Zytomegalievirus: Infektion im ersten Lebensjahr erhöht späteres Tuberkuloserisiko

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Eine neue Studie von Forschenden der Boston University School of Public Health und der University of Cape Town hat ergeben, dass Säuglinge mit ZytomegalievirusInfektion ein deutlich erhöhtes Risiko besitzen, später in der Kindheit an Tuberkulose zu erkranken.

Tuberkulose (TB) gehört zu den zehn häufigsten Ursachen für Kindersterblichkeit weltweit, und Kinder haben das höchste Risiko, in den ersten Lebensjahren daran zu erkranken. Eine Hypothese für dieses erhöhte TB-Risiko im frühen Leben ist eine durch Virusinfektionen induzierte veränderte Immunität. Zwar haben einige Studien einen möglichen Zusammenhang zwischen TB und einer Infektion mit dem Zytomegalievirus (CMV) hingedeutet, doch wurden bisher keine großen, bevölkerungsbasierten Untersuchungen mit langfristiger Nachbeobachtung durchgeführt, wie es in einer Pressemitteilung der Boston University School of Medicine heißt.

Eine nun von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Boston University School of Public Health (BUSPH) in den USA und der University of Cape Town (Südafrika) in „The Lancet Global Health“ veröffentlichte Studie hat ergeben, dass Babys, die im ersten Lebensjahr mit CMV infiziert waren, nach dem ersten Lebensjahr mehr als dreimal häufiger an einer TB erkranken als Kinder ohne vorherige CMV-Infektion.

Schwangere, die während der Schwangerschaft eine CMV-Infektion erleiden, können das Virus an ihre Babys weitergeben. Bei diesen kommt es gelegentlich zu schweren Komplikationen wie Hörverlust, neurologischen Defizite oder Tod.

Die Ergebnisse der neuen Studie deuten darauf hin, dass CMV das Immunsystem von Babys schwächen kann, was zu einem höheren Risiko für die Entwicklung einer TB über das 1. Lebensjahr hinaus führt.

„CMV ist ein wenig erforschter Krankheitserreger, und wir wissen nicht viel über seine Übertragung sowie über seine immunologischen und allgemeinen Auswirkungen“, erklärt Studienleiter Dr. Leonardo Martinez, Assistenzprofessor für Epidemiologie an der BUSPH. „Kleine Kinder, die in den ersten Lebensmonaten eine CMV-Infektion erwerben, können durch die Exposition gegenüber dem Virus immunologisch beeinträchtigt werden, auch wenn sie klinisch nicht betroffen sind, was sie einem höheren Risiko für andere Erkrankungen wie Tuberkulose aussetzt. Das war die Hypothese, die wir in dieser Studie testen wollten.“

Die Untersuchung ist Teil der multidisziplinären Drakenstein Child Health Study und laut den Forschenden die erste Geburtskohortenstudie, in der die potenziellen Verbindungen zwischen einer CMV-Infektion und der nachfolgenden Entwicklung einer TB untersucht wurde. In der bevölkerungsbasierten Studie, die in der Region um Kapstadt durchgeführt wurde, beobachteten die Autorinnen und Autoren ab dem Jahr 2012 etwa 1000 schwangere Frauen und deren Kinder. Die Forschenden testeten die Kinder bei der Geburt auf eine CMV-Infektion, ebenso wie im Alter von drei und sechs Wochen und noch einmal im Alter von drei, sechs, zwölf und 24 Monaten. Die Kinder wurden dann für einen Median von 6,9 Jahren und bis zum Alter von 9 Jahren auf eine TB-Erkrankung hin nachbeobachtet.

In ihrem ersten Lebensjahr wurden 42 Prozent der Säuglinge positiv auf CMV getestet. Dabei war die Wahrscheinlichkeit bei Babys, die gestillt wurden, höher. Die Forscher schätzten, dass 48 Prozent der TB-Fälle unter Kindern im Alter von mehr als zwölf Monaten auf eine CMV-Infektion vor Erreichen des ersten Lebensjahres zurückzuführen waren. Insbesondere Kinder mit einer hohen CMV-Viruslast hatten ein noch höheres TB-Risiko, was auf einen „Dosis-Wirkungs-Effekt“ hinweise, erläutert Martinez.

Laut Dr. Heather Zar, leitende Forscherin der Drakenstein Child Health Study und Studienleiterin und Vorsitzende der Abteilung für Pädiatrie und Kindergesundheit an der Universität von Kapstadt, hat das Forschungsteam in der Studienpopulation „einige der höchsten TB-Raten unter Kindern weltweit beobachtet – obwohl keines der Kinder an einer HIV-Infektion litt, alle gut ernährt und gegen Kinderkrankheiten geimpft waren, einschließlich einer 100-prozentigen BCG-Abdeckung. Wir stellten auch fest, dass TB häufig bei einer akuten Lungenentzündung auftrat. Das deutet darauf hin, dass TB als Ursache einer Pneumonie häufig ist, aber in Gebieten mit hoher TB-Prävalenz unterschätzt wird.“

Neue Strategien, um diese hohe Belastung durch TB-Erkrankungen bei Kindern zu verhindern, sind entscheidend, sagen die Forscher. Sie erklären, dass zwar weiter geforscht werden müsse, dass aber die neuen Erkenntnisse auf mehrere Möglichkeiten hindeuteten, um das TB-Risiko bei Babys durch die Prävention von CMV-Infektionen zu verringern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nennen hier CMV-Impfstoffe und antivirale Medikamente, die derzeit in klinischen Studien getestet werden.

„Leider verlief die Entwicklung von TB-Impfstoffen sehr langsam – wir hatten seit mehr als 100 Jahren keinen neuen TB-Impfstoff“, betont Martinez. „Wenn weitere Studien bestätigen, dass es sich um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen CMV und TB handelt, könnte ein CMV-Impfstoff möglicherweise indirekte Auswirkungen auf die TB haben. Das wäre ein wichtiger Wendepunkt.“ Andere kürzlich durchgeführte Studien haben gezeigt, dass bestimmte Antibiotika die vertikale Übertragung von CMV von der Mutter auf das Kind verhindern können.

„Unsere Studie legt insgesamt nahe, dass die Prävention einer CMV-Infektion perinatal oder früh im Leben eine neue potenzielle Strategie sein könnte, um die große Belastung durch TB-Erkrankungen bei Kindern zu verhindern“, unterstreicht Zar. „Das ist eine spannende Möglichkeit, die in weiteren klinischen Studien erforscht werden muss.“