Zu viel Niacin erhöht das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten

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Warum haben manche Menschen auch ohne klassische Risikofaktoren wie einen hohen Cholesterinspiegel ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall? Ein internationales Forschungsteam fand einen Zusammenhang mit einer Überversorgung mit Niacin.

Niacin ist ein wichtiger Nährstoff, der auch als Vitamin B3 bekannt ist. Etwa 15 Milligramm sollten Erwachsene pro Tag zu sich nehmen. Bei einer ausgewogenen Ernährung ist man ausreichend versorgt. Da während der Zeit der Großen Depression in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings viele US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner an lebensbedrohlichen Mangelerscheinungen litten, wird dort seitdem und bis heute Mehl und Getreideprodukten Niacin zugesetzt. Durch die heute übliche Ernährung führt das inzwischen zu einer Überversorgung der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass Niacin und andere Stoffe, die im Körper zu den gleichen Abbauprodukten verstoffwechselt werden, als Nahrungsergänzungsmittel zum Anti-Aging frei verkäuflich sind.

Auf die Gefahren einer Überversorgung mit Niacin weist die aktuelle Studie in „Nature Medicine“ hin, die von einem Forschungsteam aus den USA und Deutschland unter Beteiligung von Prof. Arash Haghikia vorgenommen wurde. Haghikia war an den Arbeiten während seiner Tätigkeit an der Charité, Universitätsmedizin Berlin, beteiligt und ist nun Direktor der Klinik für Kardiologie im St. Josef Hospital, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.

Auf der Suche nach unentdeckten Risikofaktoren

Um herauszufinden, welche bislang unentdeckten Risikofaktoren eine Rolle für Herz- und Gefäßerkrankungen spielen könnten, analysierte das Forschungsteam Blutproben von mehr als 1000 Patientinnen und Patienten, die eine Herzerkrankung hatten. Sie suchten kleine Moleküle, deren Spiegel die Wahrscheinlichkeit von Herz- und Gefäßkrankheiten unabhängig von traditionellen Risikofaktoren vorhersagen konnten. Zwei Moleküle waren besonders auffällig. Weitere Analysen ergaben, dass es sich dabei um die Substanzen 2PY und 4PY handelte: beides Stoffwechselendprodukte von überschüssigem Niacin.

Die Forschenden gingen dem Zusammenhang weiter auf den Grund und fanden heraus, dass der Weg vom hohen 2PY- und 4PY-Spiegel zum erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen über entzündliche Prozesse der Gefäße verläuft.

„Paradoxerweise kann Niacin den Cholesterinspiegel senken und wurde in der Vergangenheit als Cholesterinsenker in klinischen Studien getestet, führte aber dadurch nicht wie zu erwarten zu einer Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, schildert Haghikia. „Die Zusammenhänge sind also komplex, und unsere Erkenntnisse passen gut zu diesem Paradox.“