Zi und KBV: Entwurf zu Digitalgesetz räumt Krankenkassen zu viel Kompetenz ein15. November 2023 Krankenkassen sollen Versicherte vor Gesundheitsgefahren warnen – auf fraglicher Datengrundlage. Grafik: Denys Rudyi – stock.adobe.com Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben Kritik an dem Regierungsentwurf für eine bessere Gesundheitsdatennutzung geübt. Insbesondere die Idee, dass die Krankenkassen Patienten vor Gesundheitsgefährdungen warnen sollen, trifft auf Protest. „Viel Licht, wenig Schatten, letzterer allerdings ist leider sehr dunkel – so lautet unser Fazit zum Gesetzentwurf der Bundesregierung“, kommentierte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. „Das darin formulierte Ziel, die im Forschungsdatenzentrum vorliegenden pseudonymisierten Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen schneller nutzbar zu machen, unterstützen wir ausdrücklich. Zudem begrüßen wir, dass pseudonymisierte Gesundheitsdaten zukünftig leichter zusammengeführt und repräsentative Daten aus der elektronischen Patientenakte für die Forschung bereitgestellt werden sollen.“ KBV-Vorstandsmitglied. Sibylle Steiner betonte: „Wir als KBV begrüßen grundsätzlich eine Digitalisierung, die die Versorgung besser macht, die Praxen entlastet und zusätzliche Kosten vermeidet.“ Mit der im Digital-Gesetz vorgesehenen Flexibilisierung der Telemedizin mache man zum Beispiel einen Schritt in die richtige Richtung. Wenn die Krankenkassen Alarm schlagen Das Vorhaben, die einzelnen Kranken- und Pflegekassen zu ermächtigen, auf Grundlage personenbezogener Daten das Risiko für das Vorliegen seltener Erkrankungen, Krebserkrankungen oder weiterer Gesundheitsgefährdungen ihrer Versicherten zu ermitteln, sehen Zi und KBV jedoch sehr kritisch. „Das ist ein klarer Eingriff in die Therapiehoheit von Ärztinnen und Psychotherapeuten und beschädigt das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis“, kritisierte Steiner. „Die medizinische und therapeutische Heilbehandlung ist eine originär ärztliche Aufgabe – und das muss sie unter allen Umständen bleiben!“ Das Zi bezweifelt aus wissenschaftlicher Sicht, ob Daten der Kranken- oder Pflegekassen überhaupt geeignet sind, um ein für diese Zwecke valides Prognosemodell zu entwickeln. Bisherige, auch KI-gestützte Modelle hätten nur zu einem sehr kleinen Anteil zutreffende Prognosen ergeben, mahnt das Institut. „Sehr viele Versicherte würden auf dieser Basis über ein Krankheitsrisiko unterrichtet, das gar nicht vorliegt. Das jetzige Vorgehen lässt völlig außer Acht, dass diese falsch positiven Ergebnisse die Versicherten unnötig beunruhigen“, so von Stillfried. Diese zögen zudem unnötige Untersuchungs- und Folgeleistungen nach sich. „Im umgekehrten Fall von falsch negativen Ergebnissen könnten sich diejenigen, die keine Warnmeldung erhalten, in falscher Sicherheit wiegen und möglicherweise sogar auf sinnvolle Krebsfrüherkennungsuntersuchungen verzichten.“ Wohin gehören die Abrechnungsdaten und wer soll sie nutzen? Auch die geplante Vorabübermittlung ungeprüfter Abrechnungsdaten an die Krankenkassen zur Weiterleitung an das Forschungsdatenzentrum bewertet das Zi kritisch. „Diese ist nicht nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand in den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen verbunden, sondern widerspricht darüber hinaus der guten Praxis der Sekundärdatenanalyse. Die Daten sind für gute wissenschaftliche Analysen und nicht zur Risikoprognose heranzuziehen. Damit wird vielmehr zusätzlicher Bedarf der Datenprüfung in Auswertungsanalysen generiert. Der Wissenschaft wird damit ein Bärendienst erwiesen“, begründet von Stillfried. Schließlich bemängelt das Zi noch, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen nach dem aktuellen Entwurf „zu reinen Datenlieferanten“ degradiert würden, dabei könnten diese die Abrechnungsdaten aus der ambulanten Versorgung verstärkt für ihre Aufgaben nutzen , wenn § 285 Absatz 1 SGB entsprechend erweitert würde. „Immerhin wird erwartet, dass Versorgungsdefizite frühzeitig erkannt werden und entsprechend gegengesteuert wird. Es ist überraschend, dass den Krankenkassen auf diesem Gebiet immer mehr Kompetenzen eingeräumt werden – im Vergleich zu den Körperschaften, die eine hochwertige ambulante Versorgung 24/7 planen, sicherstellen und laufend verbessern sollen“, so von Stillfried abschließend. (ms)
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