Wie misst man den Informationsgehalt des Gehirns?

Der Neurobiologe Prof. Peter Robin Hiesinger erhält von der VolkswagenStiftung eine Millionenförderung zur Erforschung des Informationsgehalts biologischer Gehirnstrukturen. (Quelle: Bernd Wannenmacher)

Prof. Peter Robin Hiesinger, Neurobiologe der Freien Universität Berlin, erhält von der Volkswagenstiftung im Rahmen ihres Programms „Pioneering Research“ mehr als 1,12 Millionen Euro zur Erforschung der Information in neuronalen Netzen. Das interdisziplinäre Vorhaben startet im Januar 2026 und hat eine Laufzeit von fünf Jahren.

Ziel des Projekts „The Information Content of Brain Wiring“ ist es, erstmals den Informationsgehalt biologischer Gehirnstrukturen – konkret des Fruchtfliegengehirns (Drosophila) – quantitativ zu erfassen. Während sich künstliche neuronale Netzwerke, die moderne Künstliche Intelligenz ermöglichen, exakt in Bits speichern lassen, fehlt für biologische Netzwerke bislang jede belastbare Quantifizierung. Was bei KI als klar definierte Datenmenge existiert, bleibt beim menschlichen und tierischen Gehirn eine fundamentale Unbekannte – ein „unknown unknown“.

„Was genau müsste man messen oder zählen, um den Informationsgehalt eines Gehirns zu bestimmen?“, fragt Projektleiter Hiesinger. „Gerade diese fundamentale Wissenslücke macht unser Forschungsvorhaben so spannend – und die Förderung durch die VolkswagenStiftung ist dafür ein wichtiger Impuls.“

Vergleich natürlicher und künstlicher Denkprozesse

Das Forschungsteam verfolgt einen experimentellen Ansatz, bei dem in einem ersten Schritt auf verschiedenen Beschreibungsebenen – von vollständigen Verschaltungen (Connectomen) bis hin zu dynamischen Live-Daten – untere Informationsgrenzen ermittelt werden. In einem zweiten Schritt soll dann durch Kompressionsalgorithmen und die modellhafte Rekonstruktion entwicklungsbiologisch gesteuerter Prozesse aus Live-Bilddaten erforscht werden, wie „tief“ oder „einfach“ das Gehirn strukturiert ist.

Dieser interdisziplinäre Zugang schlägt eine Brücke zwischen biologischer und künstlicher Intelligenz – über die gemeinsame Sprache der Informationstheorie. Das Forschungsteam um Hiesinger verspricht sich damit nicht nur neue Einsichten in die Grundlagen der Neurobiologie, sondern leistet auch einen Beitrag zur aktuellen Debatte über die Vergleichbarkeit natürlicher und künstlicher Denkprozesse.

Umfassende Förderung und Open-Access-Veröffentlichung

Die Fördermittel der VolkswagenStiftung decken unter anderem Personal-, Reise- und Sachkosten sowie Publikationsgebühren und Maßnahmen zur Chancengleichheit ab. Ein zentrales Ziel ist es, die wissenschaftlichen Erkenntnisse offen zugänglich zu machen – sowohl durch Open-Access-Veröffentlichungen als auch durch langfristig verfügbare Datensätze und Softwarelösungen.

Erfolg in weiterer Förderlinie der DFG

Das Team um Prof. Dr. Peter Robin Hiesinger konnte kürzlich zudem einen weiteren Erfolg verbuchen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte rund 400.000 Euro für ein komplementäres Projekt mit Partnern aus der Elektrotechnik. Unter dem Titel „Ein bioinspirierter elektrotechnischer Ansatz zur Schaltkreisentwicklung“ werden Erkenntnisse aus der Modellierung des neuronalen Netzwerks von Drosophila in technische Anwendungen überführt.