Abdominale Schmerzen aufgrund von Darmerkrankungen: Neue Erkenntnisse bergen vielversprechende Therapieoptionen26. Oktober 2025 Fluoreszierende Nanopartikel (lila), die ein Medikament zur Schmerzbehandlung enthalten, reichern sich in den Zellen des Dickdarms einer Maus an. (Abbildung: © Bunnett Lab/NYU) Neu identifizierte Enzyme und zielgerichtete Nanomedikamente bringen die Forschung der effektiveren Behandlung von Schmerzen bei Darmerkrankungen näher. Schmerzen im Abdomen sind bekanntermaßen ein typisches Symptom vieler Erkrankung des Verdauungstraktes, darunter entzündliche Darmerkrankungen und das Reizdarmsyndrom. Auf der Suche nach gezielten Behandlungen solcher Schmerzen haben Wissenschaftler ein neues Enzym in Darmbakterien entdeckt. Um therapeutische Substanzen in die Zellen zu transportierten, lassen sich laut neuen Erkenntnissen Nanopartikel gewinnbringend nutzen. Behandlungsoptionen zu finden, ist dringend nötig, da es laut den Studienautoren derzeit keine spezifischen Behandlungen Abdominalschmerzen gibt, die durch Darmerkrankungen verursacht werden. Existierende Medikamente – darunter Opioide, nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Steroide – reichen oft nicht aus, um die Symptome zu lindern. Zudem können sie zu Nebenwirkungen führten, von denen einige das Verdauungssystem direkt schädigen. PAR-2-Rezeptor im Fokus neuer Forschungsarbeiten In zwei neuen Studien, die in der Zeitschrift „Cell Host & Microbe“ und den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht wurden, konzentrierten sich Forschende auf die Untersuchung von PAR2. Der Rezeptor, der an der Schmerzsignalisierung beteiligt ist, spiele nachweislich eine Rolle bei gastrointestinalen Erkrankungen, die durch Entzündungen und Schmerzen gekennzeichnet sind, erklären die Wissenschaftler. PAR2 kommt in der Darmschleimhaut und an schmerzempfindlichen Nerven im Darm vor, wird durch Proteasen aktiviert und stellt ein vielversprechendes Ziel für die Behandlung von durch Darmerkrankungen verursachte abdominale Schmerzen da – und zwar auf vielfältige Weise. „Durch die Fokussierung auf diesen Rezeptor haben wir einen Signalweg zwischen einem bakteriellen Enzym und Schmerz entschlüsselt und herausgefunden, wie PAR2 mithilfe von Nanopartikeln blockiert werden kann“, sagt Nigel Bunnett, Professor und Leiter der Abteilung für Molekulare Pathobiologie am New York University (NYU) College of Dentistry und Fakultätsmitglied am NYU Pain Research Center (USA). „Beides könnte uns in Zukunft bei der Behandlung von Schmerzen im Zusammenhang mit Verdauungsstörungen helfen“, Neues bakterielles Enzym als Schmerzregulator Dysbiose ist ein grundlegender Faktor bei vielen Erkrankungen des Verdauungssystems. Zunehmend rückt dabei in den Fokus der Forschung, wie mikrobiomspezifische Therapien, einschließlich Probiotika, das Gleichgewicht zwischen guten und schlechten Bakterien wiederherstellen können. Bakterien im Darm produzieren eine Reihe von Aminosäuren und anderen kleinen Metaboliten, um mit dem Rest des Körpers zu kommunizieren. Matthew Bogyo, Professor für Pathologie, Mikrobiologie und Immunologie an der Stanford University School of Medicine (USA), wollte herausfinden, ob Bakterien auch über die Produktion von Proteasen kommunizieren und ob diese Enzyme die PAR2-Aktivität regulieren und möglicherweise ein schmerzverursachender Faktor sind. Anhand einer umfangreichen Bibliothek menschlicher Bakterienstämme aus dem Darm testeten Bogyo und seine Kollegen jeden Stamm darauf, ob er Enzyme produziert, die PAR2 spalten und aktivieren. Überraschenderweise war dies bei mehr als 50 Bakterien der Fall. Schläfer im Darm: Bacteroides fragilis Die Forscher konzentrierten sich auf ein bisher unbekanntes Enzym, das von Bacteroides fragilis (B. fragilis) produziert wird – diese stäbchenförmigen Bakterium wies eine besonders starke Aktivität auf. B. fragilis kommt normalerweise im menschlichen Kolon vor, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass es zu entzündlichen Darmerkrankungen beitragen könnte. „B. fragilis ist eine Art schlafender Erreger“, erklärt Bogyo. „Es kann im Darm verweilen, ohne Schaden anzurichten, kann aber unter bestimmten Bedingungen Probleme verursachen. Dies könnte unter anderem durch die Regulierung von Signalen geschehen, die es an den Wirt sendet.“ In Zusammenarbeit mit Bunnett stellte Bogyo fest, dass das von B. fragilis produzierte Enzym PAR2 spaltet, um den Rezeptor zu aktivieren. In weiteren Studien an Zellen und Mäusen verglichen die Forschenden normale B.-fragilis-Bakterien mit einer modifizierten Version, bei der das Enzym entfernt wurde. Die Wissenschaftler beobachteten, dass die von B.-fragilis-Bakterien produzierte Protease Neuronen stimulierte, die Schmerzen erkennen und weiterleiten, die Darmbarriere zerstörte und Entzündungen sowie Schmerzen im Kolon auslöste. Protease als Schmerz-Schalter Bogyo berichtet: „Die Ergebnisse waren eindeutig: War die Protease vorhanden, gab es Schmerzsignale, und war sie es nicht, gab es keine Schmerzsignale. Unsere Studie illustriert eine neue Kommunikationsachse zwischen Darmbakterien und Wirt, die Auswirkungen darauf hat, wie Symptome bei entzündlichen Darmerkrankungen ausgelöst werden können.“ „Es wurde bereits viel daran gearbeitet, Veränderungen im Mikrobiom zu beschreiben, die mit Erkrankungen in Verbindung gebracht werden könnten, aber diese Studie ist eine der ersten, die die Rolle von Proteasen in diesem Signalweg untersucht“, fügt Bunnett hinzu. Die Forscher, die ihre Erkenntnisse kürzlich in „Cell Host & Microbe“ veröffentlichten, betrachten das neu entdeckte B.-fragilis-Enzym als potenzielles Ziel für die Behandlung schmerzhafter Verdauungsstörungen durch Hemmung des spezifischen Enzyms und Deaktivierung seines Signalwegs. Mit Nanopartikeln ein bewegliches Ziel erreichen In einer anderen Studie, die in „PNAS“ veröffentlicht wurde, machten sich die Forscher ein bekanntes Verhalten von PAR2 zunutze: Wird der Rezeptor aktiviert, wandert er von der Oberfläche der Darmschleimhautzellen weg und in Endosome hinein. Dort bleibt er aktiv und erzeugt Entzündungen und Schmerzen, indem er Nervenzellen Signale sendet und Lücken in der Schutzbarriere der Darmschleimhautzellen schafft. „Wenn dieser Rezeptor aufgenommen wird und von diesen Kompartimenten aus Signale sendet, müssen wir eine Strategie zur Wirkstoffabgabe entwickeln, die den Rezeptor in den Kompartimenten anspricht“, erklärt Bunnett. Für den Transport des experimentellen Medikamentes AZ3451, eines PAR2-Inhibitors, in die Endosomen setzten die Wissenschaftler auf Nanopartikel. Sie verkapselten AZ3451 in zwei verschiedene Arten von Nanopartikeln, die auf die beiden wichtigsten Rezeptoren abzielen, die abdominale Schmerzen verursachen: Epithelzellen in der Darmschleimhaut und Nervenzellen. Die Nanopartikel wurden so konstruiert, dass sie das Medikament verzögert über mehrere Tage freisetzen. „Diese anhaltende Freisetzung ist genau das, was man bei einer chronischen Erkrankung braucht“, unterstreicht Bunnett. Deutlich wirksamere Hemmung der Signalübertragung durch Einsatz von Nanopartikeln In Zellstudien stellten die Studienautoren fest, dass das nanopartikelhaltige Medikament die Signalübertragung von PAR2 in Epithel- und Nervenzellen deutlich wirksamer hemmte als das Medikament allein. In weiteren Studien an Mäusen mit entzündlichen Darmerkrankungen verringerte die Verabreichung von Nanopartikeln mit AZ3451 schmerzähnliche Verhaltensweisen, während das Medikament allein weitgehend wirkungslos war. „Die Verwendung von Nanopartikeln zur Arzneimittelverabreichung stellt einen zielgerichteten Ansatz dar. Diese Nanopartikel werden nicht nur präzise auf eine bestimmte Zelle, sondern auch auf ein bestimmtes Kompartiment innerhalb der Zelle und einen bestimmten Rezeptor innerhalb des Kompartiments gerichtet“, fasst Bunnett zusammen. (ac/BIERMANN)
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