Wie sich Mikrotubuli an der zellulären Signalverarbeitung beteiligen23. Dezember 2025 Erstautor Sung Choi hat untersucht, wie das Signalprotein GEFH1 gezielt an Mikrotubuli bindet – ein entscheidender Schritt zum besseren Verständnis der Zellkommunikation. Foto: Markus Fischer/Paul Scherer Institut Mikrotubuli leiten empfangene Signale an zulluläre Funktionseinheiten weiter. Forschende haben jetzt strukturell aufgeklärt, wie Mikrotubuli das bewerkstelligen. Das könnte helfen, in Kommunikation in der Zelle einzugreifen und etwa Tumorwachstum zu verhindern. Ob Zellteilung, -differenzierung, -beweglichkeit oder programmierter Zelltod – verschiedenste Funktionen von Körperzellen werden über Signalproteine innerhalb der Zelle gesteuert. Auch die Immunabwehr und das Auslesen von Erbinformationen. Ursprünglich gelangen die Befehle von außen etwa in Form von Hormonen, Zytokinen oder Wachstumsfaktoren an die Zellmembran und binden dort an entsprechende Rezeptoren. Sie werden dann in Signalproteine übersetzt, die den Befehl ins Zellinnere weitergeben. Über mehrere Stufen gelangt das Signal so auch zu den Mikrotubuli. Rolle der Mikrotubuli bei der Kommunikation in der Zelle Mikrotubuli sind zentrale Proteinstränge des Zellskeletts. Es stützt nicht nur die Zelle, sondern übernimmt auch weitere Funktionen. Dabei sind Mikrotubuli dynamisch: Ständig bauen sie neue Verbindungen auf und alte wieder ab, wodurch sie sich neu anordnen. Bisher wurde angenommen, dass Mikrotubuli lediglich Empfänger innerhalb der Zellkommunikation sind: Sie reagieren auf solche Befehle, indem sie ihre Dynamik und ihre Organisation verändern. Doch tatsächlich erfüllen sie auch die Funktion der Weiterleitung von Signalen an andere Empfänger. So aktivieren sie bei Andocken eines solchen Proteins Signalwege für bestimmte Zellfunktionen wie Immunabwehr und Zellteilung. Täten sie dies nicht, kämen gewisse Befehle nicht an ihrem Ziel an und die Zellen würden nicht funktionieren. Das haben Studien schon vor einigen Jahrzehnten gezeigt. Bis zuletzt unklar blieb jedoch, wie diese Weiterleitung der Signale durch die Mikrotubuli auf molekularer Ebene abläuft. Und dies konnte ein Team vom Zentrum für Life Sciences des PSI um Erstautor Sung Choi und Projektleiter Michel Steinmetz nun am Beispiel eines Signalproteins namens GEFH1 aufklären – in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Alfred Zippelius vom Departement Biomedizin der Universität Basel. Wie der Prozess funktioniert: Beispiel GEFH1 GEFH1 steht für Guanine Nucleotide Exchange Factor H1. Es ist ein recht gut untersuchtes Signalprotein, das den RhoA-Signalweg aktiviert. Allein schon dieser Signalweg – und er ist nur einer von vielen – löst eine ganze Kaskade zellulärer Prozesse aus. Sie steuern unter anderem die Zellteilung oder die Beweglichkeit der Zelle, sodass sie etwa an der Wundheilung teilnehmen kann. Sobald GEFH1 an die Mikrotubuli erreicht, dockt es an und wird inaktiviert. Mithilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie, biochemischen und zellbiologischen Untersuchungen konnte das PSI-Team nun nachweisen, dass diese Bindung nur durch einen ganz bestimmten molekularen Teil des aus vielen Aminosäuren bestehenden Proteins erfolgt, die sogenannte „C1-Domäne“. „Wir haben biotechnologisch Fragmente von GEFH1 hergestellt und getestet, welche in der Lage sind, an Mikrotubuli zu binden“, berichtet Choi. „Und wir haben Varianten von GEFH1 mit mutierten Andockstellen gebaut und diese in Zellen eingebracht, um zu sehen, ob sie sich verbinden. So konnten wir eindeutig klären, dass allein die C1-Domäne für die Bindung sorgt.“ Und zwar an genau vier Tubulinen aus denen die Stränge des Mikrotubulus bestehen. GEFH1 setzt sich mit der C1-Domäne zwischen diesen in eine Aussparung wie ein Stopfen in ein passendes Loch. Freigesetzt wird das Signalprotein, wenn der Mikrotubulus sich im Rahmen der üblichen Dynamik wieder auflöst und der Tubulinstrang an der Stelle, wo es sitzt, auseinanderfällt. Dadurch wird der RhoA-Signalweg aktiviert, um weitere zelluläre Prozesse einzuleiten. Neues Werkzeug für die Medizin Die Ergebnisse der Studie dienen vor allem dem grundlegenden Verständnis zellulärer Prozesse. „Sie vervollständigen unser Bild von den Signalkaskaden, die durch Botenstoffe wie Hormone und Zytokine in der Zelle ausgelöst werden“, ordnete Steinmetz die Studienergebnisse ein. „Als aktives Element in diesem Mechanismus bekommen Mikrotubuli da nochmal einen höheren Stellenwert.“ Darüber hinaus biete die genauere Kenntnis der Vorgänge neue Möglichkeiten in der Medizin. Schon heute gibt es Wege, Rezeptoren für gewisse Signalproteine an der Zellmembran zu blockieren, um zum Beispiel das wuchernde Zellwachstum bei Krebs zu verhindern oder in anderen Fällen die Bindung zu fördern und so etwa die Immunabwehr zu stärken. Solche Eingriffsmöglichkeiten könnte man nun auch auf der Ebene der C1-Domäne und der Mikrotubuli entwickeln. „Wir hätten dann ein zusätzliches Werkzeug, um bei Fehlfunktionen einzugreifen“, hofft Sung Choi. Erkenntnisse auf andere Signalwege übertragbar Diese Erkenntnis lässt sich wahrscheinlich auf viele andere Signalproteine und -wege übertragen: „Andere Signalproteine, von denen es neben GEFH1 unzählige weitere gibt, sind zwar anders aufgebaut“, erklärt Michel Steinmetz. „Aber viele von ihnen verfügen ebenfalls über eine C1-Domäne und binden damit an die Mikrotubuli.“ Entsprechend groß wären die medizinischen Eingriffsmöglichkeiten, indem man die C1-Domäne-Bindung blockiert oder fördert. Ein besonders relevantes Beispiel dafür ist das tumorsuppressive Protein RASSF1A. Seine Interaktion mit den Mikrotubuli über die C1-Domäne wurde ebenfalls im Rahmen der Studie nachgewiesen. RASSF1A zählt zu den bekanntesten Tumorsuppressorgenen und ist bei mehr als 40 Krebsarten des Menschen häufig inaktiviert – darunter Lungen-, Brust-, Prostata-, Gliom-, Neuroblastom-, multiples Myelom- sowie Nierenkrebs. Dies verdeutlicht die therapeutische Relevanz des C1-Domänen-Mechanismus. Allerdings gibt es auch Signalproteine, die an Mikrotubuli binden, ohne dass sie über eine C1-Domäne verfügen. „Wie sie das machen, wollen wir in weiteren Studien herausfinden“, sagt Steinmetz. „Dazu haben wir ja jetzt eine Pipeline an Tests und Verfahren entwickelt, die sich übertragen lässt, um weiteren Mechanismen auf die Spur zu kommen.“
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