Wie lässt sich die Sturzgefahr im Alter minimieren?26. August 2025 Bild: buritora – stock.adobe.com Ein deutsch-niederländisches Forschungsteam hat untersucht, wie altersbedingte Veränderungen zu einem erhöhten Sturzrisiko im Alter führen. Hierfür haben sie mithilfe von Computersimulationen gezielte Szenarien beim Herabtreten von einer Stufe mit unterschiedlicher Muskelkraft und Geschwindigkeit der Nervensignale durchgespielt – beides Faktoren, die im Alter abnehmen. Das sichere Hinabsteigen einer Stufe oder eines Bordsteins ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Mit zunehmendem Alter verändert sich jedoch das Zusammenspiel von Muskeln und Nervensystem: Mit den Jahren verlieren die Muskeln an Kraft und die Nerven leiten Signale langsamer weiter, was häufig mit einer erhöhten Sturzgefahr im Alter in Verbindung gebracht wird. Mithilfe von Simulationsstudien, wie sie unter Beteiligung der Universität Bayreuth durchgeführt wurden, kann verstanden werden, wie sich altersbedingte Veränderungen konkret auf Bewegungsabläufe auswirken, wonach anschließend Empfehlungen zur Reduzierung des Sturzrisikos ausgesprochen werden können, erläutert die Universität Bayreuth und führt weiter aus: Beim Herabtreten einer Stufe reduzieren jüngere, gesunde Menschen die Muskelaktivität in der Wade antizipativ, bereits im Kontakt vor der Stufe. So senken sie ihren Körperschwerpunkt frühzeitig ab und können den Schritt nach unten kontrolliert ausführen. Ältere Menschen scheinen jedoch eine andere Strategie zu nutzen: Sie wechseln von einer Reduktion der Muskelaktivität der Wade zu einer Erhöhung der Aktivität im Oberschenkel. „Weshalb mit zunehmendem Alter die Strategie beim Stufenlaufen geändert wird, ist nicht geklärt. Wir vermuten aber, dass vor allem der Verlust an Muskelkraft und die langsamere Übertragung von Nervensignalen im Alter eine Rolle spielen“, sagt PD Dr. Roy Müller vom Bayreuther Zentrum für Sportwissenschaft (BaySpo) der Universität Bayreuth und Leiter des Gang- und Bewegungslabors der Klinikum Bayreuth GmbH. Gerade im Hinblick auf die erhöhte Sturzgefahr älterer Menschen an Stufen oder Bordsteinkanten sei es deshalb wichtig zu verstehen, wie sich altersbedingte Veränderungen auf Bewegung und Kontrollstrategien der Muskeln auswirken. Computersimulation des Zusammenspiels von Muskeln und Nerven Deshalb hat Müller zusammen mit Dr. Lucas Schreff, Mitarbeiter des Gang- und Bewegungslabors, Computersimulationen durchgeführt, mit denen gezielt Szenarien beim Hinabsteigen von Stufen mit reduzierter Muskelkraft und verzögerter neuronaler Signalübertragung untersucht werden konnten. „Sowohl die verringerte Muskelkraft als auch die langsamere Signalübertragung sind Faktoren, die sich in Experimenten mit „realen Menschen“ nicht isoliert betrachten lassen – in der Computersimulation aber schon. Darin liegt der Vorteil unseres Ansatzes“, erklärt Müller. So konnten auch verschiedene Stufenhöhen und unterschiedliche Schweregrade an Muskelkraftverlust und verlangsamter Signalübertragung getestet werden. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die bei älteren Menschen beobachtete reduzierte Muskelkraft den „Lösungsspielraum“ beim Hinabtreten deutlich reduziert: Je schwächer die Muskulatur, desto präziser müsste die Muskelaktivierung abgestimmt werden, um einen sicheren Schritt zu schaffen. Dieser eingeschränkte Lösungsspielraum könnte vor allem dann problematisch werden, wenn weitere altersbedingte Einschränkungen hinzukommen, wie eine verschlechterte Sehkraft, die dazu führt, die Stufenhöhe falsch einzuschätzen. In solchen Situationen steigt das Sturzrisiko laut dem deutsch-niederländischen Forschungsteam schon bei kleinen Abweichungen in der Bewegungsausführung. Gezieltes Krafttraining könnte das Sturzrisiko reduzieren „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kontrollstrategie der Erhöhung der Muskelaktivität im Oberschenkel eine weniger präzise Abstimmung benötigt als die Reduktion der Muskelaktivität in der Wade. Das könnte eine Erklärung für eine Änderung der Kontrollstrategie im Alter sein“, sagt Müller. Eine Kombination aus gezieltem Krafttraining und Training zur Wahrnehmungs- und Bewegungskontrolle könnte dem erhöhten Sturzrisiko somit entgegenwirken. In weiteren Studien soll geklärt werden, ob ein gezieltes Training zur Erhaltung der Kontrollstrategie der reduzierten Muskelaktivität in der Wade das Sturzrisiko senken kann. Die Forschungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen und dem University Medical Center in Amsterdam durchgeführt.
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