Zwist um DKG-Analyse zur Krankenhausreform

Die Krankenhausreform trifft auf viel Gegenwind – aber auch das DKG-Konzept bleibt nicht unwidersprochen, Foto: Song_about_summer – stock.adobe.com

Die Auswirkungsanalyse der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu der geplanten Krankenhausreform hat ein breites Echo erzeugt. Dabei reicht die Einschätzung des Kommissionsvorschlags einerseits und des DKG-Konzeptes andererseits von Zustimmung bis zu Ablehnung.

„Das DKG-Gutachten übertrifft meine Befürchtungen noch“, kommentierte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der sich auf Grundlage eines eigenen Gutachtens bereits vehement gegen die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach propagierte Reform gewehrt hat (wir berichteten). Er erneuerte die Forderung nach einem Krankenhaus-Gipfel mit Bund, Ländern und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): „Es wird Zeit, dass der Bundesgesundheitsminister mit allen Betroffenen redet, anstatt über ihre Köpfe hinweg zu planen oder den Auswirkungen einer aktuell schlecht gemachten Reform freien Lauf zu lassen”, so Holetschek

Der Minister erklärte: „Das DKG-Gutachten kommt zu dem Schluss, dass bei unveränderter Umsetzung des Vorschlags der Regierungskommission über 90 der rund 300 somatischen Krankenhäuser in Bayern durch die Reformpläne auf das sogenannte Level Ii herabgestuft würden. Das bedeutet, sie könnten künftig nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung anbieten, zum Beispiel bei Diabetes- oder Kreislaufproblemen. An diesen Häusern könnten keine Notfallversorgung und keine reguläre stationäre Versorgung mehr stattfinden. Das DKG-Gutachten kommt damit zum Ergebnis, dass fast jedes dritte somatische Krankenhaus kein vollwertiges Krankenhaus mehr wäre. Das ist ein atemberaubend schlechtes Zeugnis für die Reformvorschläge und zeigt, wie dringend hier Überarbeitungen notwendig sind.“ Als weiteren wunden Punkt nannte er die interventionelle Kardiologie: „Nur 41 von 106 Standorten blieben nach der Erhebung der DKG übrig. Niemand kann mir erzählen, dass es eine Verbesserung ist, wenn nur noch etwas mehr als ein Drittel der Kliniken für diese Behandlungen übrigbleibt.“

Bedürfnisse des Krankenhaus-Personals berücksichtigen

Für Holetschek droht Deutschland “ein Klinik-Kahlschlag, der die medizinische Versorgung der Menschen massiv gefährdet. Die Reformpläne dürfen auf keinen Fall eins zu eins umgesetzt werden. Alles andere wäre eine mutwillige Zerstörung der deutschen Krankenhauslandschaft.“ Er ergänzte: „Was mir überdies in all den Reformbestrebungen zu kurz kommt, sind die Bedürfnisse des Krankenhaus-Personals. Wir dürfen die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, die Arbeitsbedingungen massiv zu verbessern. Denn es ist wichtig, dass der Pflege-Beruf noch attraktiver wird. Die Reform nützt nichts, wenn niemand mehr im Krankenhaus arbeiten möchte.“

Diesen Aspekt betonte naturgemäß auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Die 1. Vorsitzende Dr. Susanne Johna kommentierte: „Die Reform der Krankenhausversorgung wird nur gelingen, wenn sie von realistischen Annahmen ausgeht und die Folgen von Strukturveränderungen klar im Blick behält. Die (…)  Auswirkungsanalyse (…) zeigt, dass bei allen weiteren Überlegungen die Versorgungssicherheit im Vordergrund stehen muss. Das gilt nicht allein für die Geburtshilfen, deren Standorte bei strenger Anwendung der Reformkriterien um mehr als 50 Prozent ausgedünnt würden. Das gilt für alle Leistungen, die flächendeckend in erreichbarer Nähe zur Verfügung stehen müssen.“

Dabei sieht Johna die Arbeitsbedingungen des Personals als zentralen Faktor: „Wir wollen keine Wartelistenmedizin, wie es sie in anderen europäischen Ländern gibt, wo Patienten mitunter ein Jahr auf eine planbare Operation warten müssen. Eine Neustrukturierung der Krankenhausversorgung im Sinne einer qualitativ hochstehenden Patientenversorgung ist wichtig und braucht gut ausgestattete Krankenhäuser und gute Arbeitsbedingungen für das dort tätige Personal. Die sinnvolle Einführung von Vorhaltepauschalen muss unabhängig von der Anzahl der behandelten Patienten sein, um nicht erneute Mengenanreize zu setzen. Auch die Möglichkeit, durch Telemedizin Spezialkenntnisse in die Fläche zu bringen, muss bei allen Überlegungen zur Krankenhausreform berücksichtigt werden.“

Johna gab zu bedenken, dass Krankenhäuser in Zeiten des Fachkräftemangels noch mehr als bisher um qualifiziertes Personal würden werben müssen. „Weite Anfahrtswege, befristete Beschäftigungsverhältnisse und eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind kein Anreiz für den Arbeitsplatz Krankenhaus. Jedes Reformkonzept muss auch die Weiterbildung als zentrale Voraussetzung für die Qualifikation der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte abbilden. Wer mehr Mobilität von Beschäftigten erwartet, muss bereit sein, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Am Ende steht und fällt die Versorgung mit den Menschen, die sie Tag für Tag leisten.“

kkvd: Konzept der bundeseinheitlichen Versorgungs-Level “realitätsfremd”

Für realitätsfremd hält auch der Katholische Krankenhausverbands Deutschlands (kkvd) den Kommissionsvorschlag zur Klinikreform, insbesondere das Konzept von bundeseinheitlichen Versorgungs-Leveln, das laut DKG-Analyse dramatische Auswirkungen auf die Versorgung hätte. Der Verband fordert in einer aktuellen Mitteilung, „diesen Irrweg zu verlassen“ und sich stattdessen bei der Reform auf die Einführung von Leistungsgruppen zu konzentrieren, die mit Mindeststrukturvorgaben die Qualität sichern.

Für kkvd-Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin „konterkarieren die Level das von Bundesgesundheitsminister Lauterbach selbst ausgegebene Ziel, dass die Menschen mit der Reform überall schnell und gut versorgt werden sollen. Dieser maßlose Abbau an den Klinikstrukturen kann nicht gewollt sein. Minister Lauterbach muss nun Farbe bekennen, wo seine Prioritäten bei der geplanten Reform wirklich liegen, beim Strukturabbau oder bei einer besseren Versorgung der Menschen.“ Bei den freigemeinnützigen Häusern, unter die die katholischen Einrichtungen fallen, würden laut DKG-Gutachten aber knapp 70 Prozent der Standorte zu regionalen Gesundheitszentren herabgestuft, die als Level 1i-Einrichtungen faktisch keine Krankenhausleistungen mehr erbringen dürften.

Wie der bayerische Gesundheitsminister fordert auch Rümmelin, „dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach endlich alle Akteure einschließlich der Krankenhäuser mit in die Beratungen einbezieht. Nur so ist es möglich, praxistaugliche Lösungen für einen Strukturwandel zu finden, von dem auch die Patientinnen und Patienten profitieren. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Dazu gehört eine an Leistungsgruppen orientierte Krankenhausplanung, die vor Ort durch die Länder gemacht wird. Mit einheitlichen Mindeststrukturvorgaben sichern solche Leistungsgruppen die Qualität. (…) Zudem darf bei der Reform auch der Erhalt der Trägervielfalt nicht aus dem Blick geraten, denn sie sichert einen gesunden Wettbewerb um Qualität und Innovationen“, so Rümmelin abschließend.

Kassen sehen keinen Kahlschlag und befürworten bundeseinheitliche Standards

Die Verteidiger des Kommissionsplans kommen von Kassenseite. Der GKV-Spitzenverband sieht die bundeseinheitlichen Vorgaben als Pluspunkt: Die geplante Krankenhausreform berge die Chance, zukünftig bundesweit die Versorgungsqualität auf gleiche Standards zu heben und die Leistungserbringung neu zu strukturieren.

„Damit die Krankenhausversorgung in Stadt und Land auch morgen noch gut ist und qualitativ besser wird, müssen wir jetzt die Veränderungen gemeinsam angehen. Dafür müssen Bund und Länder, Krankenhäuser und Krankenkassen an einem Strang ziehen“, so Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. „Die Definition bundesweit gültiger Versorgungsleistungen ist der richtige Einstieg in die Krankenhausreform. Wir sorgen damit für einheitliche Standards und verabschieden uns von Gelegenheitsversorgung und Doppelvorhaltungen. Die eigene Überlebenswahrscheinlichkeit darf nicht länger davon abhängen, ob eine Krebserkrankung in einem zertifizierten Zentrum behandelt wird oder nicht. Wir müssen jetzt damit beginnen, eine qualitätsgesicherte und bedarfsgerechte Krankenhausstruktur für die Patientinnen und Patienten aufzubauen“, ergänzt Stoff-Ahnis.

Die DKG-Auswirkungsanalyse zeigt nach GKV-Auffassung, „dass das Konzept der Regierungskommission weitreichende Auslegungsspielräume bietet“. Der Verband fordert eine erneute, gemeinsame Auswirkungsanalyse. „Wir erwarten von allen Akteuren die Bereitschaft zur Veränderung. Die Versorgungsstrukturen müssen so umgewandelt werden, dass sie den Patientinnen und Patienten in der jeweiligen Versorgungssituation dienen. Dass der Status quo – nachweisbare Qualitätsunterschiede bei steigenden Kosten – keine Option ist, sollte allen klar sein“, betont der GKV-Spitzenverband.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, widerspricht dem bayerischen Gesundheitsminister direkt: „Von einem Kahlschlag der Krankenhaus-Landschaft durch die Reform kann (…) keine Rede sein.“ Die DKG-Analyse zeige lediglich, dass sich die Patientenströme durch die „medizinisch sinnvolle Konzentration von Leistungen“ ändern würden.

„Wichtig ist es, jetzt das große Reformziel der qualitätsorientierten Modernisierung der Krankenhaus-Strukturen im Auge zu behalten“, betonte Reimann. „Daher begrüßen wir es, dass sich auch die DKG in ihrem Papier für effizientere Strukturen ausspricht. Einig sind wir uns mit der DKG auch darüber, dass die Definition von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen sinnvoll ist und eng mit der geplante Neuregelung der Vorhaltefinanzierung zu koppeln ist. (…) Die Versorgungsstufen sollten aus unserer Sicht dagegen nicht überbetont werden.“

Beim Thema Finanzierung gehen die Vorstellungen von DKG und AOK allerdings deutlich auseinander. „Wir teilen zwar die Auffassung der DKG, dass die Krankenhausreform nur mithilfe umfangreicher, von der öffentlichen Hand zu tragender Investitionen gelingen kann. Die Vorschläge der DKG zur Vorhaltefinanzierung sind aber unnötig kompliziert und würden zusätzliche Bürokratie schaffen. Insbesondere die Regelung der Vorhaltefinanzierung über die Budgetverhandlungen auf der Ortsebene ist keine gute Idee, denn das birgt unendlich viel Konfliktpotenzial. Zudem wird nicht deutlich, wie die DKG die medizinisch fragwürdige Ausweitung der Fallzahlen aus wirtschaftlichen Gründen eindämmen will. Hier weisen die Reformvorschläge der Regierungskommission genau den richtigen Weg: Die Finanzierung der Krankenhäuser sollte künftig auf die Modernisierung einzahlen und fragwürdige Mengenanreize durch fallunabhängige Vergütungskomponenten absenken. Qualitäts-, Planungs- und Finanzierungsfragen müssen gemeinsam betrachtet werden.“

(ms)

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Quellen Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und PflegeMarburger BundkkvdGKV-SpitzenverbandAOK-Bundesverband