Zuckerkonsum in den ersten 1000 Tagen beeinflusst Gesundheit im Erwachsenenalter

Wie viel Zucker eine Schwangere zu sich nimmt, beeinflusst nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch die ihres Kindes. (Foto: © Maridav – stock.adobe.com)

Die Rationierung von Zucker in den ersten Lebensmonaten nach Zeugung senkt das Risiko für Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck und verzögert den Ausbruch der Krankheiten um vier beziehungsweise zwei Jahre. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die in „Science“ veröffentlicht wurde.

Die Studie wurde von drei Ökonomen aus den USA und Kanada durchgeführt, die für ihre Analyse quasi-experimentelle Daten aus dem Ende der Zuckerrationierung Anfang der 1950er-Jahre im Vereinigten Königreich nutzten. Als der Zucker nach dem Zweiten Weltkrieg rationiert wurde, konsumierten die Menschen durchschnittlich bis zu 40 Gramm freien zugesetzten Zucker pro Tag. Diese Menge entspricht in etwa der aktuellen Ernährungsempfehlung der WHO von höchstens 50 Gramm freiem Zucker pro Tag.

Nach Aufhebung der Rationierung stieg der Zuckerkonsum der britischen Bevölkerung drastisch an und verdoppelte sich fast schlagartig. Die Forschenden untersuchten die Gesundheitsdaten der UK Biobank von 60.183 Erwachsenen, die wenige Jahre vor bis wenige Jahre nach dem Ende der Rationierung gezeugt wurden (Oktober 1951 bis März 1956). Für die Auswertung konzentrierten sie sich auf den Einfluss von Zucker während der ersten 1000 Tage ab Zeugung des Kindes: die Entwicklung des Fötus in der Schwangerschaft sowie die ersten 24 Lebensmonate. Durch die nahezu schlagartige Änderung im Zuckerkonsum der Bevölkerung konnten sie auch Personen untersuchen, deren Zeugung noch zu Zeiten der Zuckerrationierung stattfand, diese aber als Kleinkind bereits höheren Mengen an Zucker ausgesetzt waren. Die Auswertung ergab, dass die Rationierung in den ersten 1000 Tagen das langfristige Diabetesrisiko um etwa 35 und das Bluthochdruckrisiko um etwa 20 Prozent senkte.

Der tatsächliche Zuckerkonsum in Deutschland liegt laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bei 33,2 Kilogramm pro Kopf und pro Jahr. Das entspricht ungefähr 91 Gramm pro Tag. Dementsprechend konsumieren die Menschen und vermutlich auch Schwangere in Deutschland deutlich mehr Zucker als von der WHO empfohlen. Weniger Zucker zu konsumieren kann aber nicht nur individuell, sondern auch gesundheitspolitisch adressiert werden: Eine wirksame Maßnahme ist zum Beispiel eine Zuckersteuer, die bereits in über 40 Ländern eingeführt wurde und von Forschenden auch für Deutschland befürwortet wird. Andere Maßnahmen wären zum Beispiel Kennzeichnungen auf Lebensmittelverpackungen wie der Nutri-Score, Anpassungen des Lebensmittelangebots in öffentlichen Einrichtungen, die Veränderung von Lebensmittelrezepturen und die Einschränkung von Werbung für zuckerreiche Lebensmittel für Kinder.

DANK fordert: Kindergesundheit endlich politisch ernstnehmen

„Die Ergebnisse sind alarmierend und verdeutlichen die Dringlichkeit des politischen Handelns. Wir brauchen ein Umfeld, das es allen Menschen in Deutschland ermöglicht, sich gesund zu ernähren, ganz besonders während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren. Die Politik ist in der Pflicht, endlich gesetzliche Regelungen einzuführen, die die gesunde Wahl zur einfachen Wahl macht“, kommentierte Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), die Ergebnisse der Studie.

Freiwillige Maßnahmen der Industrie seien krachend gescheitert, die Nationale Reduktionsstrategie bleibe hinter den selbstgesteckten Zielen zurück und Appelle an die Eigenverantwortung allein reichten nicht aus, um den besorgniserregenden Anstieg von Übergewicht und den damit verbundenen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung zu stoppen, erklärte die DANK. Dringend notwendig seien vielmehr verbindliche Beschränkungen der Werbung für ungesunde Lebensmittel, wenn sie sich an Kinder richtet sowie die Einführung einer Herstellerabgabe auf stark zuckerhaltige Getränke und eine steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel.

„Die Studie unterstreicht wieder einmal die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes zur Verbesserung der Gesundheitssituation in Deutschland. Ein gesundes Aufwachsen unserer Kinder sollte der Politik mehr wert sein als die monetären Interessen der Lebensmittel- und Werbeindustrie. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, endlich als ersten Schritt Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor schädlichen Werbeeinflüssen zu ergreifen. Ein entsprechender Vorschlag liegt seit über einem Jahr auf dem Tisch und muss dringend verabschiedet werden“, forderte Bitzer im Namen der DANK.