Abschied vom Kinderdiabetologen bedeutet häufig Abbruch der ärztlichen Betreuung

AID-Technologien sind bei Kindern mit Typ-1-Diabetes häufiger im Einsatz als bei erwachsenen Diabetikern. Dies stellt bei der Transition ein Problem dar. (Foto: © elmar gubisch – stock.adobe.com)

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert flächendeckend qualifizierte Versorgungsangebote im Umgang mit modernen AID-Technologien.

Jedes Jahr werden etwa 2000 junge Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes erwachsen. Damit steht auch ihr Wechsel vom kinderdiabetologischen Behandlungsteam in die Erwachsenenmedizin an. Doch zehn bis 40 Prozent der Betroffenen schaffen diesen Übergang in eine geregelte fachärztliche Betreuung nicht. Fehlt ihnen jedoch die ärztliche Empfehlung und Begleitung für eventuell notwendige Therapieanpassungen, kann dies weitreichende gesundheitliche, unter Umständen lebensgefährliche Folgen mit sich bringen. Dazu gehören etwa Stoffwechselentgleisungen – und langfristig vorzeitige Erblindung, Nierenversagen oder Amputationen.

Neben den seit vielen Jahren bekannten Problemen bei der Transition kommen nun neue Herausforderungen hinzu. Denn in der Kinderdiabetologie sind moderne sensorgesteuerte Insulinpumpensysteme zur Glukosekontrolle wie die AID-Systeme (Automatische Insulin-Dosierung) häufiger im Einsatz als in der Erwachsenenmedizin. Eine entsprechende Expertise für Schulung und Begleitung im Umgang mit modernen Diabetestechnologien fehlt jedoch vielerorts in der Erwachsenentherapie.

„Im Prinzip erhalten Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes die gleiche Therapie wie Erwachsene – nämlich eine Stoffwechselstabilisierung mittels Insulin, die auf Ernährung und körperliche Aktivität abgestimmt ist“, sagt Prof. Andreas Neu, Präsident der DDG. Jedoch seien neue Technologien wie Insulinpumpen und Glukosesensoren in der Kinderdiabetologie viel weiter verbreitet als in der Erwachsenenmedizin, berichtet der Kinderdiabetologe. Er ist kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Tübingen. Mehr als 90 Prozent der Kinder unter sechs Jahren nutzen die modernen Diabetestechnologien, die auch bei älteren Kindern und Jugendlichen weit verbreitet sind, zur täglichen Stoffwechselkontrolle. Im Gegensatz dazu beträgt der Anteil der betroffenen Erwachsenen über 20 Jahre mit eine Insulinpumpentherapie unverändert 20 bis 30 Prozent.

Qualifizierte Behandlungseinrichtungen für die Betreuung moderner AID-Technologien fehlen in der Breite

Moderne AID-Systeme regulieren die Glukosemessung und Insulinabgabe teilautomatisch. Dabei ahmen sie die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse nach. Das ermöglicht, täglich länger im Glukosezielbereich zu sein und das Risiko für Stoffwechselschwankungen zu verringern – insbesondere nachts. Studien zeigen demnach auch einen klaren Vorteil einer Langzeittherapie per AID-Systemen. Alle AID-Systeme setzen jedoch voraus, dass die Nutzenden umfassend geschult sind und in ungewöhnlichen oder kritischen Situationen richtig reagieren können. Momentan gibt es noch zu wenig qualifizierte Behandlungseinrichtungen für die Betreuung moderner AID-Technologien: „Für die jungen Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes im Transitionsprozess ist es deshalb schwierig, eine Behandlungseinrichtung in der Nähe zu finden, die mit dem Auslesen von ambulanten Glukoseprofilen und der Anpassung von AID-Systemen vertraut ist“, so Neu.

Mehr Eigenverantwortung bei den neuen Technologien erfordert geschulte Ansprechpartner

Transition ist die geplante Überführung von den kinderzentrierten in die erwachsenenorientierten Versorgungssysteme. Die jungen Patientinnen und Patienten müssen Verantwortung für die Behandlung ihrer Erkrankung übernehmen und sich die dafür notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen.

„Dieser sensible Prozess ist sehr störanfällig“, weiß Neu. „Hier verlieren wir immer noch zu viele Betroffene: Oft kommen sie erst wieder in eine diabetologische Behandlungseinrichtung, wenn sich diabetesbezogene Folgen eingestellt haben, die vermeidbar gewesen wären.“ Umso wichtiger sei es, dass der Übergang gezielt und individuell vorbereitet werde – und dass entsprechend qualifizierte Erwachseneneinrichtungen niederschwellig erreichbar sind.

Prof. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG, fasst zusammen: „Eine erfolgreiche Transition und ein langes, möglichst gesundes Leben sind unsere Behandlungsziele. Die aktuelle Versorgung ist in der Summe zwar gut, in der Fläche und im Detail jedoch sehr ungleich verteilt. Angesichts des derzeit rasch zunehmenden Einsatzes hochspezialisierter Diabetestechnologien fordern wir die weitere Verbesserung der Transition in die Erwachsenendiabetologie.“