Aktuelle Studie belegt: Süßstoffe verändern das Mikrobiom und erhöhen den Blutzuckerspiegel6. April 2023 Foto: © Jenifoto/stock.adobe.com Zum Ende der Fastenzeit und vor den Oster-Schlemmereien warnt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vor dauerhaftem Konsum von Süßstoffen: Nicht nur von Zucker, sondern auch von diesen Substanzen könne ein Gesundheitsrisiko ausgehen. Die Zahl übergewichtiger und fettleibiger Menschen steigt weltweit seit Jahrzehnten an – und mit ihr die Häufigkeit von Wohlstandskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Seitdem bekannt ist, dass die Gewichtszunahme eng mit dem Zuckerkonsum zusammenhängt, erfreut es sich großer und noch immer wachsender Beliebtheit, Speisen und Getränke nicht mit Haushaltszucker (Glukose), sondern mit Süßstoffen wie Sucralose oder Aspartam zu süßen. „Dabei ging man lange Zeit davon aus, dass diese Substanzen nicht nur kalorienfrei sind, sondern sich im Körper überhaupt völlig neutral verhalten“, sagt PD Dr. Birgit Terjung, Chefärztin der Abteilung Innere Medizin der GFO Kliniken Bonn und Vorstandsmitglied der DGVS. Mittlerweile gebe es aber etliche Untersuchungen, die zeigten, dass auch die Süßstoffe den Körper nicht völlig spurlos durchqueren. Besonders detailliert wurde diese Frage in einer Studie des Weizmann-Institutes im israelischen Rehovot untersucht, die kürzlich im Fachjournal „Cell“ publiziert wurde. [1] Die Forschenden um Studienleiter Prof. Eran Elinav verabreichten ihren Probanden in der ersten großen Studie an Menschen jeweils einen der vier Süßstoffe Saccharin, Sucralose, Aspartam und Stevia in gängigen Dosierungen. Während der zweiwöchigen Einnahme dokumentierten sie mögliche Änderungen des Stoffwechsels, sowie den Effekt der Süßstoffe auf die Zusammensetzung und die Funktion des Mikrobioms. Saccharin und Sucralose fielen bei den Versuchen dadurch auf, dass sie eine starke glykämische Antwort begünstigten: Während der regelmäßig durchgeführten Glukose-Toleranztests stieg der Blutzuckerspiegel der Probanden deutlich stärker an als vor Beginn der Süßstoffeinnahme. „Die sogenannte Blutzuckerkontrolle, also die Fähigkeit des Körpers, den Blutzuckerspiegel auch bei Aufnahme von Glukose niedrig zu halten, war demnach unter Einfluss der Süßstoffe deutlich reduziert“, erläutert der Ernährungsmediziner Prof. Johann Ockenga, Direktor des Klinikums Bremen Mitte. Darüber hinaus konnten die Forschenden vielfältige Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms sowie in der Konzentration bestimmter Stoffwechselprodukte im Blutplasma der Probanden nachweisen. Diese waren sowohl zwischen den verschiedenen Süßstoffen als auch individuell unterschiedlich, korrelierten aber mit dem Ausmaß, in dem die Blutzuckerkontrolle der jeweiligen Versuchspersonen verringert war. Tatsächlich neutral verhielt sich keiner der Süßstoffe. Um zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen den beobachteten Stoffwechselveränderungen und der veränderten Darmflora bestand, führten die israelischen Forscher zusätzlich Versuche an Mäusen durch: Sterile Mäuse, die selbst keinerlei Darmflora besaßen, wurden mit der Darmflora der Versuchspersonen behandelt. Sie entwickelten daraufhin dieselben Auffälligkeiten bei der Blutzuckerkontrolle. „Die Studie zeigt auf eindrückliche Weise, dass sich Süßstoffe im Körper durchaus nicht passiv verhalten“, sagt Ockenga. Vielmehr zeichneten sich mannigfaltige Wechselwirkungen mit dem Mikrobiom und ein deutlicher Einfluss auf das Stoffwechselgeschehen im Körper ab. In diese Richtung deutet auch eine weitere aktuelle Studie, nach der Sucralose bei Mäusen die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen kann. Gerade angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Süßstoffen seien solche Fragen von großer Relevanz, ergänzt Terjung. Die langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit seien noch weitgehend unklar und müssten dringend genauer untersucht werden. Auch Fruchtzucker (Fructose), der ebenfalls oft eingesetzt wird, um Glukose einzusparen, kann nicht als unbedenkliche Alternative zum Haushaltzucker gelten. „Eine aktuelle Studie [2] zeigt, dass Fructose die Neubildung von Fett in der Leber sogar stärker anregt als Glukose“, erklärt Terjung. Damit könne auch diese Zuckervariante zu den typischen Stoffwechsel- und Gesundheitsproblemen beitragen, die üblicherweise mit einem hohen Zuckerkonsum in Verbindung gebracht werden: Neben einem gestörten Glukosestoffwechsel und dem Typ-2-Diabetes zählt auch die Entwicklung einer Nichtalkoholischen Fettleber dazu. Das Fazit der DGVS-Expertin: „Naschen ganz ohne Reue scheint es nicht zu geben.“ Auf lange Sicht müsse einfach weniger Süßes gegessen werden.
Mehr erfahren zu: "Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko" Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko In einer neuen Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie körperliche Aktivität und die Qualität der Ernährung mit unterschiedlichen Leveln und Mustern des Alkoholkonsums interagieren – mit dem Ergebnis, dass gesundes Essen […]
Mehr erfahren zu: "Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei" Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei US-Forschende haben herausgefunden, dass der Schlüssel für den Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und einer Stoffwechseldysfunktion-assoziierten steatotischen Lebererkrankung (MASLD) in einem Enzym liegt, das am Recycling unerwünschter Proteine beteiligt ist.
Mehr erfahren zu: "Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen" Weiterlesen nach Anmeldung Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University (USA) hat herausgefunden, dass sequenzierte Tumorproben deutlich weniger mikrobielles Erbgut aufweisen, das tatsächlich mit einer bestimmten Krebsart assoziiert ist, als bisher angenommen. Bisherige Ergebnisse […]