Akuter Schlaganfall bei Vorhofflimmern: Wann und womit sollte die Blutverdünnung erfolgen?

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Für die Einleitung oder Wiederaufnahme der Antikoagulation nach einem akuten ischämischen Schlaganfall oder einer transitorischen ischämischen Attacke  bei Patienten mit Vorhofflimmern scheint die frühe Anwendung des Antikoagulans Dabigatran sicherer zu sein als der Einsatz von Vitamin-K-Antagonisten. 

Der optimale Zeitpunkt für die Einleitung oder Wiederaufnahme der Antikoagulation nach einem akuten ischämischen Schlaganfall (AIS) oder einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) bei Patienten mit Vorhofflimmern (AF) ist umstritten. Dabigatran, ein orales Antikoagulans ohne Vitamin K (NOAK), hat sich in Bezug auf hämorrhagische Komplikationen gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) als überlegen erwiesen.

„Beide Medikamentenarten sind sinnvolle Therapien nach einem Schlaganfall, besonders für Patienten, die an einem Vorhofflimmern leiden“, sagt Prof. em. Hans-Christoph Diener, ehemaliger Leiter der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen und Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Welcher Blutverdünner jedoch den größten Nutzen für die Betroffenen in der frühen Phase nach einem Schlaganfall und gleichzeitig die geringsten Nebenwirkungen hat, darüber war sich die Wissenschaft noch uneinig. Mit seiner kürzlich in der Fachzeitschrift „International Journal of Stroke“ veröffentlichten PRODAST-Studie konnten Diener und seine Mitarbeiter einen Beitrag zur Klärung dieser Frage liefern.

Dazu rekrutierten die Wissenschaftler zwischen Juli 2015 und November 2020 rund 10.000 Patienten in 86 deutschen Stroke Units. Von diesen wurden 3312 mit Dabigatran oder VKA behandelt und kamen für die Analyse in Frage, die das Risiko für schwerwiegende hämorrhagische Ereignisse innerhalb von drei Monaten nach frühem (≤7 Tage) oder spätem (>7 Tage) Beginn der Behandlung mit Dabigatran oder VKA, die zu einem beliebigen Zeitpunkt begonnen wurde, untersuchte. Weitere Endpunkte waren rezidivierender Schlaganfall, ischämischer Schlaganfall, TIA, systemische Embolie, Myokardinfarkt, Tod und ein zusammengesetzter Endpunkt aus Schlaganfall, systemischer Embolie, lebensbedrohlicher Blutung und Tod.

Die Raten schwerer Blutungsereignisse pro 10.000 Behandlungstage reichten von 1,9 für spät verabreichtes Dabigatran bis 4,9 für VKA. Die frühe oder späte Einführung von Dabigatran war mit einem geringeren Risiko für schwere Blutungen verbunden als die Verwendung von VKA. Der Unterschied war bei intrakraniellen Blutungen mit einer bereinigten Hazard Ratio (HR) von 0,47 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,10–2,21) für die frühe Anwendung von Dabigatran im Vergleich zu VKA und einer bereinigten HR von 0,09 (95 %-KI 0,00–13,11) für die späte Anwendung von Dabigatran im Vergleich zu VKA besonders ausgeprägt. Hinsichtlich der ischämischen Endpunkte wurden keine Unterschiede zwischen der frühen Einführung von Dabigatran und der Verwendung von VKA festgestellt.

„Es zeigte sich, dass Dabigatran, vor allem wenn es früh angewendet wird, mit einem geringeren Risiko für Blutungskomplikationen einhergeht. Das scheint insbesondere die gefürchteten Blutungen im Gehirn zu betreffen“, erklärt Diener und betont: „Wir sehen hier eine klare Tendenz zugunsten von Dabigatran.” Dieses Ergebnis müsse jedoch angesichts der geringen Präzision der Schätzung mit Vorsicht interpretiert werden, so die Forscher.

Weitere Analysen aus PRODAST, der mit Daten von insgesamt 10.000 Patienten bislang größten prospektiven Beobachtungsstudie zur Blutverdünnung nach akutem Schlaganfall, werden folgen, um weitere Klarheit in dieser wichtigen Phase der Schlaganfallbehandlung zu erlangen.