Zugang zu Lungentransplantationen: Studie deutet auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern hin

In einer französischen Untersuchung mussten Frauen im Mittel 115 Tage auf eine Lungentransplantation warten, Männer hingegen nur 73 Tage. (Abbildung: © W.O.W/stock.adobe.com)

Frauen erhalten seltener eine Lungentransplantation und stehen durchschnittlich sechs Wochen länger auf der Warteliste für einen solchen Eingriff. Das zeigt eine kürzlich publizierte Studie.

Aus der Veröffentlichung geht aber auch hervor, dass Frauen, die eine Lungentransplantation erhalten, nach nach dem Eingriff häufiger als Männer noch fünf Jahre überleben. Auf Grundlage ihrer Erkenntnisse fordern die verantwortlichen Autoren, dass Regulierungen und klinische Richtlinien modifiziert werden, damit dieses Ungleichgewicht beseitigt wird.

Der leitende Autor der Studie, Dr. Adrien Tissot vom Universitätsklinikum Nantes (Frankreich) erklärt: „Es ist wichtig zu verstehen, dass Menschen auf der Warteliste für eine Transplantation eine sehr schlechte Lebensqualität haben: Manchmal geht es ihnen nicht einmal so gut, dass sie das Haus verlassen können, und sie besitzen ein hohes Mortalitätsrisiko. Für diese Patienten bedeutet das Warten, dass sie leiden – und je länger sie warten müssen, desto mehr leiden die betroffenen Frauen.“

Die Studie umfasste 1710 Teilnehmer – 802 Frauen und 908 Männer –, die zwischen 2009 und 2018 in einem der zwölf Transplantationszentren in Frankreich versorgt wurden. Die Patienten wurden für etwa sechs Jahre lang nach der Transplantation nachbeobachtet. Die wichtigsten Grunderkrankungen, an denen die Betroffenen litten, waren eine Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Mukoviszidose und interstitielle Lungenerkrankungen. Laut den Autoren handelt es sich bei dieser Studie um die erste, die alle drei Phasen des Transplantationsverlaufs in derselben Patientengruppe analysiert: die Zeit auf der Warteliste vor der Transplantation, die Operation selbst und die Zeit unmittelbar danach sowie die Monate und Jahre nach dem Eingriff.

Die Analyse ergab, dass Frauen im Durchschnitt 115 Tage auf eine Lungentransplantation warten mussten, Männer dagegen nur 73 Tage. Frauen erhielten auch seltener eine Lungentransplantation (91,6% versus 95,6%). Ältere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Frauen auch häufiger versterben, während sie noch auf der Warteliste stehen.

Nach der Transplantation erwies sich die Überlebensrate bei Frauen höher als bei Männern: 70 Prozent der weiblichen Empfängerinnen lebten fünf Jahre nach der Transplantation noch, verglichen mit nur 61 Prozent der männlichen Transplantierten.

Keine schlechteren Überlebensraten bei Transplantat eines größeren Spenders

Die Forschenden fanden auch heraus, dass die meisten Frauen ein von einer Frau gespendetes Transplantat erhielten beziehungsweise eines von einer Person gleicher Körpergröße. Nach Angaben der Studienautoren ist dies von Bedeutung, weil es eine größere Anzahl männlicher Spender gibt (56% der Spender) und Männer im Durchschnitt 13 cm größer sind als Frauen. Das bedeutet, dass Frauen möglicherweise länger auf eine Lungentransplantation von einem Empfänger mit gleicher Körpergröße warten müssen. Frauen, die eine „übergroße“ Lunge erhielten, hatten nach der Transplantation im Allgemeinen keine schlechtere Überlebensrate, was die Schlussfolgerung zulässt, dass es möglich sein könnte, mehr Frauen mit Transplantaten von männlichen Spendern zu versorgen. Dies könnte einige der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf der Warteliste beheben.

„Ärzte, Patienten und politische Entscheidungsträger müssen diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern erkennen, da dies für die Ergreifung geeigneter Maßnahmen unerlässlich ist“, sagt Tissot. „Eine frühzeitige Aufnahme von Frauen in die Warteliste oder eine Überarbeitung der Allokationsrichtlinien für Spenderlungen könnten in Betracht gezogen werden.“ Der Mediziner ergänzt: „Wir glauben, dass unsere Erkenntnisse, wie die mögliche Rolle der Größenanpassung und ihre Folgen für den Zugang zu Lungentransplantationen und die Wartezeit auf der Warteliste, auch in anderen Ländern gelten können, in denen Lungentransplantationen durchgeführt werden.“

Dr. Michael Perch vom Rigshospitalet in Kopenhagen (Dänemark) leitet die Arbeitsgruppe Lungentransplantation der European Respiratory Society und kommentierte die aktuelle Studie in dieser Funktion wie folgt: „Das Verständnis der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei Transplantationen ist ein entscheidender erster Schritt, um die Patientenversorgung für Frauen zu verbessern und um die Zeit zu verkürzen, die sie auf der Warteliste verbringen. Es könnte mehrere Gründe dafür geben, dass Frauen im Durchschnitt sechs Wochen länger warten als Männer – darunter Unterschiede in Bildung und Gesundheitskompetenz, sozioökonomische Unterschiede, immunologische Faktoren und die Übereinstimmung der Größe von Spender und Empfänger.“ Perch fährt fort: „Ärzte und politische Entscheidungsträger müssen sich fragen, warum bei Transplantationen der Schwerpunkt auf Geschlecht und Größe gelegt wird, wenn es Evidenz dafür gibt, dass diese Faktoren bei Lungen nicht die Überlebenschancen einer Frau bestimmen und es letztlich das Risiko birgt, dass mehr Frauen während des Wartens auf eine Transplantation versterben. Es ist inakzeptabel, dass Frauen länger als Männer auf diese lebensrettenden Spenden warten müssen, daher brauchen wir wirksame Korrekturmaßnahmen.“