Akutes Leberversagen: Darmmikroben und Wirtszellen tragen gemeinsam zur Progression bei3. November 2020 Lebergewebe der Maus unter dem Mikroskop. Anzeichen eines akuten Leberversagens (links) verschwanden (rechts), nach MYC-Inhibition. (Quelle: © Weizmann Institute of Science) In einer neuen Studie haben US-amerikanische Forscher unter Verwendung von Mausmodellen für akutes Leberversagen drei neue Untergruppen von Leberzellen entdeckt, die die Entwicklung dieser Erkrankung steuern. Die Wissenschaftler konnten auch Signale identifizieren – sowohl vom Darmmikrobiom als auch von der erkrankten Leber ausgehend –, die diese Zellen gemeinsam aktivieren. Die Forscher konnten auch zeigen, dass die selektive Blockierung dieser Signale und eine Depletion des Mikrobioms zu einer deutlichen Verbesserung der Leberfunktion und einem verlängerten Überleben bei Mäusen führte. Eine Analyse des Lebergewebes von Menschen mit akutem Leberversagen ergab ein molekulares Muster, das dem in der Studie bei Mäusen identifizierten auffallend ähnlich ist. Das lässt die Studienautoren hoffen, dass die Ergebnisse bei Mäusen in Zukunft in eine Behandlung für Menschen umgesetzt werden könnten. Dr. Aleksandra Kolodziejczyk, Postdoktorandin in Prof. Eran Elinavs Labor im Institut für Immunologie des Weizmann Institute of Science leitete dieses Projekt in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern des Weizmann Institute of Science in Rehovot und Dr. Amir Shlomai vom Liver Institute des Rabin Medical Center in Petach Tikwa (beide Israel). Kolodziejczyk und ihre Kollegen erstellten zunächst Genexpressionsprofile von 45.000 einzelnen Mausleberzellen, die schließlich einen umfassenden Atlas von Leberzellen im Gesunden und bei akutem Leberversagen bildeten. Die Wissenschaftler identifizierten 49 Zelluntergruppen, von denen drei neue Untergruppen – Stern-, Endothel- und Kupffer-Zellen – mit fortschreitendem akuten Leberversagen bei den Mäusen abnormal aktiviert wurden. Diese zuvor unbeschriebenen Zellteilmengen sezernierten eine Vielzahl von Substanzen, die Immunzellen von außerhalb der Leber anzogen, was dann zu ihrer Schädigung beitrug. Alle drei neuen Zellsubtypen teilten ein charakteristisches Expressionsmuster von 77 Genen – ein Muster, das von demselben regulatorischen Protein, dem Transkriptionsfaktor MYC, gesteuert wird –, was darauf hindeutete, dass diese Zellen durch ein gemeinsames Programm aktiviert werden könnten. Die Forscher vermuteten, dass der neu entdeckte Aktivierungsweg durch Signale aus dem Darmmikrobiom geregelt werden könnte. Dies wäre anatomisch sinnvoll, da ein großes Netzwerk von Venen einen Abfluss aus dem Magen-Darm-Trakt in die Leber bildet und die Leber direkt Substanzen aussetzt, die im Darm und den darin enthaltenen Mikroben produziert werden. Als die Wissenschaftler durch Verabreichung von Breitbandantibiotika eine Depletion des Mikrobioms der Mäuse herbeiführten, wurden die Symptome eines Leberversagens gelindert. Wenn sie bei keimfreien Mäusen ohne Mikrobiom ein akutes Leberversagen induzierten, war die Erkrankung außerdem viel weniger schwerwiegend als bei normalen Mäusen. Weitere Studien an Mäusen mit und ohne Darmmikrobiom zeigten, dass sich während eines akuten Leberversagens bestimmte vom Mikrobiom erzeugte Moleküle in der Leber ansammeln, wo sie das MYC-Protein in den drei Leberzellsubtypen aktivieren, die zur Leberschädigung beitragen. In Abwesenheit eines Mikrobioms wurde die MYC-Aktivierung abgeschwächt, was zu einer verringerten Leberschädigung führte. Kolodziejczyk arbeitete dann die molekularen Details der MYC-Aktivierung heraus. Sie stellte fest, dass die vom Mikrobiom stammenden Moleküle das MYC-Programm über Oberflächenrezeptoren auf den drei Zellsubtypen aktivieren, die Kolodziejczyk zuvor als Faktor für eine Verschlimmerung des Leberversagens identifiziert hatte. Die Forscherin fand auch heraus, dass das MYC-Programm auf die gleiche Weise – das heißt durch die gleichen Rezeptoren der drei Zellsubtypen – durch Signale aktiviert wurde, die von durch Paracetamol geschädigten Leberzellen stammen. Wenn die Mäuse, die genetisch bedingt eine Depletion funktionierender Rezeptoren aufwiesen, Medikamente erhielten, die MYC blockierten oder auf andere Weise die Signale zwischen diesen Rezeptoren und MYC unterbrachen, entwickelten sie kein akutes Leberversagen mehr und ihr Überleben wurde verlängert. Die Genexpressionsanalyse einzelner Zellen zeigte, dass bei den behandelten Mäusen die drei neu identifizierten Zellsubtypen nicht mehr abnormal aktiviert waren, was sowohl die Infiltration der Immunzellen als auch die daraus resultierende Leberschädigung verringerte. Schließlich taten sich die Wissenschaftler mit dem Hepatologen Shlomai zusammen, um Leberproben von Patienten mit akutem Leberversagen zu analysieren und mit Proben von gesunden Leberspendern zu vergleichen. Diejenigen von den Patienten – aber nicht von den gesunden Spendern – waren durch eine robuste MYC-Aktivierung gekennzeichnet, die der bei Mäusen beobachteten ähnlich war. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass sich die Blockierung des MYC-Programms durch Medikamente in Verbindung mit der Mikrobiom-Modulation als potenzielle Behandlung für akutes Leberversagen erweisen kann. „Unsere Ergebnisse sind ein erster Schritt, um zu verstehen, wie das Mikrobiom mit dem Wirt interagiert und zu einem akuten Leberversagen beiträgt“, sagt Elinav. „Dieses Wissen könnte zu einer neuen Behandlungsoption für diese bisher nicht heilbare und verheerende Erkrankung führen.“
Mehr erfahren zu: "Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko" Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko In einer neuen Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie körperliche Aktivität und die Qualität der Ernährung mit unterschiedlichen Leveln und Mustern des Alkoholkonsums interagieren – mit dem Ergebnis, dass gesundes Essen […]
Mehr erfahren zu: "Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei" Exzessiver Alkoholkonsum: Gestörtes Protein-Recycling trägt zu MASLD bei US-Forschende haben herausgefunden, dass der Schlüssel für den Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und einer Stoffwechseldysfunktion-assoziierten steatotischen Lebererkrankung (MASLD) in einem Enzym liegt, das am Recycling unerwünschter Proteine beteiligt ist.
Mehr erfahren zu: "Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen" Weiterlesen nach Anmeldung Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University (USA) hat herausgefunden, dass sequenzierte Tumorproben deutlich weniger mikrobielles Erbgut aufweisen, das tatsächlich mit einer bestimmten Krebsart assoziiert ist, als bisher angenommen. Bisherige Ergebnisse […]