Wollnashörner: Mensch an Aussterben beteiligt11. Juli 2024 Bejagung und klimatische Veränderungen führten zum Verschwinden der Steppenbewohner. Grafik: © Benjamin Langlois Bejagung und klimatische Veränderungen führten zum Verschwinden der Steppenbewohner vor 10.000 Jahren. Ein internationales Forschungsteam hat die Ursachen für das Aussterben des Wollnashorns nach dem Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren untersucht. Die von dem Team um Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) an der Universität Tübingen durchgeführte Studie zeigt, dass die konstante Bejagung durch den Menschen gemeinsam mit Temperaturveränderungen die Populationen der Tiere nachhaltig schwächte, wodurch sie nicht mehr in günstigere Lebensräume ausweichen konnten. Ihr Verschwinden mache auch die Gefährdung heutiger großer Wildtiere deutlich. Das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) war über Tausende von Jahren ein ikonischer Vertreter der Steppenfauna Zentral- und Nordeurasiens, nachdem es sich vor etwa 2,5 Millionen Jahren im Tibetischen Hochland entwickelt hatte. Mit dicker Haut und langem, wolligem Fell war es an kalte Temperaturen angepasst und etwa so groß wie das heutige afrikanische Breitmaulnashorn. Wollnashörner beweideten die niedrige Vegetation in trockenen, offenen Landschaften und nutzten wahrscheinlich ihr Vorderhorn, um Nahrung unter einer dünnen Schneedecke freizulegen. Fossilien zeigen, dass das Wollnashorn bis vor etwa 35.000 Jahren in ganz Nordeurasien verbreitet war. Einfluss des Menschen bisher kaum in Betracht gezogen Weshalb es vor etwa 10.000 Jahren ausstarb, war in der Forschung bisher umstritten – ein Einfluss des Menschen wurde aber kaum in Betracht gezogen. Die neu erschienene Studie legt nahe, dass die Tiere bereits vor etwa 30.000 Jahren in eine Sackgasse gerieten, als kühlere Temperaturen und eine niedrige, aber konstante Bejagung durch den Menschen die Wollnashörner nach Süden drängten. Dort waren sie am Ende der letzten Eiszeit dann in isolierten, suboptimalen Lebensräumen eingeschlossen. Die geschwächten Populationen waren zuletzt nicht mehr in der Lage, in für sie günstigere Lebensräume zu wandern. „Wir haben komplexe Computermodelle, Fossilien und fossile DNA genutzt, um die Metapopulationsdynamik der Wollnashörner über 52.000 Jahre kontinuierlich in bisher nicht gekannter Detailtiefe nachzuvollziehen“, berichtet Prof. Dr. Hervé Bocherens vom SHEP und fährt fort: „Durch kühler werdende Temperaturen und die anhaltende Jagd – in einigen Gebieten Eurasiens lieferten Wildtiere bis zu 30 Prozent der Proteinzufuhr der damaligen Menschen – schrumpften die Populationen und ihr Verbreitungsgebiet. Moderne Menschen, Neandertaler und andere Homininen lebten Zehntausende von Jahren mit den Wollnashörnern. Im Schnitt dezimierten sie deren Population in jeder Generation um zehn Prozent. Am Ende blieben vereinzelte Populationen übrig, die nach Süden gedrängt, isoliert und dadurch geschwächt waren. Mit der erneuten Erwärmung der Temperaturen zu Beginn des Holozäns vor 11.000 Jahren waren die Wollnashörner dann in klimatisch für sie suboptimalen Gebieten ‚gefangen‘ und verschwanden am Ende vollständig.“ Wichtige Hinweise für den Schutz heutiger Wildtiere In den Ergebnissen ihrer Studie sehen die Forschenden auch wichtige Hinweise für den Schutz heutiger großer Wildtiere. Durch die gravierenden Folgen von Landnutzungsveränderungen und der Jagd durch den Menschen kommen die meisten verbliebenen Arten der heutigen Megafauna nur noch in einem Bruchteil ihres historischen Verbreitungsgebiets vor. „Während es im späten Pleistozän noch 61 große Pflanzenfresser mit einem Gewicht von über 1.000 Kilogramm gab, leben heute nur noch acht solcher Arten. Fünf davon sind Nashörner, von denen vier gefährdet sind und drei sogar vom Aussterben bedroht“, erklärt Bocherens. Die Tiere leben in stark fragmentierten und für sie eher ungünstigen Verbreitungsgebieten in Afrika und Asien. „Durch die Klimaerwärmung wird sich ihre Situation in den nächsten Jahren noch weiter verschlechtern. Wir brauchen dringend verstärkte Schutzmaßnahmen, um zu verhindern, dass die heutigen Nashörner dasselbe Schicksal erleiden wie ihre Verwandten, die Wollnashörner!“, schließt Bocherens.
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