Adipositastherapie im Wandel: Ersetzen Abnehmspritzen die Chirurgie?4. März 2025 Foto: © magele-picture/stock.adobe.com Die medikamentöse Therapie ist ein wichtiger Fortschritt, der die Adipositaschirurgie sinnvoll ergänzt, betont die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie in einer aktuellen Pressemitteilung. Adipositas ist eine chronische Erkrankung, deren Entstehung komplex und multifaktoriell ist. Eine wirkliche Heilung ist selten. So kommt es bei vielen Patienten nach dem Absetzen der Medikamente oder Ende ihrer Diät zu einer erneuten Gewichtszunahme, informiert die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. In Deutschland sind etwa zwei Drittel (67 %) der Männer und die Hälfte (53 %) der Frauen übergewichtig (Body-Mass-Index (BMI) ≥ 25 kg/m2). Im Jahr 2021 waren 16,8 Prozent der Erwachsenen mit einem BMI von 30 und mehr stark übergewichtig (1). Ab einem BMI von 27 können Medikamente zur Gewichtsreduktion vom Arzt verordnet werden, wenn mindestens eine Begleiterkrankung vorliegt, die mit dem Übergewicht in Zusammenhang steht. Ohne Begleiterkrankungen gilt ein BMI von 30 als Richtwert. „Die Adipositaschirurgie wird in der Regel erst ab einem BMI von 40 kg/m² eingesetzt“, erklärt Prof. Goran Marjanovic, Leiter der Sektion für Adipositas und Metabolische Chirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Auch bei Patienten mit einem BMI zwischen 35 und 40 kg/m² könne ein chirurgischer Eingriff erwogen werden, wenn Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder Schlafapnoe vorliegen, so der Viszeralchirurg. Laut Statista wurden in Europa im Jahr 2021 knapp 180.000 Operationen zur Bekämpfung von Übergewicht durchgeführt (2). In Deutschland sind es etwa 20.000 Eingriffe pro Jahr (3). Moderne Abnehmspritzen: Keine Lösung für sich allein „Die Entwicklung von GLP-1-Agonisten und anderen modernen Abnehmspritzen hat die Adipositastherapie vor allem im BMI-Bereich zwischen 30 und 40 kg/m2 in den letzten Jahren stark verändert“, betont Marjanovic. Sie ermöglichen eine signifikante Gewichtsreduktion und können Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes positiv beeinflussen. Doch trotz vielversprechender Studien gibt es klare Einschränkungen: Der erzielte Gewichtsverlust ist oft nicht von Dauer. Die Langzeiteffekte der Medikamente sind noch nicht ausreichend erforscht. Zudem sprechen nicht alle Patienten gleich gut auf die Therapie an. Hinzu kommt: Die Kosten für eine lebenslange Behandlung sind hoch und die Finanzierung unklar. Adipositaschirurgie Goldstandard bei hohem BMI „Bariatrische Operationen sind nachweislich die effektivste Methode zur langfristigen Gewichtsreduktion mit 30 Prozent Gewichtabnahme und mehr sowie zur Behandlung adipositasbedingter Folgeerkrankungen“ so Marjanovic. Sie reduzieren das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und bestimmte Krebsarten. „Die chirurgische Therapie ist bei bestimmten Eingriffen jedoch irreversibel und mit möglichen Risiken wie funktionellen Einschränkungen des Verdauungstrakts verbunden“, räumt er ein. „Medikamentöse Therapien ersetzen die Adipositaschirurgie nicht“, so Marjanovic weiter. Sie sind eine wertvolle Ergänzung, doch langfristige Erfolge erfordern eine individuell angepasste Therapie. „Wir müssen das Potenzial der verschiedenen Verfahren kombinieren, ähnlich wie in der modernen Tumortherapie. Das könnte die Zukunft sein“, erläutert der Mediziner. Eine erfolgreiche Behandlung erfordere interdisziplinäre Zusammenarbeit und die frühzeitige Anbindung an spezialisierte Adipositaszentren. Statt einer Konkurrenz zwischen Medikamenten und Chirurgie sollte ein patientenorientierter, multimodaler Ansatz im Mittelpunkt stehen. Personalisierte Medizin im Fokus „Personalisierte, multidisziplinäre Therapieansätze wie in der Adipositastherapie werden den Bedürfnissen unserer Patientinnen und Patienten am besten gerecht und sind die Zukunft der Medizin“, sagt DGCH-Generalsekretär Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen. Auch auf dem DCK 2025 steht deshalb der fachübergreifende Austausch unter den chirurgischen Fachdisziplinen sowie mit Internisten, Intensivmedizinern, Anästhesisten, Radiologen, Pflegekräften im Zentrum der Veranstaltung.
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