatienten und stellten fest, dass sie die gleichen mtDNA-Mutationen enthielten wie die Krebszellen. Weitere Analysen ergaben, dass diese Mutationen mit abnormalen mitochondrialen Strukturen und Funktionsstörungen in TILs in Zusammenhang standen.

Mithilfe eines fluoreszierenden Markers verfolgten die Forscher die Bewegung der Mitochondrien zwischen Krebs- und T-Zellen. Sie fanden heraus, dass Mitochondrien über direkte Zell-zu-Zell-Verbindungen, sogenannte Tunnel-Nanoröhren, sowie durch extrazelluläre Vesikel übertragen wurden. In den T-Zellen ersetzten die aus Krebs stammenden Mitochondrien nach und nach die ursprünglichen T-Zell-Mitochondrien, was zu einem Zustand namens „Homoplasmie“ führte, in dem alle mtDNA-Kopien in der Zelle identisch sind.

Übertragung Mitophagie-hemmender Faktoren entdeckt

Normalerweise werden beschädigte Mitochondrien in TILs durch die Mitophagie entfernt. Aus Krebszellen übertragene Mitochondrien schienen diesem Abbau jedoch zu widerstehen. Die Forscher entdeckten, dass Mitophagie-hemmende Faktoren zusammen mit den Mitochondrien übertragen wurden und so deren Abbau verhinderten. Infolgedessen erlitten die TILs eine mitochondriale Dysfunktion, was zu einer verringerten Zellteilung, Stoffwechselveränderungen, erhöhtem oxidativem Stress und einer beeinträchtigten Immunantwort führte. In Mausmodellen zeigten diese dysfunktionalen TILs auch eine Resistenz gegen Immuncheckpoint-Inhibitoren.

Indem diese Studie den Mitochondrien-Transfer als neuartigen Mechanismus der Immunflucht identifizierte, eröffnet sie neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Krebsbehandlung. Die Blockierung des Mitochondrien-Transfers könnte das Ansprechen auf die Immuntherapie verbessern, insbesondere bei Patienten mit behandlungsresistenten Krebsarten.

Krebstherapien sind oft mit hohen Kosten und erheblichen Nebenwirkungen verbunden, insbesondere wenn sie unwirksam sind. Die Verbesserung des Erfolgs der Immuntherapie durch die Hemmung des Mitochondrien-Transfers könnte die Krebslast verringern und die Outcomes verbessern.

Togashi kommt zu folgendem Schluss: „Bestehende Krebsbehandlungen sind nicht universell wirksam, und es besteht ein dringender Bedarf an neuen Therapien, die Resistenzmechanismen überwinden können. Die Entwicklung von Medikamenten, die den Mitochondrien-Transfer zwischen Krebszellen und Immunzellen hemmen, kann die Wirksamkeit von Immuntherapien verbessern und so personalisierte Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Krebserkrankungen bieten, die gegen aktuelle Therapien resistent sind.“

Diese Entdeckung bietet spannende neue Einblicke in die Krebsbiologie und könnte den Weg für wirksamere Therapien in der Zukunft ebnen.