Zellulärer Mechanismus bei COVID-19: Warum ältere Menschen ein erhöhtes Infektions- und Mortalitätsrisiko besitzen

Foto: © recep aktas/stock.adobe.com

In einer neuen Studie beschreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Brown University in Providence (USA), welche zellulären und molekularen Umstände dazu führen, dass ältere Menschen und solche mit Komorbiditäten wie Diabetes, Hypertonie, Adipositas, dem Metabolischen Syndrom, kardiovaskulären Erkrankungen und manchen chronischen Lungenerkrankungen ein höheres Risiko für eine COVID-19-Infektion sowie damit zusammenhängende schwere Nebenwirkungen und Tod haben.

Die Studie zeige, dass der Spiegel des Proteins Chitinase-3-like-1 mit dem Alter sowie bei Komorbiditäten und Infektionen ansteigt, berichtet der korrespondierende Autor Dr. Jack A. Elias. Er ist Immunologe und Dekan der Fakultät für Medizin und biologische Wissenschaften an der Brown University. Darüber hinaus verstärke Chitinase-3-like-1 die SARS-CoV-2-Infektion, erklärt Elias.

Laut den Autorinnen und Autoren beantworten ihre Forschungsergebnisse nicht nur wichtige Fragen zu Schlüsselmechanismen des komplexen SARS-CoV-2-Virus – sie haben nach Ansicht der Forschenden auch direkte Auswirkungen auf die Entwicklung von Therapeutika zur Kontrolle der Virusinfektion.

In ihrem Labor haben sich die Autorinnen und Autoren kürzlich auf die Biologie von Enzymen und enzymähnlichen Molekülen – Chitinasen bzw. Chitinase-ähnliche Proteine – konzentriert. Von besonderem Interesse ist für die Forschenden ein Chitinase-ähnliches Protein, das als Chitinase 3-like-1 bezeichnet wird. Das Molekül kommt natürlicherweise im Blut vor. „Wir untersuchen diese Genfamilie hier an der Brown University seit einiger Zeit und wissen, dass sie eine große Anzahl biologischer Effekte hat und eine enorm wichtige Rolle sowohl in Gesundheit als auch in Krankheit spielt“, erklärt Koautor Prof. Chun Geun Lee, der sich mit molekularer Mikrobiologie und Immunologie beschäftigt.

Chitinase 3-like-1, so heißt es in einer Pressemitteilung der Brown University, ist der Grundstein für einen wichtigen Signalweg, der bei Verletzungen und Entzündungen aktiviert wird. Die Spiegel von Chitinase-3-like-1 im Blut steigen während einer Infektion an. Dies ist insbesondere bei Erkrankungen der Fall, die durch Entzündungen und Gewebeveränderungen gekennzeichnet sind – wie auch einige der Komorbiditäten, die Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf darstellen.

Interessanterweise, so Lee, sei auch gezeigt worden, dass der Chitinase-3-like-1-Spiegel während des normalen Alterungsprozesses ansteigt. Tatsächlich ist berichtet worden, dass die Chitinase-3-like-1-Konzentrationen im Blut der beste Prädiktor für die Gesamtmortalität bei Menschen im Alter von über 80 Jahren sind.

Die Forschenden hatten die Vermutung, dass sie einen Teil ihrer bereits geleisteten Forschungsarbeit zu dieser Genfamilie auch auf COVID-19 anwenden können. Sie beschlossen daher, die Beziehung zwischen Chitinase 3-like-1 und dem Rezeptor ACE2 zu untersuchen – dem Spike-Protein, an das SARS-CoV-2 bindet, um in menschliche Zellen einzudringen.

In einer Reihe von Untersuchungen verglichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wirkung von Chitinase 3-like-1 auf ACE2 sowie auf andere Protease-Enzyme, die das Spike-Protein metabolisieren und zur Infektion beitragen. Sie untersuchten diese Wechselwirkungen in der Lunge von Mäusen, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie überhöhte Chitinase-3-like-1-Spiegel aufwiesen. Ebenso wurden Mäuse mit einem Mangel an Chitinase-3-like-1 analysiert. Zudem untersuchten die Forschenden die Auswirkungen von Chitinase 3-like-1 auf menschliche Lungenepithelzellen im Labor.

Die Studienautorinnen und -autoren stellten fest, dass der Chitinase-3-like-1-Spiegel mit dem Alter, Begleiterkrankungen und Infektionen anstieg. Darüber hinaus erkannten sie, dass Chitinase 3-like-1 den Rezeptor, den SARS-CoV-2 zur Infektion von Zellen benötigt, stark stimuliert.

Auf der Grundlage dieser Entdeckung entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen humanisierten monoklonalen Antikörper namens FRG, der eine bestimmte Region von Chitinase 3-like-1 angreift. Dieser „therapeutische“ Antikörper sowie ein weiteres kleines Molekül blockierten die Induktion des ACE2-Rezeptors stark.

„Auf diese Weise kann das Virus also nicht in das Wirtssystem eindringen“, erklärt Hauptstudienautorin Dr. Suchitra Kamle, Forscherin auf den Gebieten molekulare Mikrobiologie und Immunologie sowie Antikörper-Engineering an der Brown University. „Das bedeutet, dass es in Gegenwart dieses therapeutischen BRD-Antikörpers weniger Infektionen geben wird.“ Diese Erkenntnisse könnten den Weg für die Entwicklung von Therapeutika ebnen, um Menschen vor Infektionen zu schützen, betont die Forscherin.

„Stellen Sie sich vor, dass man jemandem, der Kontakt zu einer infizierten Personen hatte, den Antikörper verabreicht – dieser wirkt dann wie eine Prophylaxe und verhindert eine Infektion oder mildert die von ihr ausgelösten Symptome ab.” Sie beschrieb noch ein weiteres mögliches Szenario, in dem man einer Person, die das Virus in sich trägt, den Antikörper oder das kleine Molekül verabreicht, das dann die Infektion stoppt und die Krankheit effektiv „heilt“.

„Wir zeigen in dieser Studie, dass Antikörper oder andere kleine Moleküle, die in der Lage sind Chitinase 3-like-1 zu hemmen, Therapeutika zur Kontrolle einer Virusinfektion darstellen können“, formuliert Elias.

Das Team untersucht derzeit, wie diese Antikörper und kleinen Moleküle mit verschiedenen Varianten des SARS-CoV-2-Virus reagieren, einschließlich der Delta-Variante.