Wie Übergewicht zu Diabetes führt

Der Mediziner Jens Brüning ist Direktor am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln. | Copyright: MPI für Stoffwechselforschung

Am Kölner Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung untersucht der Forscher Jens Brüning, über welche Mechanismen Adipositas in die Insulinresistenz führt.

Brünings Forschung setzt weit vor dem Punkt an, an dem Fett im Köper abgelagert wird. Er will wissen, wie die Nahrungsaufnahme im Gehirn reguliert wird. Kürzlich fand sein Team heraus, dass bei Mäusen bereits kurz nachdem sie Nahrung riechen, bestimmte Nervenzellen feuern und der Leber signalisieren: Futter kommt! „Innerhalb von fünf Minuten ändern die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, in der Leber ihre Form und Funktion. Es ist im Grunde wie ein Pawlowscher Reflex.“ So wird der Körper bereits vor dem Essen darauf getrimmt, den Stoffwechsel hochzufahren.

Aber warum führt Übergewicht überhaupt zu Diabetes? Es liegt wohl entscheidend am Phänomen der Lipotoxizität: Bei übermäßiger Kalorienzufuhr wird das Plus normalerweise als Speicherfett im Fettgewebe abgelagert. „Aber Fettzellen haben nur eine begrenzte Expansionsfähigkeit. Ist ihr maximales Volumen überschritten, werden Fettsäuren freigesetzt und lagern sich nun in Muskeln und Leber ab“, erklärt Brüning. Gewebe, die darauf gar nicht eingestellt sind. Dieses „Überschwappen“ von Fett führt dann zur Insulinresistenz, weil nun Signalwege aktiviert werden, die die Insulinwirkung auf Leber und Muskel verhindern.

Seit vielen Jahren erforscht Jens Brüning, welche von den Tausenden unterschiedlichen Fettmolekülen besonders schädlich in der Leber wirken. Er fand eine bestimmte Klasse von Ceramiden. Sie werden im Körper durch das Enzym Ceramid-Synthase 6 erzeugt – sowohl bei Maus als auch Mensch. „In übergewichtigen Mäusen haben wir bereits gezeigt: Wenn wir dieses Enzym hemmen, kommt es trotz Übergewicht nicht zu Diabetes.“ Nun suchen die Forschenden nach Hemmstoffen für das Enzym – als dritte neue Alternative in der Diabetestherapie.

Wie Abnehmspritzen wirken

Die beiden anderen setzten nicht im Bauch, sondern im Gehirn an, und sind bereits auf dem Markt. Zum einen GLP1-Rezeptor Agonisten wie Semaglutide (Ozempic, Wegovy) – kontrovers diskutiert und heißbegehrt als „Abnehmspritzen“. Sie verbessern nicht nur die Insulinfreisetzung in der Bauchspeicheldrüse. Denn auch auf bestimmten Gehirnzellen sitzen Rezeptoren für GLP1 Rezeptor-Agonisten, und zwar in Zentren, die die Nahrungsaufnahme regulieren. So kommt es gleichzeitig zur Verbesserung des Glucose-Stoffwechsels und einer Gewichtsreduktion. Duale Agonisten wie Tirzepatid (Mounjaro), binden zusätzlich an einem weiteren Rezeptor (GIP), wirken deshalb noch stärker gewichtsreduzierend und damit auch stärker auf den Stoffwechsel.

Die entsprechenden Nervenzellen sitzen im Hypothalamus, einer Hirnregion, die nicht nur die Nahrungsaufnahme reguliert, sondern auch Körpertemperatur, Schlafrhythmus und Sexualverhalten. Bereits 2022 publizierte Jens Brüning, gemeinsam mit Kollegen aus Cambridge, in Nature Metabolism den Zellatlas des Maus-Hypothalamus. Rund 250 verschiedene Neuronenklassen haben die Forschenden dort gefunden. Darunter auch einige, von den man sicher weiß, dass sie die Nahrungsaufnahme bei der Maus regulieren. Aber Maus ist nicht gleich Mensch. Und deshalb hat das gleiche Team nun auch den menschlichen Hypothalamus kartiert. „Wir fanden, dass die meisten Neuronen sehr stark konserviert sind – also sowohl bei Mensch und Maus prinzipiell gleich sind. Aber gerade bei den GLP1-Rezeptoren gibt es auch leichte Unterschiede“, betont Brüning. Gut zu wissen; ansonsten bestünde die Gefahr am Mausmodell neue Pharmaka für Rezeptoren zu entwickeln, die der Mensch in entscheidenden Zelltypen gar nicht besitzt.

Die zweite neue Therapieoption sind Gliflozine, SGLT-2-Inhibitoren, welche die Rückresorption des Zuckers aus dem von den Nieren filtrierten Harn in den Körper blockieren. „Sowohl GLP1-Rezeptor Agonisten als auch SGLT-2-Antagonisten sind echte Durchbrüche in der Diabetesbehandlung, denn sie senken die Gesamtmortalität der Patientinnen und Patienten. Und vor allem sinkt ihr kardiovaskuläres Risiko!“, betont Jens Brüning.

Text: Catarina Pietschmann