Alkoholabhängigkeit und Lebererkrankungen: Ein einziges Enzym könnte der Schlüssel sein

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US-Forscher haben einen überraschenden Zusammenhang zwischen Fruktosestoffwechsel und Alkoholabhängigkeit entdeckt ‒ und damit auch ein potenzielles neues therapeutisches Ziel bei alkoholbedingter Lebererkrankung und Alkoholmissbrauch.

In einer gerade im Journal „Nature Metabolism“ veröffentlichten Studie fand ein Forschungsteam von der University of Colorado Anschutz (USA) heraus, dass Alkohol im Körper einen Stoffwechselweg auslöst, der zur Produktion von Fruktose führt. Dieser Prozess, der durch das Enzym Ketohexokinase (KHK) gesteuert wird, scheint eine Schlüsselrolle sowohl bei der Verstärkung von Alkoholkonsum als auch bei der Beschleunigung von Leberschäden zu spielen.

Geringerer Ethanolkonsum im Mausmodell, wenn KHK fehlt

In dem beschriebenen Tiermodell stellten die Wissenschaftler Mäusen im ersten Versuchsaufbau (Einzelhaltung) zwei Trinkflaschen zur Verfügung. Während die eine Flasche Wasser mit Ethanol enthielt, war diese Mischung in dem anderen Behälter zusätzlich mit Sukralose oder Fruktose versetzt. Über einen Zeitraum von 30 Wochen wurde die Ethanolkonzentration gesteigert (von 3% auf 10%). Im zweiten Experiment (Dauer 14 Monate) konnten die paarweise gehaltenen Tiere aus nur einem Behälter trinken, wobei der Ethanolgehalt des darin befindlichen Wassers in gleich Weise gesteigert wurde wie in dem anderen Versuch.

Die Arbeitsgruppe beobachtete, dass Mäuse ohne das Enzym KHK in dem Wahl-Experiment eine deutlich geringere Neigung zur Aufnahme von Ethanol zeigten. Auch war der Konsum in dem anderen Versuchsaufbau geringer. Diese Mäuse tranken in verschiedenen Tests – darunter freiwilliges Trinken und belohnungsbasierte Modelle – weniger Alkohol und zeigten eine reduzierte Aktivität in Hirnregionen, die mit Sucht in Verbindung stehen.

Keine alkoholbedingten Leberschäden bei Enzymblockade

Bemerkenswerterweise traten alkoholbedingte Leberschäden nicht auf, wenn das Enzym KHK – entweder genetisch oder medikamentös – blockiert wurde. In den Lebern sammelte sich weniger Fett an, zudem entstanden weniger Entzündung und Vernarbung. Dies deutet laut den Forschenden darauf hin, dass ein Eingriff in den Fruktosestoffwechsel die Progression alkoholbedingter Lebererkrankungen bremsen oder sogar verhindern könnte.

 „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Alkohol die Leber nicht nur in direkter Art und Weise schädigt, sondern den Zuckerstoffwechsel des Körpers so manipuliert, dass das Trinkverhalten verstärkt und Leberschäden verschlimmert werden“, erklärt Miguel A. Lanaspa, außerordentlicher Professor an der CU Anschutz und Hauptautor der Studie.  „Durch die gezielte Beeinflussung des Fruktosestoffwechsels könnten wir diesen Kreislauf durchbrechen und neue Behandlungsmethoden sowohl für Alkoholabhängigkeit als auch für Lebererkrankungen entwickeln.“

Da sowohl alkoholbedingte Lebererkrankungen als auch die mit durch eine Stoffwechseldysfunktion bedingte Steatohepatitis (MASLD) Fruktose-abhängige Mechanismen gemeinsam haben, legen die Ergebnisse nahe, dass Therapien, die den Fruktosestoffwechsel hemmen, einer Vielzahl von Patienten mit ernährungs- oder alkoholbedingten Lebererkrankungen zugutekommen könnten.

 „Diese Entdeckung verdeutlicht eine unerwartete Verbindung zwischen Zucker- und Alkoholstoffwechsel“, unterstreicht Richard Johnson, ebenfalls Professor an der CU Anschutz und Ko-Autor der Studie. „Sie eröffnet vielversprechende Möglichkeiten für die Entwicklung von Behandlungen, die auf einen gemeinsamen Signalweg abzielen, der sowohl metabolischen als auch alkoholbedingten Lebererkrankungen zugrunde liegt.“