Wilhelm P. Winterstein-Preis für Entwicklung von Herzpflastern

Die Preisträger des Wilhelm P. Winterstein-Preises (v.l.); Fawad Jebran, Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, UMG, Tim Seidler, Abteilung Kardiologie, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim, und Malte Tiburcy, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, UMG. (Foto: ©Deutsche Herzstiftung/Andreas Malkmus)

Forscher der Universitätsmedizin Göttingen und der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim erhalten für ihren Ansatz der Herzpflastertherapie den renommierten Wilhelm P. Winterstein-Preis der Deutschen Herzstiftung.

Eine mit dem renommierten Wilhelm P. Winterstein-Preis (Dotation: 10.000 Euro) der Deutschen Herzstiftung prämierte Forschung zeigt erstmalig, dass im Menschen neue Herzmuskelzellen über die Applikation eines Herzpflasters erfolgreich auf ein an schwerer Herzinsuffizienz erkranktes Herz aufgebracht werden können. Mit dem Winterstein-Wissenschaftspreis wurden PD Dr. Malte Tiburcy, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, und Dr. Fawad Jebran, Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, von der Universitätsmedizin Göttingen sowie Prof. Tim Seidler, Abteilung Kardiologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, ausgezeichnet.

Ihre Arbeit „Engineered heart muscle allografts for heart repair in primates and humans“ ist Anfang 2025 im Fachmagazin „Nature“ erschienen und beschreibt unter anderem die Wiederherstellung der Durchblutung implantierter Herzmuskelzellen über Herzpflaster (wir berichteten). Die Daten dieser Arbeit waren essenziell, um die erste klinische Studie zur Behandlung von Patienten mit Herzpflastern zu starten (BioVAT-HF).

Arbeit „von enormer Bedeutung“ für schwer kranke Herzinsuffizienzpatienten

„Diese vielbeachtete Forschungsarbeit zur Herzpflastertherapie macht Hoffnung auf eine neue Therapieoption für Menschen mit fortgeschrittener Herzschwäche. Angesichts des weiterhin eklatanten Mangels an Spenderherzen für Schwerstkranke sind die Erkenntnisse dieser Arbeit von enormer Bedeutung“, betont der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung Prof. Thomas Voigtländer bei der Preisübergabe auf der Jahreshauptversammlung der Herzstiftung in Frankfurt am Main.

„Mitentscheidend für diesen Durchbruch war die beispielhafte interdisziplinäre Grundlagenarbeit von Herzchirurgie, Kardiologie und Pharmakologie, mit deren Hilfe wir ein neues Therapieverfahren für eines der größten Herzprobleme weltweit etablieren möchten“, betonte Winterstein-Preisträger und Herzchirurg Jebran bei der Preisverleihung gemeinsam mit den Forscherkollegen und Preisträgern Tiburcy und Seidler. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit zeige sich insbesondere in der Etablierung der Herzpflasterimplantation durch die Herzchirurgie, der Anwendung beim Tier und am Menschen durch die Kardiologie sowie in der Entwicklung der Herzpflastertechnologie durch die Pharmakologie, erklärte der Göttinger Arzt und Pharmakologe Tiburcy.

„Keine sicherheitsrelevanten Ereignisse“ bei der Herzpflaster-Implantation

Bisher ist es nicht möglich, eine Herzinsuffizienz durch regenerative Therapien im Sinne einer echten Wiederherstellung von Herzmuskulatur zu behandeln. Die Arbeit präsentiert nun allerdings erste Ergebnisse bei Menschen, dass neue Herzmuskelzellen mithilfe des Herzpflasters auf das erkrankte Herzmuskelareal aufgebracht werden können und ihre Arbeit aufnehmen. Das bestätigt experimentelle Daten, wonach die Zellen des Herzpflasters in das natürliche Herzgewebe integriert wurden. Dies zeigte sich durch eine Vaskularisierung, natürliches Wachstum der Herzmuskelzellen und Hinweise auf eine mechano-elektrische Kopplung. Und das führte zu einer Stärkung der Herzwand und zu einer verbesserten Pumpfunktion.

„Besonders wichtig war der Befund, dass die Implantation von Herzpflastern keine sicherheitsrelevanten Ereignisse wie Tumorbildung, Herzrhythmusstörungen, oder ungünstige Fibrosierungsprozesse, also eine krankhafte Vermehrung von Bindegewebe, auslöst“, erklärt Seidler. „Wir wissen von der ersten Studien-Patientin, deren Herz mit dem Herzpflaster behandelt wurde, dass die aufgebrachten Herzmuskelzellen überlebt haben und das Gewebe von einer guten Beschaffenheit ist“, berichtet der Kardiologe.

Ausweitung auf schwächere Formen der Herzinsuffizienz denkbar

Die Herzforscher halten perspektivisch eine Anwendung der Herzpflastertherapie nicht nur für Patienten mit schwerster Herzschwäche (NYHA-Stufe IV) für möglich. Auch „für symptomatische Herzschwäche-Patienten ab NYHA-Stufe II könnten die Pflaster eine Therapieoption werden“, so der Göttinger Herzchirurg Jebran.

Die publizierten Untersuchungsdaten waren auch entscheidend für die Genehmigung der weltweit ersten klinischen Studie mit im Labor entwickelten Gewebeimplantaten bei Menschen mit fortgeschrittener Herzmuskelschwäche. „Im Rahmen der laufenden BioVAT-HF-Studie wird nun die Anwendung der Herzpflaster zur Wiederherstellung von Herzmuskulatur getestet“, bestätigt Tiburcy.