Wirkstoffe und Arzneimittel mit Chip-Systemen testen

DynaMiTES (Dynamic Micro Tissue Engineering System). Ein mikrofluidikbasiertes Testsystem für tierversuchsfreie Arzneimitteltests mithilfe von dreidimensionalen Zellkulturmodellen. Foto: © Kai Mattern/Institut für Mikrotechnik/TU Braunschweig

In zwei neuen Projekten wollen Forscher und Forscherinnen der TU Braunschweig menschliche Nasenschleimhaut- und Augenhornhautmodelle auf einem Chip-System nachbilden. Beide Testsysteme sollen verlässlichere Aussagen als herkömmliche Verfahren liefern und helfen, Tierversuche zu vermeiden.

In zwei Projekten der TU Braunschweig wird an neuen Testverfahren geforscht, um Wirkstoffkandidaten und Arzneimittel ohne Tierversuche oder die Entnahme tierischen Gewebes zu testen und gleichzeitig verlässlichere Aussagen zur Bioverfügbarkeit im menschlichen Organismus zu erlangen. Das Institut für Pharmazeutische Technologie und das Institut für Mikrotechnik setzen dabei auf Organ-on-a-Chip-Systeme und Zellkulturen, die dynamische Prozesse am Auge und in der Nase besser abbilden.

Im Projekt „Ocular DynaMiTES“, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert mit 321.000 Euro, soll eine künstliche Augenhornhaut als Modell so weiterentwickelt werden, dass damit Arzneimittel zur Anwendung am Auge zuverlässig getestet werden können. Im Projekt „NasaMuc”, ein Verbundprojekt mit dem Unternehmen InSCREENeX, wird ein Nasenschleimhaut-Modell erforscht, um neue Darreichungsformen zu erproben und eine bessere Wirksamkeit von Arzneimitteln zu erreichen. Die TU Braunschweig erhält dazu eine Förderung in Höhe von 390.000 Euro vom BMBF.

Nasenschleimhaut-Modell „NasaMuc“ – nasale Zellen auf mikrofluidischen Chipsystemen

Der Anteil von Wirkstoffen unter den neuentwickelten Wirkstoffkandidaten, die biopharmazeutisch als problematisch anzusehen sind, wird auf etwa 75 Prozent geschätzt. Problematisch ist dabei vor allem ihre mangelnde Wasserlöslichkeit, ein geringes Vermögen, Biomembranen zu durchdringen, oder eine geringe Stabilität im Magen-Darm-Trakt. Bei vielen Wirksubstanzen muss also über alternative Darreichungsformen nachgedacht werden. Die Anwendung von Wirkstoffen über die Nasenschleimhaut (nasale Mukosa) bietet einige Vorteile gegenüber der oralen Einnahme, zum Beispiel ist die Zellschicht in der Nase durchlässiger als jene im Darm, die Stabilität empfindlicher Wirkstoffe ist ausreichend hoch, und durch die sehr gute Durchblutung des nasalen Gewebes ist ein rascher Abtransport zum Wirkort möglich.

Derzeitig werden Studien zur Beurteilung der Wirkstoffaufnahme über die Nase in der Regel am Versuchstier oder an entnommenen tierischen Geweben durchgeführt. „Bisher ist noch kein valides Testsystem der menschlichen Nasenschleimhaut als Alternative verfügbar. Ziel von „NasaMuc“ ist deshalb die Entwicklung eines zellbasierten In-vitro-Testsystems“, sagt Prof. Andreas Dietzel. Mit diesem Testsystem soll die Aufnahme von Wirkstoffkandidaten über die Schleimhaut analysiert werden, ohne auf Versuche an Tieren oder tierischem Gewebe zurückgreifen zu müssen.

Um die hohen Anforderungen an das Testsystem für die Arzneimittelentwicklung zu erfüllen, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Verbundprojekt zusammen: Beteiligt ist neben dem Institut für Pharmazeutische Technologie und dem Institut für Mikrotechnik auch das Unternehmen InSCREENeX GmbH, einer Gründung aus dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI).

BMBF-Förderschwerpunkt „Alternativmethoden zum Tierversuch“

Im Rahmen seines Programms zur Suche nach Ersatzmethoden zum Tierversuch hat das BMBF seit 1980 über 500 Projekte gefördert. Ein zentrales Ziel ist, die Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis zu beschleunigen. Die TU Braunschweig erhält für beide Forschungsprojekte eine Förderung im BMBF-Förderschwerpunkt „Alternativmethoden zum Tierversuch“ in Höhe von rund 710.000 Euro für drei Jahre.