Abwehr von Infektionen: Könnte der Darm sich möglicherweise darauf vorbereiten?26. August 2024 Ein Schwarm Fadenwürmer, C. elegans, nach Aktivierung der olfaktorischen Schaltkreise, die Bakterien wahrnehmen. Die Zellen in jedem Fadenwurm, insbesondere die Darmzellen, fluoreszieren grün, was darauf hinweist, dass ihre Mitochondrien eine Stressreaktion eingeleitet haben, um sich auf einen Angriff der Bakterien vorzubereiten. (Quelle: © Julian Dishart and Andrew Dillin, UC Berkeley) Nematoden reagieren auf den Geruch, den Krankheitserreger verströmen, indem sie ihren Darm auf eine Infektion vorbereiten. Reagieren Menschen ähnlich? Viele Organismen sprechen auf den Geruch an, den potenziell todbringende Krankheitserreger abgeben, indem sie diese reflexartig meiden. Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der University of California (UC) in Berkeley (USA) zeigt, dass der Fadenwurm Caenorhabditis elegans ebenfalls auf den Geruch pathogener Bakterien anspricht. Sein Reflex: Er bereitet seine Darmzellen darauf vor, einem möglichen Angriff durch das Pathogen standzuhalten. Wie beim Menschen sind auch die Därme von Fadenwürmern ein häufiges Ziel krankheitserregender Bakterien. Der Fadenwurm reagiert, indem er Mitochondrien in seinen Zellen zerstört. So können die schädlichen Bakterien das Eisen in den Organellen nicht für ihre eigenen Zwecke nutzen. Eisen ist ein wichtiger Katalysator bei vielen enzymatischen Reaktionen in Zellen – insbesondere bei der Erzeugung der Energiewährung des Körpers: Adenosintriphosphat (ATP). Dass C. elegans diese Schutzreaktion auf von Mikroben erzeugte Gerüche besitzt, lasse darauf schließen, dass die Darmzellen anderer Organismen – auch von Säugern – möglicherweise ebenfalls die Fähigkeit besitzen, eine solche Schutzreaktion zu zeigen, wenn sie Krankheitserreger riechen, erklärt Prof. Andrew Dillin. Der Molekular- und Zellbiologe an der UC Berkeley und Forscher am Howard Hughes Medical Institute (HHMI) ist Seniorautor der nun vorgestellten Studie. „Verbreiten Krankheitserreger tatsächlich einen Geruch, den wir wahrnehmen und der uns hilft, eine Infektion zu bekämpfen?“, fragt der Wissenschaftler. „Wir haben versucht, dies bei Mäusen nachzuweisen. Wenn wir tatsächlich herausfinden können, dass Menschen einen Krankheitserreger riechen und sich daraufhin schützen, können wir uns in Zukunft so etwas wie ein vor einem Krankheitserreger schützendes Parfüm vorstellen.“ Mäuse oder gar Menschen? Einziger Nachweis bisher bei C. elegans Bisher gibt es jedoch nur Hinweise auf diese Reaktion bei C. elegans. Dennoch stellt diese neue Erkenntnis eine Überraschung dar – wenn man bedenkt, dass der Fadenwurm einer der am gründlichsten im Labor untersuchten Organismen ist. Biologen haben in der Vergangenheit jede seiner Zellen vom Embryonalstadium bis zum Tod gezählt und beobachtet. „Das Neue ist, dass sich C. elegans auf einen Krankheitserreger vorbereitet, bevor er überhaupt auf diesen trifft“, erläutert Julian Dishart, der vor Kurzem seinen Doktortitel an der UC Berkeley erhielt und Erstautor der Studie ist. „Es gibt auch Hinweise darauf, dass neben dieser mitochondrialen Reaktion wahrscheinlich noch viel mehr passiert, und dass es allein durch das Wahrnehmen von Gerüchen, die Bakterien verströmen, eher zu einer allgemeinen Immunreaktion kommen könnte. Da der Geruchssinn bei Tieren in Bezug auf die Regulierung der Physiologie und des Stoffwechsels konserviert ist, halte ich es für durchaus möglich, dass der Geruchssinn bei Säugetieren eine ähnliche Wirkung hat wie bei C. elegans.“ Mitochondrien kommunizieren miteinander Dillin forscht schon lange daran, wie Stress im Nervensystem Schutzreaktionen in Zellen auslöst – insbesondere die Aktivierung einer Reihe von Genen, die im endoplasmatischen Retikulum hergestellte Proteine stabilisieren. Diese Aktivierung – die Unfolded Protein Response (UPR) – ist „wie ein Erste-Hilfe-Kasten für die Mitochondrien“, formuliert der Wissenschaftler. Mitochondrien sind nicht nur die viel zitierten Kraftwerke der Zelle, die Nährstoffe zur Energiegewinnung verbrennen, sondern spielen auch eine Schlüsselrolle bei Signalgebung, Zelltod und Wachstum. Dillin hat in der Vergangenheit zeigen können, dass Fehler im UPR-Netzwerk zu Krankheiten und Alterung führen können und dass mitochondrialer Stress in einer Zelle an die Mitochondrien von Zellen im gesamten Körper weitergegeben wird. Ein wichtiges Puzzleteil fehlte jedoch. Wenn das Nervensystem Stress über ein Netzwerk von Neuronen an die Zellen weitergeben kann, die die tägliche Arbeit des Proteinaufbaus und -stoffwechsels erledigen, welcher Umweltfaktor triggert dann das Nervensystem? „Unser Nervensystem hat sich so entwickelt, dass es Signale aus der Umgebung aufnimmt und Homöostase für den gesamten Organismus schafft“, sagt Dillin. Dishart habe tatsächlich herausgefunden, dass Geruchsneuronen Umweltreize aufnehmen und welche Geruchsarten der Krankheitserreger diese Reaktion auslösen. Frühere Arbeiten in Dillins Labor zeigen, wie wichtig der Geruch für den Stoffwechsel von Säugetieren ist. Er stellte fest, dass Mäuse, denen der Geruchssinn genommen wurde, weniger an Gewicht zunahmen, obwohl sie dieselbe Menge Nahrung erhielten wie Mäuse mit erhaltenem Geruchssinn. Dillin und Dishart vermuten, dass der Geruch von Nahrung eine Schutzreaktion auslösen kann, wie die Reaktion auf Krankheitserreger, um den Darm auf die schädlichen Auswirkungen der Aufnahme von Fremdstoffen und der Umwandlung dieser Nahrung in Energie vorzubereiten. „Infektionen zu überleben war das Wichtigste, das wir evolutionär erreicht haben“, betont Dillin. „Und das Riskanteste und Anstrengendste, das wir jeden Tag tun, ist Essen – denn unsere Nahrung enthält Krankheitserreger.“ „Wenn man isst, ist das auch unglaublich stressig, denn der Körper verstoffwechselt die Nahrung, erzeugt aber auch ATP in den Mitochondrien aus den Nährstoffen, die sie aufnehmen. Und diese ATP-Erzeugung verursacht ein Nebenprodukt namens reaktive Sauerstoffspezies, das für Zellen sehr schädlich ist“, ergänzt Dishart. „Zellen müssen mit dieser erhöhten Präsenz reaktiver Sauerstoffspezies umgehen. Vielleicht kann uns das Riechen von Nahrung also darauf vorbereiten, mit dieser erhöhten Belastung durch reaktive Sauerstoffspezies fertigzuwerden.“ Fähigkeit aus längst vergangenen Zeiten Dillin spekuliert weiter, dass die Empfindlichkeit der Mitochondrien gegenüber dem Geruch pathogener Bakterien ein Überbleibsel aus einer Zeit sein könnte, als Mitochondrien freilebende Bakterien waren, bevor sie vor etwa zwei Milliarden Jahren als Kraftwerke in andere Zellen eingebaut wurden und zu Eukaryoten wurden. Eukaryoten entwickelten sich schließlich zu mehrzelligen Organismen mit differenzierten Organen – Metazoen, wie Tiere und Menschen. „Es gibt viele Hinweise darauf, dass Bakterien ihre Umgebung auf irgendeine Weise wahrnehmen, obwohl nicht immer klar ist, wie sie das tun. Diese Mitochondrien haben einen Aspekt davon beibehalten, nachdem sie in Metazoen aufgegangen sind“, erklärt er. Bei seinen Experimenten mit C. elegans fand Dishart heraus, dass der Geruch von Krankheitserregern eine hemmende Reaktion auslöst, die ein Signal an den Rest des Körpers aussendet. Dies wurde deutlich, als er olfaktorische Neuronen im Wurm entfernte und feststellte, dass alle peripheren Zellen – vor allem aber die Darmzellen – die für bedrohte Mitochondrien typische Stressreaktion zeigten. Diese und andere Studien zeigten auch, dass Serotonin ein wichtiger Neurotransmitter ist, der diese Informationen im gesamten Körper übermittelt. Dillin und seine Laborkollegen verfolgen die neuronalen Schaltkreise, die von den Geruchsneuronen zu den peripheren Zellen führen, und die Neurotransmitter, die auf diesem Weg beteiligt sind. Und er sucht nach einer ähnlichen Reaktion bei Mäusen. „Ich hasse es immer, wenn ich krank werde“, sagt Dillin. „Dann denke ich mir: ‚Körper, warum hast du dich nicht besser darauf vorbereitet?‘ Es scheint wirklich unsinnig, dass man Reaktionsmechanismen erst aktiviert, wenn man infiziert ist. Wenn es früher einsetzende Erkennungsmechanismen gibt, die unsere Überlebenschancen erhöhen, wäre das meiner Meinung nach ein großer evolutionärer Erfolg. Und wenn wir das biomedizinisch nutzen könnten, wäre das ziemlich verrückt.“
Mehr erfahren zu: "Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko" Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko In einer neuen Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie körperliche Aktivität und die Qualität der Ernährung mit unterschiedlichen Leveln und Mustern des Alkoholkonsums interagieren – mit dem Ergebnis, dass gesundes Essen […]
Mehr erfahren zu: "Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei" Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei US-Forschende haben herausgefunden, dass der Schlüssel für den Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und einer Stoffwechseldysfunktion-assoziierten steatotischen Lebererkrankung (MASLD) in einem Enzym liegt, das am Recycling unerwünschter Proteine beteiligt ist.
Mehr erfahren zu: "Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen" Weiterlesen nach Anmeldung Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University (USA) hat herausgefunden, dass sequenzierte Tumorproben deutlich weniger mikrobielles Erbgut aufweisen, das tatsächlich mit einer bestimmten Krebsart assoziiert ist, als bisher angenommen. Bisherige Ergebnisse […]