Auftreten neuer primärer Kolorektalkarzinome beim Lynch-Syndrom: Risikofaktoren ermittelt

Darmkrebs (Abbildung: © appledesign/stock.adobe.com)

Eine aktuelle Studie des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs befasst sich mit der Frage, welche Personen mit Lynch-Syndrom ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines zweiten primären Kolorektalkarzinoms entwickeln.

Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und der Universität Leipzig veröffentlichen jetzt ihre Ergebnisse im Fachjournal „Clinical Gastroenterology and Hepatology“.

Das hereditäre nicht polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC) oder Lynch-Syndrom ist die häufigste erblich bedingte Risikoerhöhung für Krebs. Man schätzt, dass allein in Deutschland etwa 300.000 Personen betroffen sind. Das Lynch-Syndrom erhöht das Risiko für Darmkrebs und andere Krebsarten deutlich und ist für bis zu etwa fünf Prozent aller Darmkrebserkrankungen verantwortlich. Auslöser sind Defekte in Genen, die für die DNA-Reparatur zuständig sind. Dabei kann es – auch nach zunächst erfolgreicher Behandlung – zu weiteren Darmkrebserkrankungen kommen.

Daher untersuchten Forschende aus Bonn und Leipzig im Namen des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs Risikofaktoren für das Auftreten einen zweiten primären Kolorektalkarzinoms. „Unser Ziel ist, die personalisierte Versorgung von Menschen mit Lynch-Syndrom zu verbessern“, erklärt Co-Senior-Autor Prof. Jacob Nattermann, Leiter der Sektion Hepatogastroenterologie an der Medizinischen Klinik I des UKB und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn.

Bessere Risikoeinschätzung beim Lynch-Syndrom

Die Studie basiert auf Daten des zentralen Registers des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs. Ausgewertet wurden Informationen zu 852 Personen mit Lynch-Syndrom, die nach einer ersten Darmkrebserkrankung im Verlauf weiter beobachtet wurden. Die Forschenden analysierten, inwieweit Faktoren wie Alter, Geschlecht, genaue Lage der Ersterkrankung und genetische Merkmale mit dem Risiko für eine spätere zweite Darmkrebserkrankung assoziiert sind.

„Etwa jeder fünfte der untersuchten Lynch-Syndrom-Träger entwickelte im Verlauf von durchschnittlich 7,9 Jahren einen zweiten Dickdarmkrebs“, berichtet Erstautor Dr. Robert Hüneburg, Sprecher des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs und Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn, das Teil des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Bonn ist. „Unsere Ergebnisse tragen zu einer differenzierteren Risikoeinschätzung bei. Die systematische Auswertung genetischer und klinischer Parameter kann helfen, die Nachsorge und Beratung für Betroffene gezielter zu gestalten.“

Erhöhtes Risiko liegt in verschiedenen Genen

Dabei zeigte sich unter anderem, dass das Risiko für eine weitere Darmkrebserkrankung vom betroffenen Gen abhängt. Personen mit Veränderungen in den Genen MLH1 oder MSH2 besaßen ein höheres Risiko als solche mit Veränderungen in MSH6 oder PMS2. Diese Genotyp-Stratifizierung stellt einen wichtigen Ansatz dar, um individuelle Vorsorgestrategien zu entwickeln.

„Die Analyse basiert auf einer der bislang größten Personengruppe zu dieser Fragestellung“, erklärt PD Dr. Christoph Engel, Co-Senior-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Familiäre Tumorerkrankungen am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig. „Die langjährige Dokumentation in unserem Register ermöglicht es, auch weniger offensichtliche Risikokonstellationen abzubilden.“ Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den Nutzen strukturierter Registerdaten zur Erfassung klinischer Verläufe bei erblichen Tumorsyndromen. Sie bilden eine Grundlage für die Weiterentwicklung risikoadaptierter Nachsorgekonzepte.

Die Studie wurde durch das Deutsche Konsortium Familiärer Darmkrebs unter Leitung des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Leipzig durchgeführt. Beteiligt waren zudem Zentren in München, Heidelberg, Dresden, Düsseldorf, Tübingen, Hannover, Hamburg, Bochum und Magdeburg.