Wiederkehrende Harnwegsinfekte: Studie zeigt Zusammenhang mit dem Darmmikrobiom und chronischen Entzündungen

Escherichia coli (Abbildung: © Gunnar Assmy/stock.adobe.com)

Eine neue Studie lässt die Schlussfolgerung zu, dass Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten (UTI) in einen Teufelskreis geraten können, in dem gegen diese Infekte verschriebene Antibiotika sie für die Entwicklung einer weiteren Infektion prädisponieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei offenbar das Darmmikrobiom.

Die Forschenden von der Washington University School of Medicine in St. Louis (USA) und vom Broad Institute of MIT and Harvard legten dar, dass eine Antibiotikatherapie krankheitserregende Bakterien in der Blase, nicht aber im Darm eliminiert. Überlebende Bakterien im Darm können sich daher vermehren und erneut in der Blase ausbreiten, was eine weitere Harnwegsinfektion verursacht.

Gleichzeitig schaden wiederholte Antibiotikazyklen dem Darmmikrobiom. Ähnlich wie bei anderen Erkrankungen, bei denen Darmmikroben und das Immunsystem miteinander in Zusammenhang stehen, wiesen diejenigen Frauen in der Studie, die rezidivierende Harnwegsinfektionen hatten, weniger vielfältige Mikrobiome auf. Dabei wurde ein Mangel an einer wichtigen Gruppe von Bakterien beobachtet, die zur Regulierung von Entzündungen beitragen. Außerdem erkannten die Forschenden eine deutliche immunologische Signatur im Blut der Betroffenen, die auf eine Entzündung hinweist.

„Es ist frustrierend für Frauen, die mit einem Rezidiv nach dem anderen zum Arzt kommen, und dieser – häufig ein Mann – ihnen Ratschläge zur Hygiene gibt“, Dr. Scott J. Hultgren, Helen L. Stoever-Professor für Molekulare Mikrobiologie an der Washington University und einer der Seniorautoren der Untersuchung. „Da liegt nämlich nicht unbedingt das Problem: Es ist nicht zwingend eine schlechte Hygiene, die es verursacht. Das Problem liegt in der Erkrankung selbst, in diesem Zusammenhang zwischen Darm und Blase und den Entzündungsniveaus. Im Grunde wissen Ärzte nicht, was sie mit rezidivierenden UTI tun sollen. Alles, was sie haben, sind Antibiotika – also werfen sie nur noch mehr Antibiotika nach dem Problem, was die Sache wahrscheinlich nur noch schlimmer macht.“

Die meisten Harnwegsinfektionen werden durch Escherichia-coli-Bakterien aus dem Darm verursacht, die in die Harnwege gelangen. Um zu verstehen, warum manche Frauen eine Infektion nach der anderen bekommen und andere bloß eine oder gar keine, tat sich Hultgren mit Wissenschaftlern des Broad Institute zusammen: mit Dr. Ashlee Earl, Seniorleiterin der Bacterial Genomics Group und ebenfalls eine der Seniorautoren der Studie, sowie mit Dr. Colin Worby, Computerbiologe und Hauptautor der Arbeit.

Die Forschenden untersuchten 15 Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen in der Vorgeschichte und 16 Frauen ohne solche Erkrankungen. Alle Teilnehmerinnen stellten zu Beginn der Studie Urin- und Blutproben sowie monatlich Stuhlproben zur Verfügung. Das Team analysierte die bakterielle Zusammensetzung in den Stuhlproben, untersuchte den Urin auf das Vorhandensein von Bakterien und maß die Genexpression in den Blutproben.

Im Laufe eines Jahres traten 24 UTI auf, alle bei Teilnehmerinnen mit wiederholten UTI in der Vorgeschichte. Wenn bei den Probandinnen eine Harnwegsinfektion diagnostiziert wurde, entnahm das Team zusätzliche Urin-, Blut- und Stuhlproben.

Der Unterschied zwischen den Frauen, die wiederholt Harnwegsinfekte hatten, und denen, bei denen dies nicht der Fall war, bestand überraschenderweise nicht in der Art von E. coli in ihrem Darm oder sogar in der Anwesenheit von E. coli in der Blase. Beide Gruppen wiesen im Darm E.-coli-Stämme mit dem Potenzial für eine Verursachung von UTI auf. Diese Stämme breiteten sich bei manchen Studienteilnehmerinnen auf die Blase aus.

Der wirkliche Unterschied zwischen den Probandinnen bestand laut den Autoren in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms der Probandinnen. Patientinnen mit wiederholten Infektionen zeigten eine verringerte Diversität sich positiv auswirkender Mikrobenarten im Darm, was krankheitsverursachenden Arten mehr Möglichkeiten bieten könnte, Fuß zu fassen und sich zu vermehren. Bemerkenswerterweise war bei dem Mikrobiom von Frauen mit wiederkehrenden UTI ein besonderer Mangel an Bakterien zu verzeichnen, die Butyrat produzieren, eine kurzkettige Fettsäure mit entzündungshemmender Wirkung.

„Wir glauben, dass bei den Frauen in der Kontrollgruppe die Bakterien in der Blase eliminiert werden konnten, bevor sie eine Erkrankung verursachten, während dies bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen aufgrund einer ausgeprägten Immunantwort auf eine bakterielle Invasion der Blase, die möglicherweise durch das Darmmikrobiom vermittelt wird, nicht der Fall war“, berichtet Worby.

Die Ergebnisse unterstreichen den Wissenschaftlern zufolge, wie wichtig es ist, Alternativen zu Antibiotika für die Behandlung von UTI zu finden. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass Antibiotika zukünftige Infektionen nicht verhindern oder UTI-verursachende Stämme im Darm eliminieren kann“, ergänzt der Wissenschaftler. „Sie können sogar ein Wiederauftreten wahrscheinlicher machen, indem sie dazu führen, dass das Mikrobiom in einem gestörten Zustand verbleibt.“

Hultgren forscht seit Langem nach innovativen Therapien, um krankheitsverursachende Stämme von E. coli im Körper zu eliminieren und gleichzeitig die übrige Bakteriengemeinschaft zu verschonen. Seine Forschung bildet die Grundlage für ein experimentelles Medikament auf Basis von Mannosid sowie eines Prüfimpfstoffes, die beide an Menschen getestet werden. Eine andere Strategie wäre, das Mikrobiom mittels Fäkaler Mikrobiota-Transplantation, probiotischen Lebensmitteln oder anderen Maßnahmen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

„Dies ist eine der häufigsten Infektionen in den Vereinigten Staaten, wenn nicht sogar weltweit“, sagte Hultgren. „Bei einem guten Prozentsatz dieser UTI-Patienten treten diese chronischen Rezidive auf, was zu einer verminderten Lebensqualität führt. Es besteht ein echter Bedarf, bessere Therapeutika zu entwickeln, die diesen Teufelskreis durchbrechen.“