Abwehr gegen stille Virusinfektion kann karzinogene Mutationen im Urothel auslösen

Dr. Simon Baker von der University of York, Seniorautor der Studie zur Transmutagenese im Urothel. Foto: University of York

Blasenkrebs könnte durch „Kollateralschäden“ bei der Bekämpfung des BK-Polyomavirus (BKPyV) durch das körpereigene Immunsystem gefördert werden. Dies geht aus einer aktuellen Publikation in „Science Advances“ hervor.

Das Team um Erstautor George H. Hatton von der University of York in Heslington (Großbritannien) hat in ihren Laborversuchen herausgefunden, dass Zellnachbarn von BKPyV-infizierten Zellen ebenfalls Mutationen davontragen, obwohl sie selbst nicht mit dem Virus infiziert sind. Dieser Vorgang, von den Autoren „Transmutagenese“ genannt, erklärt, wie Zellen in der Nähe infizierter Nachbarzellen krebsauslösende Mutationen erwerben.

Dabei spielt ein System der angeborenen Virusabwehr eine entscheidende Rolle: die APOBEC3-Proteine (APOBEC3: apolipoprotein B mRNA editing enzyme, catalytic subunit-like 3). Diese Cytosindeaminasen aus der Wirtszelle werden in die Virionen eingeschleust, was deren genetisches Material destabilisiert. Die Folge sind Hypermutationen von Guanin zu Adenin.

BKPyV ist eine weit verbreitete Infektion im Kindesalter, die bis ins Erwachsenenalter in der Niere persistiert und häufig im Urin nachgewiesen wird. Eine Infektion bleibt bei intaktem Immunsystem ohne Symptome. Nach einer Infektion in der Kindheit verbleibt das BK-Virus meist inaktiv in der Niere.

Nachbarzellen in Mitleidenschaft gezogen

Chronische BKPyV-Infektionen des menschlichen Urothels führen zu einer Immunantwort, die in der apikalen Extrusion infizierter Zellen resultiert. Die Signaltransduktion durch parakrine Interferonausschüttung induziert die APOBEC3-Expression aber nicht nur in den infizierten, sondern auch in den benachbarten Zellen. Hatton und Kollegen konnten in ihrer Arbeit charakteristische, APOBEC3-vermittelte Mutationssignaturen nachweisen, welche die Variation des Mutationsprofils bei Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs widerspiegeln.

In dem Karzinogenesemodell, das die Wissenschaftler aufstellen, erlangen die nicht infizierten Nachbarzellen durch die APOBEC3-bedingten Hypermutationen einen Vorteil und entgehen der Extrusion. Die Forscher schließen aus ihren Forschungen, dass ein Großteil der Urothelkarzinome durch antivirale Therapien vermeidbar sein könnte.

Senior- und Korrespondenzautor Dr. Simon Baker erklärt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Abwehrreaktion des Blasengewebes auf das Virus-DNA Veränderungen verursacht, die zu Krebs führen können. Wir haben festgestellt, dass DNA-Schäden nicht nur in infizierten Zellen, sondern auch in umliegenden ‚Zuschauerzellen‘ auftreten, die die Infektion in ihren Nachbarzellen beobachten. Dies ist wichtig, da es erklären könnte, warum bei den meisten Blasenkrebsfällen, die viele Jahre später diagnostiziert werden, keine Anzeichen des Virus nachweisbar sind.“

Höheres Blasenkrebsrisiko bei Nierentransplantierten

Ein Problem kann BKPyV für Nierentransplantierte werden, wie Simon erklärt: „Da Nierentransplantierte vom BK-Virus betroffen sind und ein mehr als dreimal höheres Risiko haben, an Blasenkrebs zu erkranken, vermuteten wir eine Beteiligung des BK-Virus, wussten aber nicht, wie. Wir können nun sehen, wie das BK-Virus bei Transplantatempfängern und in der Allgemeinbevölkerung zu Blasenkrebs beitragen kann (…) Dies motiviert uns, Präventionsstrategien sowohl für Blasenkrebs als auch für die durch das BK-Virus verursachten Nierenschäden zu entwickeln.“

(ms/BIERMANN)