Zahlen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in Deutschland steigen6. Januar 2023 Andreas Krause und Katinka Albrecht (Fotos: privat/Jacqueline Hirscher, DRFZ) Entzündlich-rheumatische Erkrankungen (ERE) in Deutschland nehmen zu. Dies zeigt eine systematische Analyse von Epidemiologen des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin (DRFZ). Anhand der Ergebnisse schätzen die Forschenden die Prävalenz der ERE in Deutschland auf 2,2 bis 3,0 Prozent der Erwachsenen. Dies entspricht in etwa 1,5 bis 2,1 Millionen Betroffenen. Etwa 14.000 Kinder und Jugendliche leiden unter einer juvenilen Arthritis. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) betont die besondere Bedeutung dieser Zahlen. Sie bilden die Grundlage, um den Versorgungsbedarf dieser Bevölkerungsgruppe zu benennen. Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer systematischen Literaturrecherche auf den Online-Plattformen “PubMed” und “Web of Science”, zuletzt am 8. November 2022. Für den Zeitraum von 2014 bis 2022 identifizierten die Forscher und Forscherinnen 20 Originalartikel zur Prävalenz, also zur Häufigkeit, verschiedener ERE. Für die Rheumatoide Arthritis (RA) ergab sich daraus eine geschätzte Häufigkeit von 0,8 bis 1,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, was 560.000 bis 830.000 Menschen entspricht. Für Spondyloarthritiden kamen sie auf 690.000 bis 970.000 Betroffene, für die ankylosierende Spondylitis allein auf 350.000. Für die Psoriasisarthritis werden 170.000 bis 220.000, für den systemischen Lupus erythematodes 39.000 Betroffene geschätzt. Untersucht wurden auch Daten für das primäre Sjögren-Syndrom mit 49.000 und sekundäre Formen (Sicca Syndrom) mit 280.000 bis 490.000 Betroffenen. Für Polymyalgia rheumatica wird die Prävalanz auf 66.000 bis 71.000, für Riesenzellarteriitis auf 15.000 bis 19.000 und für die ANCA-assoziierten Vaskulitiden auf 18.000 Betroffene geschätzt. Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass die vorliegenden Quellen durchaus unsicher sind. Fast alle Studien beruhen auf Routinedaten, die allein Abrechnungsdiagnosen und nicht den aktuellen Krankheitsstatus umfassen. „Wir wissen um die Schwächen dieser Schätzungen, aber da es in Deutschland kein Bevölkerungsregister zur Erfassung der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gibt, sind systematische Analysen verfügbarer Studien mit Routinedaten und Surveys die wichtigste Datengrundlage”, sagt Dr. Katinka Albrecht, Erstautorin der Studie. Auch erschwerten fehlerhafte und überlappende Krankheitskodierungen eine zuverlässige Bestimmung. Für validere Zahlen seien mehrstufige Bevölkerungsstudien erforderlich, an denen es jedoch mangele. Im Jahr 2016 hatten die Forscherinnen zuletzt analysiert, dass etwa zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer entzündlich-rheumatischen Krankheit betroffen sind. Das entsprach etwa 1,45 Millionen Menschen. „Seitdem sind die Zahlen tatsächlich gestiegen”, sagt Albrecht. Der Anstieg begründe sich aber auch in verbesserter Frühdiagnostik und einer höheren Lebenserwartung. Denn die meisten ERE sind nicht heilbar, sie begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Seit 2014 stieg der Anteil der über 80-Jährigen an der deutschen Bevölkerung von 5,6 auf 7,3 Prozent. Entsprechend wuchs auch die Zahl der Menschen mit ERE. „Unsicher sind die Zahlen auch für ERE bei Kindern und Jugendlichen” bedauert Albrecht. Aktuelle Routinedaten aus Deutschland berücksichtigend bleiben die Forscherinnen und Forscher für kindliches Rheuma, der Juvenilen Idiopathische Arthritis (JIA), bei der Schätzung von 2016. Danach ist etwa eins von 1000 Kindern von einer JIA betroffen. Das entspricht etwa 14.000 Kindern und Jugendlichen in ganz Deutschland. “Die Zahlen sind für rheumatologische Patientinnen und Patienten und für unser Fach von außerordentlicher Bedeutung, denn sie bilden auch die Grundlage für die Berechnung des Versorgungsbedarfs”, sagt Prof. Andreas Krause, 2. Vizepräsident der DGRh aus Berlin. Die DGRh bemühe sich intensiv um eine bedarfszahlenbezogene ärztliche Weiterbildung in der Rheumatologie. Denn Rheuma ist eine Volkskrankheit. Dies spiegele sich jedoch nicht in der Versorgungsrealität wider, die das Gesundheitssystem für die Betroffenen bereitstellt, so die Fachgesellschaft. Deshalb warteten viele Patientinnen und Patienten noch immer zu lange auf einen rheumatologischen Facharzttermin. “Sie benötigen dringend frühe Diagnostik, um bleibende Schäden durch die Erkrankungen abzuwenden. Setzt eine Therapie aufgrund von Versorgungsengpässen zu spät ein, können dauerhafte körperliche Behinderungen entstehen”, so die DGRh. Da ERE vor allem Menschen im arbeitsfähigen Alter treffen, schränkten sie nicht nur die Lebensqualität erheblich ein, sondern führten auch zu volkswirtschaftlichen Einbußen. Eine bedarfsgesteuerte Versorgungsplanung könne dies verhindern, ist die Fachgesellschaft überzeugt. “Die richtigen Weichen dafür müssen Politik und Selbstverwaltung gemeinsam stellen”, so die DGRh.
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