73 Millionen Euro für Forschungsbau: Gebäude für Multidimensionale Trauma-Wissenschaften entsteht

So wird das MTW-Gebäude an der Universität-Ost nach seiner Fertigstellung in etwa aussehen Abbildung: Heinle, Wischer und Partner, Freie Architekten

Auf dem Campus der Universität Ulm wird für 73 Millionen Euro ein einzigartiges Gebäude für  Multidimensionale Trauma-Wissenschaften gebaut. In dem Neubau soll die komplexe körpereigene Reaktion auf schwere Verletzungen ergründet werden. Dazu bündeln mehr als 200 Forschende aus Medizin und Naturwissenschaften ihre Expertise.

Das fast 5000 m2 große Gebäude für „Multidimensionale Trauma-Wissenschaften“ soll passgenau auf die Bedürfnisse der Forschenden aus Medizin und Naturwissenschaften zugeschnitten werden. Ab voraussichtlich 2024 beherbergt der Neubau unter anderem biomedizinische Labore, eine Biobank für Blut- und Gewebeproben sowie ein klinisches Studienzentrum. Das insgesamt über 73 Millionen Euro teure Gebäude wird aus Bundesmitteln, vom Land Baden-Württemberg sowie von der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm finanziert.

Bündelung interdisziplinärer Forschungsvorhaben

Ein Unfall kann Menschen jeden Alters aus dem Leben reißen. Solche schweren Verletzungen lösen im Körper eine komplexe Reaktionskette aus, die alle Organsysteme betrifft. Ziel dieser körpereigenen „Gefahrenantwort“ ist die Heilung und Regeneration. Doch Störungen im Ablauf können fatale Folgen haben – von psychischen Erkrankungen bis zum Organversagen. Bisher ist das Verständnis der vielschichtigen Gefahrenantwort und Regeneration nach Trauma beschränkt, und somit fehlen wichtige Grundlagen für individuelle, auf das jeweilige Verletzungsmuster abgestimmte Therapien. Das neue MTW-Gebäude soll einen entscheidenden Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücken leisten.

„Bisher ist weltweit oft nur monodisziplinär zu schweren Verletzungen, wie sie bei Unfällen oder Terroranschlägen entstehen, geforscht worden. Ulmer Alleinstellungsmerkmal und Erfolgsrezept ist jedoch die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen in der Traumaforschung und die enge Kooperation mit dem Bundeswehrkrankenhaus. Das MTW-Gebäude soll interdisziplinäre Forschungsvorhaben bündeln und zu einem noch regeren Austausch beitragen – auch dank der integrierten Kommunikationsflächen“, erklärt Prof. Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät und Präsident der Deutschen Traumastiftung.

Arbeitsgruppen für verschiedene Aspekte der Traumaforschung

In 19 Arbeitsgruppen werden über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im MTW-Gebäude verschiedenste Aspekte der Traumaforschung in den Blick nehmen. Darunter fällt beispielsweise die Gewebe-Regeneration nach schweren Verletzungen: Oft zeigen Traumapatienten eine gestörte Knochen- und Wundheilung, doch mithilfe von Stammzellen konnten erste Behandlungserfolge erzielt werden. Weitere Forschungsfelder betreffen organspezifische Störungen nach Verletzungen.

Dabei suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Biomarkern, die frühzeitig Störungen der Zell- sowie Organfunktionen anzeigen, und die sich für ein Echtzeitmonitoring bei Traumapatienten eignen. Besonders gefährdet sind Unfallopfer mit Gehirnverletzungen: Das Schädel-Hirntrauma zählt sogar zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Mit vielfältigen Methoden – unter anderem anhand von „Minibrains“ aus pluripotenten Stammzellen – wollen die Forschenden vor allem posttraumatische Änderungen bei der Verschaltung und Regeneration von Nervenzellen im Gehirn untersuchen.

Eine Ulmer Spezialität ist bereits die Erforschung des Zusammenspiels psychischer und körperlicher Traumaschäden, die den Heilungsverlauf beeinflussen. Darüber hinaus sollen im MTW-Gebäude Entzündungsreaktionen und Veränderungen der körpereigenen Mikroorganismen bei Traumapatienten untersucht werden. Daher wird ein neuer Forschungsbereich etabliert, der sich mit der Entstehung von Giften durch Bakterien nach schweren Verletzungen beschäftigt (Traumatoxikologie).

„Bei allen Forschungsvorhaben haben wir ,Störfaktoren‘ wie Vorerkrankungen und das Lebensalter der Patienten im Sinn, denn diese Faktoren können die körpereigene Reaktion auf Trauma erheblich beeinflussen. Übergeordnetes Ziel der Arbeitsgruppen ist natürlich die Überführung der Forschungsergebnisse in klinische Diagnostik-, Therapie und Präventionskonzepte“, sagt Prof. Anita Ignatius, stellvertretende Gründungsdirektorin des MTW-Gebäudes, die an der Beantragung des Forschungsbaus maßgeblich beteiligt war.