Aufnahme löslicher Ballaststoffe mit der Ernährung begünstigt Erneuerung von Darmepithelzellen

In ihrer Studie untersuchten die Autoren die Wirkung des löslichen Ballaststoffes Inulin. Er kommt in größerer Menge in den Wurzeln der Zichorie vor. (Foto: © Peter/stock.adobe.com)

Eine gerade veröffentlichte Studie zeigt, dass die Aufnahme löslicher Ballaststoffe über die Ernährung die Erneuerung von Darmepithelzellen begünstigt.

Dass eine ballaststoffreiche Ernährung viele Vorteile im Hinblick auf die Gesundheit hat, ist bekannt: Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen weisen auf einen Schutz vor Erkrankung wie Krebs und Diabetes hin. Allerdings wusste man bislang wenig über die genaue Interaktion von Ballaststoffen mit dem Darm und den ihn besiedelnden Mikroorganismen. Eine von brasilianischen Forschenden durchgeführte Studie, kürzlich publiziert in der Zeitschrift „Microbiome“, zeigt, dass eine Ernährung, die geeignete Mengen des löslichen Ballaststoffes Inulin* enthält, sogar die Länge und andere makroskopische Eigenschaften des Darms beeinflussen kann. Dies funktioniert aber nur in Anwesenheit von Bakterien, die die Ballaststoffe verdauen. Zu den vorteilhaften Wechselwirkungen zählen positive Veränderungen der Immunität. Die Ergebnisse der aktuellen Studie liefern laut ihren Autoren unter anderem neue Evidenz für die Bedeutung von Ballaststoffen und tragen zum medizinischen Verständnis entzündlicher Darmerkrankungen bei.

„Bei Mäusen, deren Futter zehn Prozent Inulin enthielt, war der Darm größer als bei Mäusen, die nur unlösliche Ballaststoffe [Zellulose] zu sich nahmen“, berichtet Erstautor Renan Oliveira Corrêa. „Als wir ihr Darmgewebe analysierten, stellten wir bei den Tieren, die ein inulinreiches Futter erhielten, eine stärkere Proliferation epithelialer Stammzellen fest.“

Genexpression

Die Forscher sequenzierten RNA aus dem Darmepithel und entdeckten 268 Gene, die bei Mäusen, die inulinreich ernährt wurden, und bei Mäusen, denen man normales Futter gab, unterschiedlich exprimiert wurden. In der ersten Gruppe erwies sich die Expression von Genen, die mit dem Zellzyklus sowie der DNA-Replikation und -Reparatur verbunden sind, als erhöht. Diese zellulären Prozesse sind aufgrund der hohen Erneuerungsrate der Epithelzellen im Darm äußerst wichtig.

Die Abbildungen zeigen, dass in der Versuchtstiergruppe, die inulinreiches Futter erhielt (rechts), bei mehr Zellen eine Zellteilung vollzogen wurde (rot) als in der Gruppe, die den löslichen Ballaststoff nicht bekam. (Abbildungen: © Renan Corrêa)

Auf der anderen Seite wurden Gene, die mit dem Lipid- und Fettsäurestoffwechsel verbunden sind, bei den Mäusen, die Inulin bekamen, weniger exprimiert. Diese Modulation war mit Wirkungen vereinbar, die von anderen Forschungsgruppen in Studien beschrieben worden sind: Diese zeigten, dass der Inulinkonsum die Lipidspiegel im Blutkreislauf senkt und die Lebersteatose reduziert.

Die inulinreiche Ernährung erhöhte auch die Expression von Genen, die mit der Differenzierung von Darmepithelzellen verbunden sind – einem Prozess, der für das Wachstum des Organs und die Substitution abgestorbener Zellen unerlässlich ist. Dies führte zu einem Anstieg der Zahl der Becherzellen. Deren Menge gilt als Anzeiger dafür, ob sich das Organ in einem gesunden Zustand befindet.

Dieser Teil der Studie umfasste laut den Forschenden einen Einzelzell-Sequenzierungstest: „Die Methode misst die individuellen Expressionsprofile jeder Zelle in der Epithelschicht“, erklärt Letztautor Marco Aurélio Ramirez Vinolo, Professor an der State University of Campinas’s Institute of Biology (IB-UNICAMP) in São Paulo (Brasilien).

Die Rolle von Bakterien

Die Darmmikrobiota wurde bei den mit Inulin gefütterten Mäusen drastisch verändert. Um sicherzustellen, dass die Veränderungen für die Auswirkungen von Inulin auf das Epithel relevant sind, führten die Forschenden Experimente mit zwei anderen Mäusegruppen durch. Einer Gruppe wurde vor der Einnahme von Inulin ein Antibiotikum verabreicht, das die Darmflora dezimierte. Die andere Gruppe bestand aus keimfreien Mäusen ohne jegliche Darmmikrobiota – sie wurden in einer völlig sterilen Umgebung gezüchtet und hatten keinen Kontakt mit Mikroorganismen. Nach der Einnahme von Inulin entwickelte keine der Gruppen den epithelialen proliferativen Phänotyp, und keine zeigte die molekularen Veränderungen, die in der Gruppe mit normaler Darmmikrobiota beobachtet wurden.

„Als sie eine kleine Menge Kot [über eine Kottransplantation] von mit Inulin gefütterten Mäusen mit Darmbakterien aufnahmen, entwickelten diese Mäuse den Phänotyp von Interesse, obwohl sie selbst nie Inulin aufgenommen hatten, was die Schlüsselrolle der Darmmikrobiota bei diesen Prozessen bestätigt“, erklärt Corrêa.

Schließlich zeigte die Studie auch, dass der Inulinkonsum den Blutspiegel von Interleukin-22 (IL-22) erhöhte, einem für die Darmgesundheit wichtigen Zytokin. Bei Mäusen, die kein IL-22 produzierten, weil das für dieses Protein verantwortliche Gen ausgeschaltet war, hatte die inulinreiche Ernährung nicht die in den anderen Gruppen beobachteten Auswirkungen.

Auch bei Mäusen, denen Gamma-Delta-T-Zellen fehlten – eine Lymphozyten-Untergruppe, die in der Epithelschicht der Schleimhaut vorkommt – erzeugte Inulin die Wirkungen von Interesse nicht, was auf eine wichtige Funktion spezifischer Immunzellen in diesem Zusammenhang hinweist.

„Wir fanden heraus, dass andere lösliche Ballaststoffe, wie zum Beispiel Pektin aus Früchten, ähnliche Effekte hatten. Es bedarf weiterer Forschung, um genau zu verstehen, was jeder Ballaststoff bewirkt. Wir können aber jetzt sagen, dass die Vorteile einer ausgewogenen Ernährung immer deutlicher werden und komplexe Wechselwirkungen zwischen Nahrungsbestandteilen, Darmmikrobiota und verschiedenen Zelltypen beinhalten“, fasst Vinolo zusammen. „Es ist wichtig zu verstehen, wie dieses System funktioniert und wie wir darauf reagieren können, um entzündlichen Darmerkrankungen und anderen wie Diabetes und Asthma vorzubeugen und sie sogar zu behandeln.“

* Inulin kommt beispielsweise in Zichorienwurzeln in großer Menge vor. Die Zichorie – auch Wegwarte genannt – wurde im Jahr 2020 zur Heilpflanze des Jahres gekürt und findet Verwendung nicht nur in der Naturheilkunde, sondern auch in der Lebensmittelindustrie.