Akute normovolämische Hämodilution: Keine Vorteile bei Herz-OPs19. Juni 2025 Symbolfoto: ©chanawit/stock.adobe.com Mehr als ein Drittel der Patienten erhält bei einer Herzoperation Fremdblut. Die akute normovolämische Hämodilution (ANH) galt lange als möglicher Ausweg – nun zeigt eine große internationale Studie: Die Methode senkt den Transfusionsbedarf nicht. Dennoch hält einer der Co-Autoren daran fest. Weltweit unterziehen sich jährlich mehr als 2 Millionen Patienten einer Herzoperation, und etwa 35 Prozent benötigen dabei mindestens eine Einheit rote Blutkörperchen. Bluttransfusionen können jedoch zu Komplikationen führen, sind kostspielig und unterliegen manchmal Engpässen. Hier kommt die akute normovolämische Hämodilution (ANH) ins Spiel. Dabei handelt es sich um eine Form der autologen Blutspende, die im Rahmen einer Operation vorgenommen wird. Bei der fremdblutsparenden Methode wird dem Patient direkt vor einem chirurgischen Eingriff Vollblut entnommen, das intraoperativ fehlende Volumen wird durch Infusionen von Flüssigkeiten ohne rote Blutkörperchen (Kristalloide oder Kolloide) aufrechterhalten. Intra- oder postoperativ wird das entnommene Blut dem Patienten dann wieder zugeführt. Die Wirksamkeit der ANH ist seit langem umstritten. Frühere retrospektive Studien und Metaanalysen haben gemischte Ergebnisse darüber gezeigt, ob ANH den Bedarf an Bluttransfusionen bei Herzoperationen reduziert. ANH enttäuscht bei Transfusionsreduktion in internationaler Studie Laut neuesten Studienergebnissen scheint die Methode den Bedarf an Transfusionen mit roten Blutkörperchen im Rahmen einer Herzoperation allerdings nicht zu verringern. Das berichten die Verantwortlichen der weltweit durchgeführten klinischen Studie namens ANH im „New England Journal of Medicine“. Auch andere Endpunkte wie Mortalität, Blutungskomplikationen und ischämische Ereignisse verbesserten sich unter ANH im Vergleich zur Standardbehandlung nicht. Die einfach verblindete Studie wurde an 32 Studienzentren in elf Ländern in Europa, Asien, Südamerika und Nordamerika vorgenommen. Inkludiert wurden 2010 Patienten, die sich einer Herzoperation unter Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine unterzogen. Während eine Hälfte der Patienten randomisiert die Standardbehandlung erhielt, wurde der anderen Hälfte der Studienteilnehmer im Rahmen einer ANH präoperativ mindestens 650 ml Vollblut entnommen, der Volumenersatz erfolgte mit einer kristalloiden Lösung im Verhältnis 3:1. Die entnommenen Blutproben wurden bei Raumtemperatur gelagert und nach dem Absetzen des kardiopulmonalen Bypasses wieder infundiert. Der primäre Endpunkt war die Transfusion von mindestens einer Einheit allogener roter Blutkörperchen während des Krankenhausaufenthalts. Sekundäre Endpunkte waren die Gesamtsterblichkeit innerhalb von 30 Tagen nach der Operation oder während des Krankenhausaufenthalts aufgrund der Operation, Blutungskomplikationen, ischämische Komplikationen und akutes Nierenversagen. Die internationale ANH-Studiengruppe um den korrespondierenden Autor Dr. Giovanni Landoni von der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am IRCCS San Raffaele Scientific Institute in Mailand, Italien, entdeckte weder bei den primären noch bei den sekundären Endpunkten signifikante Unterschiede zwischen ANH und Standardtherapie. Trotz neutraler Ergebnisse: Potenzial bei ausgewählten Patientengruppen? Co-Autor Prof. Kenichi Tanaka, Vorsitzender der Abteilung für Anästhesiologie am University of Oklahoma College of Medicine, USA, sieht aber dennoch Hoffnung für die ANH. „Diese Studie könnte das Interesse an einer weiteren großen randomisierten Studie verringern, aber ich denke, dass sie die Möglichkeit nicht ausschließt, dass ANH einigen Patienten helfen könnte“, wird er in einer Mitteilung der University of Oklahoma zitiert. Seinen Verdacht begründet er insbesondere auf dem heterogenen Patientenkollektiv. So weist er beispielsweise darauf hin, dass US-Patienten in der Regel größer als Patienten aus anderen Ländern seien. Paradoxerweise schütze eine größere Körpergröße vor chirurgischen Blutungen und der Notwendigkeit von Transfusionen. Außerdem hätten kleinere Patienten weniger Blut, das während der ANH gegeben werden könne. Weiter hebt Tanaka hervor, dass es in der Studie kein standardisiertes Protokoll für ANH oder Transfusionen gegeben habe. Länder wie die Vereinigten Staaten würden eher spezielle Gerinnungsfaktorkonzentrate in Kombination mit ANH verwenden, was nachweislich den Bedarf an Transfusionen reduziere, so der Mediziner. Laut ihm zeigen ergänzende, nicht in der Studie enthaltene Informationen, dass Patienten, die ANH erhielten, im Vergleich zu denen, die nur Transfusionen erhielten, einen leichten Trend zu besseren Gesamtüberlebensraten aufweisen. Daher bereite er, wie er selbst angibt, die Veröffentlichung einer retrospektiven Studie vor, die zeige, dass ANH den Bedarf an Transfusionen in einer US-amerikanischen Population reduziert habe. „Ich habe vor, ANH weiterhin anzuwenden“, verdeutlicht Tanaka. „Es ist auch eine Option für Patienten, die Zeugen Jehovas sind und aufgrund ihres Glaubens keine Bluttransfusionen (von Spenderblut) erhalten dürfen. Zumindest hat die Studie gezeigt, dass ANH keine Nachteile hat. Ich glaube, dass ANH Teil einer mehrgleisigen Strategie zur Einsparung von Blutprodukten in den USA sein kann, wo die Kosten für Blutprodukte sehr hoch sind.“ (ah)
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