Zucker aus gesüßten Getränken besonders problematisch für die Herz-Kreislauf-Gesundheit19. Dezember 2024 Symbolfoto: ©PhotoSG/stock.adobe.com Eine groß angelegte schwedische Studie legt nahe, dass der Konsum von gesüßten Getränken das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht, ein begrenzter Verzehr von Süßigkeiten jedoch nicht. Was ist dran? Gerade zur Weihnachtszeit lauern die Zuckerfallen überall: Ein Lebkuchen auf der Arbeit, ein selbstgebackenes Plätzchen bei der Oma, ein zuckergesüßter Punsch am Glühweinstand und zu Hause noch ein Biss vom Schokonikolaus. Dass ein hoher Zuckerkonsum ungesund ist, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Ob die Art des Zuckerkonsums einen Unterschied für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielt, untersuchten nun Forscher von der Universität Lund (Schweden). Dabei entdeckten sie nicht nur, dass eine insgesamt hohe Aufnahme von gezuckerten Produkten schädlich für das Herz-Kreislauf-System ist. Ihren Ergebnissen zufolge ist der Konsum von Süßgetränken schlechter für die Gesundheit als der Verzehr von Zucker in Lebensmitteln wie Brotaufstrichen oder Süßigkeiten. Der vollständige Verzicht auf Zucker war hingegen mit schlechteren Ergebnissen verbunden als das gelegentliche Naschen von Süßigkeiten. Kohortenstudie mit fast 70.000 Schwedinnen und Schweden Die Wissenschaftler um Suzanne Janzi, Doktorandin an der Universität Lund und korrespondierende Autorin des Artikels in „Frontiers in Public Health“, wollten verstehen, wie sich der Zuckerkonsum auf das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt und ob der Konsum verschiedener Zuckerarten dieses Risiko verändert. Dazu sammelten sie Daten aus zwei großen Kohortenstudien: der schwedischen Mammographie-Kohorte und der Kohorte schwedischer Männer. Unter Berücksichtigung verschiedener Ein- und Ausschlusskriterien erhielten sie eine Stichprobe von 69.705 Teilnehmern (Alter 45–83 Jahre; 47,2 % weiblich). Diese hatten sowohl 1997 als auch 2009 Fragebögen zur Ernährung ausgefüllt, die es den Wissenschaftlern ermöglichten, die Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmer über einen längeren Zeitraum zu beurteilen. Janzi und Kollegen teilten den Zuckerkonsum in drei Kategorien ein: süße Aufstriche wie Honig und Marmelade, Naschwaren wie Gebäck, Eiscreme und Schokolade, sowie gesüßte Getränke (alle gesüßten Limonaden und Fruchtgetränke, jedoch keine reinen Fruchtsäfte). Mit Blick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit werteten sie die Daten auf 7 verschiedene Erkrankungen aus: zwei verschiedene Arten von Schlaganfällen, Herzinfarkte, Herzinsuffizienz, Aortenaneurysmen, Vorhofflimmern und Aortenstenose. Die Teilnehmer wurden so lange beobachtet, bis sie starben, eine der Herz-Kreislauf-Erkrankungen diagnostiziert wurde oder das Ende des Nachbeobachtungszeitraums im Jahr 2019 erreicht war. Während dieses Zeitraums wurde bei 25.739 Teilnehmern eine Herz-Kreislauf-Erkrankung diagnostiziert (6912 ischämische und 1664 hämorrhagische Schlaganfälle, 6635 Herzinfarkte, 10.090 Herzinsuffizienz-Ereignisse, 1872 Aortenstenosen, 13.167 Personen mit Vorhofflimmern und 1575 mit Bauchaortenaneurysma). Die Wissenschaftler nutzten diese Daten, um aufzuschlüsseln, wie sich die verschiedenen Arten des Zuckerkonsums auf das Risiko für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken. Zucker in flüssiger Form besonders problematisch Sie fanden heraus, dass der Konsum von Süßgetränken schlechter für die Gesundheit ist als jede andere Form von Zucker: Der Konsum von mehr gesüßten Getränken erhöhte das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und ein Bauchaortenaneurysma deutlich. „Flüssiger Zucker, wie er in gesüßten Getränken vorkommt, sättigt in der Regel weniger als feste Formen – man fühlt sich weniger satt, was zu übermäßigem Konsum führen kann“, erklärt Janzi. Auch der Kontext spielt ihr zufolge eine Rolle: „Leckereien werden oft in geselliger Runde oder zu besonderen Anlässen genossen, während gesüßte Getränke eher regelmäßig konsumiert werden.“ Die Auswertung der Wissenschaftler ergab außerdem, dass verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch einen erhöhten Zuckerkonsum unterschiedlich beeinflusst wurden. Sie führen dies darauf zurück, dass der zusätzliche Zuckerkonsum das individuelle Risikoprofil der Teilnehmer unterschiedlich beeinflusst. So erhöhte ein verstärkter Zuckerkonsum im Allgemeinen das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall und ein Bauchaortenaneurysma sowie das Risiko für eine Herzinsuffizienz bei Teilnehmern mit einem normalen Body-Mass-Index. Gegelegentliche Naschereien besser als Zuckerverzicht? Überraschenderweise ergaben sich in der Studie die höchsten Risiken für eine negative gesundheitliche Auswirkung in der niedrigsten Verzehrskategorie für Süßigkeiten. Der gelegentliche Verzehr von Süßigkeiten wurde mit besseren Ergebnissen in Verbindung gebracht als der Verzicht auf Süßigkeiten. „Dies könnte das zugrunde liegende Ernährungsverhalten widerspiegeln – Personen, die sehr wenig Zucker konsumieren, könnten sich sehr restriktiv ernähren oder den Zuckerkonsum aufgrund bestehender gesundheitlicher Probleme einschränken“, vermutet Janzi. „Unsere Beobachtungsstudie kann zwar keinen Kausalzusammenhang herstellen, aber die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein extrem niedriger Zuckerkonsum für die kardiovaskuläre Gesundheit möglicherweise nicht notwendig oder vorteilhaft ist.“ Ähnliche Vermutungen wurden in der Vergangenheit auch zum Alkoholkonsum gemacht, wonach geringe Mengen Alkohol förderlich für die Gesundheit seien – im Nachgang stellte sich dies jedoch als Trugschluss heraus. Heutzutage empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, auf Alkohol zu verzichten. Ob der Fall beim Zuckerkonsum ähnlich gelagert ist, werden weitere Studien zeigen müssen. Auch die Autoren der aktuellen Studie sehen weiteren Forschungsbedarf, um die Mechanismen zu verstehen, die an den unterschiedlichen Auswirkungen der verschiedenen Arten des Zuckerkonsums beteiligt sind. Weiterhin betonen sie, dass die Ernährung in hohem Maße demografisch und kulturell bedingt ist. „Unsere Ergebnisse basieren auf einer schwedischen Bevölkerung, deren Ernährungsgewohnheiten und Lebensstilfaktoren sich von denen anderer Populationen unterscheiden können“, so Janzi. Besonders relevant sei in diesem Zusammenhang der schwedische Brauch der „fika“ – regelmäßige Kaffee- und Kuchenpausen, die in der schwedischen Kultur tief verwurzelt sind. Die Ergebnisse lassen sich daher möglicherweise nicht direkt auf andere Bevölkerungsgruppen mit anderen Essgewohnheiten übertragen, heben sie hervor. Wissenschaftsbündnis fordert mehr politische Anstrengungen Zur Studie äußerte sich auch die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) – ein Wissenschaftsbündnis aus 22 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen. Das Bündnis hält es für „äußerst kritisch“ die Studie dahingehend zu interpretieren, bestimmte Süßigkeiten könnten das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Nicht nur könnten Beobachtungsstudien wie diese keine kausalen Zusammenhänge nachweisen, sie seien auch anfällig für Verzerrungen durch Drittvariablen. DANK-Sprecherin Barbara Bitzer spekuliert, Faktoren wie ein insgesamt gesünderer Lebensstil, bereits vorhandene Erkrankungen oder Verhaltensmuster könnten möglicherweise eine Rolle spielen. Die Studie würde jedoch den wissenschaftlichen Konsens bestätigen: Zuckerhaltige Getränke erhöhen signifikant das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In diesem Zusammenhang wiederholt Bitzer die zentralen DANK-Forderungen nach Maßnahmen, die den Konsum dieser gesundheitsschädlichen Produkte reduzieren bzw. die Hersteller dazu animieren, die Rezepturen gesünder zu gestalten. Beispielsweise durch eine Herstellerabgabe auf zuckerhaltige Getränke und strikte Beschränkungen für Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet. Schließlich begrüßt DANK den Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel von sieben Prozent auf fünf Prozent zu senken. „Idealerweise sollten allerdings gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchte komplett von der Mehrwertsteuer befreit und die besonders gesundheitsschädlichen stark gesüßten Getränke im Gegenzug mit einer Herstellerabgabe belegt werden. Das ist ein wichtiger Schritt, gesunde Ernährung für alle erschwinglicher zu machen und den Zugang zu gesunden Lebensmitteln zu erleichtern“, so Bitzer. (ah)
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